Bundestagswahl 2025

Christian Lindner
Porträt

FDP im Umfragetief Lindners letzte Chance?

Stand: 30.01.2025 10:57 Uhr

FDP-Chef Lindner führte die Partei zurück in den Bundestag und schließlich in die Regierung. Nun könnte sie erneut an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Kann er die Partei erneut retten? Oder droht das Karriereende?

Von Markus Sambale, ARD Berlin

Die große Bühne. Allein im Rampenlicht. Beim Dreikönigstreffen im Stuttgarter Opernhaus steht Christian Lindner da, wo er sich wohlfühlt. Er ist in seinem Element. Und kokettiert: "Verehrte Anwesende. Ich darf mich vorstellen. Mein Name ist Christian Lindner. Ich bin noch 45 Jahre alt - und offensichtlich der schlimmste Albtraum des links-grünen Mainstreams in Deutschland."

Der Ton ist gesetzt. Mehr als eine Stunde lang spricht Lindner. Wie immer mit viel Witz und ohne Skript. Aber auch ohne jede Spur von Selbstkritik. In einer Zeit, in der die FDP unter seiner Führung ums politische Überleben kämpft. Für das Ende der Ampel macht Lindner SPD und Grüne verantwortlich, weil sie den FDP-Kurs einer "echten Wirtschaftswende" nicht mitgemacht hätten. Er fordert, die Wirtschaft wieder auf Erfolgskurs zu bringen - auch um die Demokratie zu retten.

Spitzenkandidaten im Porträt
Auf tagesschau.de wird es für jeden der Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl ein Porträt geben: Olaf Scholz, Friedrich Merz, Robert Habeck, Alice Weidel, Christian Lindner, Heidi Reichinnek und Jan van Aken sowie Sahra Wagenknecht.

"Dornige Chancen"

Bei der Wahl gehe es nicht um die FDP, sondern um die Zukunft des Landes, ruft Lindner dem Publikum im Opernhaus zu. "Es geht um alles." Doch er weiß: Es geht sehr wohl auch für die Freien Demokraten um alles. Und für ihn selbst. Seit September 2023 ist die Partei im ARD-Deutschlandtrend nicht mehr über die fünf Prozent hinausgekommen. Nach dem Ampel-Aus droht die FDP auch aus dem Bundestag zu fliegen. Und Lindners Erfolgsgeschichte als liberaler Heilsbringer wäre dann wohl zu Ende.

Doch Christian Lindner lässt sich nicht unterkriegen. Das zeigt auch sein Lebenslauf: Schon als Schüler gründet er in seiner Heimat im Bergischen Land eine Werbeagentur. Sein Motto: "Probleme sind nur dornige Chancen." Was manche als PR-Slogan belächeln, spornt Lindner an. Mit nur 21 Jahren wird er für die FDP in den nordrhein-westfälischen Landtag gewählt. Wie bei einem Aktienkurs gibt es in Lindners politischer Karriere in Düsseldorf und Berlin Flauten. Doch im Gesamttrend geht es bergauf. Bis zum Gipfel im Dezember 2021: Da wird Christian Lindner als Finanzminister vereidigt.

Fremdeln mit dem Kurs der Ampel

Zu Beginn der Ampelkoalition lobt Lindner Kanzler Olaf Scholz als "starke Führungspersönlichkeit". Doch knapp drei Jahre später ist von Wertschätzung nichts mehr übrig. Im Streit über die Finanzen zerlegt sich die Regierung. Der Kanzler wirft Lindner vor, verantwortungslos, kleinkariert und egoistisch zu sein. Lindner wiederum nennt Scholz jetzt "kraftlos", dessen Vorschläge matt und unambitioniert.

Tatsächlich haben viele FDP-Anhängerinnen und -Anhänger gefremdelt mit dem Ampel-Bündnis. Diese Wählerschaft hatte Lindner im Blick, wenn er sich koalitionsintern immer wieder von den beiden "linken Parteien" distanzierte und sich zur Opposition in der eigenen Regierung stilisierte. Ob beim Heizungsgesetz, beim Streit über den verschobenen Atom-Ausstieg oder zuletzt beim vehementen Festhalten an der Schuldenbremse.

