Debatte über Asylpolitik Wo bleibt die Integration?
Momentan ist viel die Rede von Grenzkontrollen und Abschiebungen. Kaum ein Thema ist, wie die Integration der Menschen verbessert werden kann, die schon hier sind. Was sagen diejenigen, die genau das zum Ziel haben?
Montagvormittag in der Sprachschule Zebus in Berlin-Neukölln. Hier werden Integrationskurse und Berufssprachkurse angeboten. Jede Woche kommen gerade Dutzende neue Sprachschülerinnen und Sprachschüler dazu. Elif Yagbasan und Deniz Yagbasan-Christe bitten in ihr Büro, sie leiten die Schule gemeinsam. Die beiden Frauen sind Deutsche mit Migrationshintergrund, sie sind hier aufgewachsen.
Die aktuelle Diskussion um Flüchtlingszahlen, Abschiebungen und Zurückweisungen besorgt sie. Es habe Auswirkungen auf die gesellschaftliche Stimmung, meint Elif, die sei aggressiver geworden und das mache ihr Angst. Deniz ergänzt, sie nehme die Stimmung als geradezu bedrohlich wahr. Sie habe Diskussionen rund um Migration eigentlich nie auf sich selbst bezogen. Jetzt habe sie sich zum ersten Mal als nicht dazugehörig gefühlt, obwohl sie hier geboren und aufgewachsen sei.
Besonders schwierig sei es aber für diejenigen, die neu dazukämen. Angesichts einer großen Zahl von Flüchtlingen scheint gerade aus dem Blick zu geraten, dass auch Integration eine große Rolle spielt.
Grenzkontrollen und Zurückweisungen
Generell wird seit ein paar Tagen über eine härtere Gangart in der Flüchtlingspolitik diskutiert, besonders die Union setzt sich dafür ein, aber auch die FDP hat viele Vorschläge ins Spiel gebracht. Die Ampelkoalition setzt nun auf stärkere Kontrollen an den Grenzabschnitten zu allen Nachbarländern. Und Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat einen Vorschlag für beschleunigte Rücküberstellungen von Asylsuchenden in andere EU-Länder vorgestellt. Zudem wurde in der vergangenen Woche über ein so genanntes Sicherheitspaket im Bundestag beraten.
Weniger Geld für Integrationskurse?
Beraten wurde auch der Etat des Innenministeriums im Bundestag. Dabei ging es auch um Integrationskurse. Dafür ist eine halbe Milliarde Euro veranschlagt, das ist ungefähr die Hälfte der Summe vom Vorjahr. Ist das wirklich so? Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilt mit: In Bezug auf die Integrationskurse seien die finanziellen Bedarfe für das kommende Jahr "aktuell noch nicht bezifferbar und weiter zu prüfen". Es sei noch nicht über die notwendige finanzielle Ausstattung der Integrationskurse im Haushalt 2025 entschieden worden.
Ein Dementi sieht anders aus. Das Innenministerium beeilt sich aber auch klarzustellen, dass eine "frühzeitige Sprach- und Wertevermittlung (…) besonders wichtig für eine erfolgreiche Integration" sei.
"Wir müssen Wertvorstellungen erklären"
Genau bei diesen ersten Schritten der erfolgreichen Integration versucht die Sprachschule Zebus zu helfen, die Schülerinnen und Schüler willkommen zu heißen. Elif und Deniz haben die Überzeugung: Man dürfe Geflüchtete und Migranten nicht im Stich lassen, müsse sie fördern, ihnen Wertvorstellungen erklären - und ihnen zeigen, wie schön es sein könne, ein Miteinander zu erleben. Auch so könne man Radikalisierung entgegenwirken.
Die beiden Schulleiterinnen plädieren auch dafür, die Zugangsvoraussetzungen in manchen Berufen abzusenken, damit Geflüchtete schneller in Arbeit kämen. Wenn man einer Person in der Familie zum Job verhelfe, dann helfe man oft der kompletten Familie, erklärt Elif.
Zugleich machen die beiden aber klar: Abschiebungen gehören für sie zu einem gewissen Grad dazu. Wer sich in Deutschland wirklich strafbar mache - nicht nur mit Bagatelldelikten - der müsse abgeschoben werden.
DIW warnt vor Kürzungen bei Integrationskursen
Für Marcel Fratzscher, Präsident des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), wären Kürzungen der Leistungen für Integrationskurse ein fatales Signal. Fratzscher sagte dem ARD-Hauptstadtstudio, die deutsche Politik tue nicht zu viel, sondern deutlich zu wenig, um die Integration von "ausländischen Mitmenschen in Arbeitsmarkt und Gesellschaft erfolgreich zu gestalten."
Die Hürden zur Integration in Deutschland seien hoch, so Fratzscher, Qualifikationen würden häufig nicht anerkannt, die Bürokratie sei langsam, Investitionen im Bildungsbereich seien viel zu gering, und nun sollten auch noch Leistungen für Integrationskurse gekürzt werden.
Fratzscher meint, Kürzungen bei Integrationskursen könnten kurzfristig Geld einsparen, langfristig führe das aber zu einer schlechteren Integration und somit deutlich höheren Kosten für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft.
Unterschiedliche Realitäten
Deniz Yagbasan-Christe und Elif Yagbasan kommen noch einmal auf die bedrückende Stimmung zurück, die sie gerade in Deutschland wahrnehmen. Und stellen klar: "Wir sehen jeden Tag ein ganz anderes Bild. Wir erleben komplett das Gegenteil von dem, was gerade politisch diskutiert wird." Soll heißen: Zu der Neuköllner Sprachschule kommen in der Regel die Menschen, die motiviert sind, die sich wirklich integrieren wollen, die Lust haben, die Sprache zu lernen. Es geht allerdings ihrer Meinung auch darum, diejenigen für die Gemeinschaft zu gewinnen, die weniger motiviert sind und weniger Lernerfahrung haben.
Das Problem: Es seien zwei völlig unterschiedliche Realitäten. Die Realität, die sie jeden Tag in ihrer Sprachschule erleben - und die Realität, die in der Politik gerade diskutiert wird.