Bundestagswahl 2025
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Bundestagswahl So entsteht die Prognose am Wahltag
Am Sonntag um 18 Uhr richten sich alle Augen auf farbige Balken: die Prognose zur Bundestagswahl. Wie aber ist eine solche Annäherung ans Wahlergebnis möglich? Und wann gab es historisch die erste Prognose?
Wie entsteht die Prognose am Wahltag?
Für die ARD-Prognose will infratest dimap an diesem Sonntag in bundesweit 560 Wahllokalen ganz konkret wissen: "Wem haben Sie gerade Ihre Stimme gegeben?" Die Wahllokale sind so ausgewählt, dass sie die Bundesrepublik insgesamt repräsentativ abbilden. Sie befinden sich in großen Städten und auf dem Land, in Gegenden mit hoher und niedriger Wahlbeteiligung, in Hochburgen einzelner Parteien und in deren Diaspora. Das Institut rechnet mit 80.000 bis 90.000 Interviews. So entsteht ein Abbild des Wahlverhaltens im ganzen Land. Wenn die ARD diese Prognose um 18 Uhr im Fernsehen, im Radio und im Netz veröffentlicht, ist sie die statistisch bestmögliche Vorhersage des Wahlergebnisses.
Was unterscheidet eine Prognose von den Umfragen des ARD-DeutschlandTrends?
Auch der DeutschlandTrend, der regelmäßig rund 1.300 Personen über Festnetz, Handy und ein Internetpanel befragt, ist repräsentativ. Wegen der deutlich geringeren Fallzahl ist er allerdings weniger präzise. Und: Während die Prognose konkretes Wahlverhalten ermittelt, zeigen sich in Umfragen Wahlabsichten. Ob ein Teil der Befragten später gar nicht wählen geht oder seine Entscheidung noch mal ändert, bleibt bei Umfragen offen. Deshalb haben sie keinerlei Vorhersagecharakter. Sie messen die Stimmung zum Zeitpunkt der Befragung.
Was ist der Unterschied zwischen Prognose und Hochrechnungen?
Die Prognose gibt es nur einmal - um 18 Uhr. Während diese Prognose ausschließlich auf den Interviews am Wahltag beruht, fließen in die folgenden Hochrechnungen tatsächliche Auszählungsergebnisse ein. Zunächst beobachten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von infratest dimap in den 560 ausgewählten Wahllokalen die öffentliche Auszählung und berichten die Ergebnisse so schnell wie möglich an die Hochrechner. Das ist die Basis für die ersten schnellen Hochrechnungen. Später fließen dann auch alle anderen Ergebnisse ein, die die Wahlleitungen im Laufe des Abends veröffentlichen.
Wie werden die Briefwählerstimmen erfasst?
Eine Befragung von Briefwählern direkt nach der Stimmabgabe ist praktisch unmöglich. Um die mittlerweile recht hohe Zahl von Briefwahlstimmen in der Prognose zu berücksichtigen, greifen die Hochrechner auf statistische Modelle zurück. Sie haben die Briefwahlergebnisse vorangegangener Wahlen genau analysiert und führen in dieser Gruppe spezielle Befragungen durch.
Zudem ermitteln sie, wo besonders viel beziehungsweise wenig per Brief gewählt wird. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt: Das Verhalten der Briefwähler ist berechenbar und verschlechtert die Qualität der Prognose nicht wesentlich.
Wann zeigt sich am Sonntag, wie die Wahl ausgeht?
Ab 9 Uhr morgens gehen die Befragungsergebnisse stündlich in das Wahlsystem ein. Allerdings unterscheidet sich das Wahlverhalten der Menschen, die frühmorgens ins Wahllokal gehen, von jenen, die am späten Nachmittag ihre Stimme abgeben. Deshalb wird die eigentliche Prognose erst kurz vor 18 Uhr erstellt. Die Hochrechnungsprogramme werfen zwar im Laufe des Tages regelmäßig Werte für die einzelnen Parteien aus. Diese Werte verändern sich aber im Tagesverlauf. Sie sind streng vertraulich und dienen nur der internen Kontrolle und Planung.
Die Redaktionen der verschiedenen Wahlsendungen werden ab 17:00 Uhr über wichtige Tendenzen informiert. Die Prognosedaten selbst sind ab etwa 17:45 Uhr im internen System für unser Team verfügbar. Eine Veröffentlichung vor 18:00 Uhr ist nach dem Wahlgesetz untersagt.
Wie genau ist die Prognose?
Die Prognosen von infratest dimap für die ARD und der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF bilden das spätere Ergebnis bereits um 18:00 Uhr erstaunlich genau ab. Maßstab für die Qualität einer Prognose ist immer die spätere Abweichung zu den tatsächlichen Ergebnissen der Parteien. Die lag in den vergangenen Jahrzehnten bei beiden Instituten im Durchschnitt bei weniger als 0,5 Punkten. Das ist nach statistischen Maßstäben exzellent. Trotzdem können auch 0,5 Prozentpunkte wahlentscheidend sein - etwa wenn es um die Fünf-Prozent-Hürde oder um knappe Mehrheiten geht.
Lohnt sich der große Aufwand?
Der Aufwand ist beträchtlich. Für das Institut sind am Wahltag rund 900 Personen am Entstehen der Prognose beteiligt. Durch die Befragung der Wählerinnen und Wähler entstehen aber auch exzellente Analysedaten. Alter und Geschlecht, Bildungsstand oder Größe des Wohnorts lassen eine detaillierte Auswertung der Wählerschaften der einzelnen Parteien zu. Weitere Fragen - etwa nach den wichtigsten Motiven für die Wahlentscheidung - und die Schätzung der Wählerwanderung ergänzen das Bild.
Für die Öffentlichkeit, die Wissenschaft und die politischen Parteien liefern die Daten der Wahltagsbefragung wertvolle Erkenntnisse, die auch der Weiterentwicklung von Demokratie und Gesellschaft dienen.
Seit wann gibt es am Wahlsonntag Prognose und Hochrechnungen?
Die 18:00-Uhr-Prognose war das Ergebnis einer längeren Entwicklung. Am 19. September 1965 führte das Bonner Institut Infas für die ARD zum ersten Mal eine Hochrechnung durch, abends um 21.43 Uhr wurde sie veröffentlicht. Der Einsatz eines Computers zu diesem Zweck sorgte für Aufsehen und Irritation. Bis dahin waren alle Beteiligten an Wahlabenden ins Bett gegangen, ohne eine Ahnung vom Ergebnis zu haben. Nun nutzte der Computer am späteren Abend die Auszählungsdaten, um daraus das Resultat abzuleiten.
1976 begann die Geschichte der Wahltagsbefragung, der so genannten Exit-Poll. Für einige Jahre wurden diese Ergebnisse nur zur Stützung der Hochrechnung benutzt. Um 18:00 Uhr eine Prognose abzugeben, trauten sich zunächst weder Redaktion noch Statistiker zu. 1987 wurde im deutschen Fernsehen erstmals auf 18:00 Uhr heruntergezählt, aber die Prognose beruhte noch im Wesentlichen auf Umfragen. Die erste Prognose nach unserem heutigen Verständnis verkündete in der ARD Ulrich Deppendorf bei der ersten gesamtdeutschen Wahl 1990.