Welche Folgen hatte der Ampel-Crash?

Vieles deutet darauf hin, dass Lindner den Bruch der Ampel schließlich vorangetrieben hat. Und dass dabei die Landtagswahl-Schlappen der FDP und die miserablen Umfragewerte eine zentrale Rolle gespielt haben. Das Ampel-Ende sollte zum Befreiungsschlag für die FDP werden. Ähnlich wie 2017, als Lindner die Sondierungsgespräche mit Union und Grünen abgebrochen hatte - mit dem legendären Satz: "Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren."

Ein Signal der Prinzipientreue soll es auch diesmal sein. Doch es kommt zum PR-Debakel, als durchsickert, dass der Führungszirkel der Partei das Ampel-Aus akribisch planen ließ. Tagelang beherrscht das "D-Day"-Papier der FDP die Schlagzeilen, in dem politisch und medial zur "offenen Feldschlacht" aufgerufen wurde.

Lindner steht plötzlich als abgebrühter Zocker da. Auch für ihn könnte es jetzt eng werden, als sich hektische Dementis aus seiner Umgebung als falsch herausstellen. Schließlich müssen Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Reymann zurücktreten. Und Lindner? Tut das Strategiedokument seines engsten Vertrauten als "Praktikanten-Papierchen" ab - und hofft, dass die Affäre in aufreibenden Wahlkampfzeiten in Vergessenheit gerät.

Alles auf Schwarz-Gelb?

Mehr als 75 Wahlkampfauftritte hat sich Christian Lindner vorgenommen. Er setzt auf einen Richtungswechsel in der Wirtschafts- und Migrationspolitik. Themen, die auch CDU und CSU zu ihren Kernkompetenzen rechnen. Und so signalisiert Lindner einerseits, dass er sich eine schwarz-gelbe Koalition wünscht. Gleichzeitig versucht er sich abzugrenzen, setzt auf maximale Aufmerksamkeit.

Man solle in Deutschland "vielleicht ein kleines bisschen mehr Milei oder Musk wagen", regt Lindner bei Caren Miosga in der ARD an. Mehr Markt, weniger Staat - eine Politik, die Argentiniens Präsident Javier Milei mit der Kettensäge oder der US-Unternehmer und Trump-Berater Elon Musk auf radikale Art betreiben. Doch das Anbandeln mit Musk geht nach hinten los: Seit der US-Milliardär im deutschen Wahlkampf offen die AfD unterstützt, muss Lindner zerknirscht zurückrudern.

Wenig Kritik trotz Umfragetief

Obwohl die FDP weiter in der Umfragekrise steckt, muss man Kritik an Lindner lange suchen. Und findet sie nur selten - etwa beim 92-jährigen Urgestein Gerhart Baum. Er kritisiert, dass sich die Partei zu sehr auf eine Führungsfigur reduziert habe. Parteiinterne Diskussionen unter Christian Lindner seien von der Furcht geprägt, es entstünde etwas Schädliches. Doch solche Kritik verhallt - derzeit jedenfalls.

Denn bis heute danken viele in Partei und Fraktion ihrem Vorsitzenden, dass er die FDP erst in den Bundestag zurück und dann in die Regierung geführt hat. Als Spitzenkandidat wird Lindner deshalb nicht in Frage gestellt. In vertraulichen Gesprächen hört man zwar auch Zweifel an seinem Führungsstil. Doch alle wissen: Es gibt aktuell keine Alternative.

So steht Christian Lindner weiter im Rampenlicht. Verfolgt als Ziel ein zweistelliges FDP-Ergebnis und eine Regierungsbeteiligung, auch wenn das angesichts der aktuellen Umfragen utopisch erscheint. Am 23. Februar entscheidet sich, ob Christian Lindner der Star auf der großen Bühne bleibt. Oder ob die politische Show für ihn zu Ende geht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 27. Januar 2025 um 07:41 Uhr.