Desinformation über E-Autos Falschmeldungen über Brände und Wasserverbrauch
Ob wegen der angeblichen Brandgefahr, der Ressourcengewinnung für die Batterien, oder der CO2-Bilanz: Über E-Autos kursieren im Netz viele falsche oder zumindest veraltete Meldungen, bemängeln Experten.
"Grün tötet: Jetzt droht dem Wattenmeer durch das E-Mobil-Feuer auf dem Frachter eine Katastrophe", titelte ein rechtspopulistischer Blog zum Frachterbrand in der Nordsee. In einem anderen Blog hieß es: "Albtraum E-Auto: Jetzt brennen sie schon beim Transport". Dabei ist zur Brandursache nach Angaben der niederländischen Küstenwache noch gar nicht bekannt. Dass eines der E-Autos an Bord den Brand verursacht hat, ist somit alles andere als sicher.
Auch in den sozialen Netzwerken waren sich einige Userinnen und User dennoch schnell einig: E-Autos seien ein "Sicherheitsrisiko" und gehörten "weder auf Fähren noch in den Straßenverkehr". Ein anderer schrieb: "Wie viele Menschen müssen noch sterben, bis dieser irrsinnige Scheißdreck endlich verboten wird". Das Thema E-Autos polarisiert - auch, weil gezielt Desinformationen darüber verbreitet werden.
Falschangaben zu angeblich brennenden E-Autos
Besonders zur vermeintlichen Brandgefahr von E-Autos werden immer wieder Falschmeldungen gestreut. So kursiert beispielsweise ein Video von einem explodierenden Fahrzeug auf einer Autobahn im Netz, bei dem es sich angeblich um ein E-Auto handeln soll. Dabei handelt es sich in Wahrheit um einen mit Gasflaschen geladenen Lkw, wie "Correctiv" herausgefunden hat. Bei einem anderen Video handelt es sich um einen explodierenden Gastank an einer Tankstelle und nicht - wie fälschlicherweise behauptet - um ein E-Auto.
Und auch in der Forschung gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass E-Autos häufiger brennen würden als herkömmliche Verbrenner, sagt Patrick Plötz, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI. "Insgesamt ist die Datenlage noch überschaubar, aber es gibt eine Reihe von Zahlenmaterial von Versicherern, wie viele Autobrände sie je nach Antriebsart zahlen mussten. Demnach brennen batterieelektrische Fahrzeuge zwischen zehn und 100 mal seltener als Verbrenner."
Nach Angaben des US-amerikanischen Versicherungsunternehmens AutoinsuranceEZ brennen beispielsweise etwa 25 E-Autos pro 100.000 verkaufter Einheiten, bei Verbrennern sind es 1.530 pro 100.000. Auch der deutschen Prüfgesellschaft DEKRA zufolge brennen E-Autos nicht häufiger. Allerdings sind E-Autos auch tendenziell neuere Fahrzeuge und die Anzahl ist noch deutlich geringer.
Brand kann nicht mit CO2 gelöscht werden
Wenn ein E-Auto brenne, sei das Feuer jedoch schwieriger zu löschen, sagt Uwe-Peter Schieder, Kapitän und Experte des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft. Denn die Lithium-Ionen-Akkus produzierten beim Brennen selbst Sauerstoff, so dass das Löschen mit CO2, wie es unter Deck auf Schiffen gemacht werde, quasi wirkungslos sei. Zudem sind die Akkus so eingebaut, dass sie vor Wasser und anderen Flüssigkeiten geschützt sind, so dass sie schwerer zu erreichen sind.
Eine Untersuchung der Schweizerischen Eidgenössischen Material- und Prüfanstalt kommt zu dem Schluss, dass E-Autos grundsätzlich nicht heftiger brennen würden. Allerdings müsste die Batterie eines E-Autos mit großen Mengen Wasser gekühlt werden und das Auto in einem Wasserbecken oder Spezialcontainer aufbewahrt werden, damit es sich nicht neu entzünden kann. Zudem stelle das Lösch- und Kühlwasser ein Problem dar, da die chemische Belastung die Grenzwerte für Industrieabwässer deutlich übersteige. "Es ist wichtig, dass dieses hochbelastete Wasser nicht ohne fachgerechte Vorbehandlung in die Kanalisation läuft", heißt es in der Studie.
Jörg Zganiatz, Fachabteilungsleiter Unfallanalytik und technische Gutachten bei der DEKRA, sagte dem Sender ntv, dass brennende E-Autos nicht gefährlicher seien als alternativ betriebene Autos. "Wir haben keine Erkenntnisse, dass Elektroautos sich bei einem Brand kritischer verhalten als normale Pkw", so Zganiatz. Bei dem brennenden Frachter sei das Problem die schiere Menge an Fahrzeugen. Ob da vereinzelt Elektrofahrzeuge dabei seien oder nicht, spiele bei so einem Geschehen keine Rolle. Zudem seien die Möglichkeiten zum Löschen bei so einem riesigen Frachter sehr schlecht.
Nach Angaben der japanischen Reederei K-Line sind auf dem Schiff 3783 Neuwagen, darunter 498 Elektroautos.
Deutlich weniger CO2-Emissionen
Auch über die Ökobilanz von E-Autos gibt es einige Falschmeldungen im Netz. So hält sich die Behauptung hartnäckig, die CO2-Bilanz von E-Autos sei kaum besser als die moderner Verbrenner. Aus Sicht von Plötz hat das mehrere Gründe. "Zunächst einmal sind ältere Studien zu dem Thema stark überholt. Besonders bei der Herstellung der Batterien hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan, so dass die CO2-Bilanz von E-Autos noch einmal besser geworden ist."
Hinzu komme, dass bei Vergleichen oft Fehler gemacht würden, so Plötz. Beispielsweise rechneten einige Studien die CO2-Emissionen, die für die Kraftstoffbereitstellung von Benzin und Diesel anfallen, nicht mit rein. "Diese CO2-Emissionen sind erheblich. Das sind gut 15 bis 20 Prozent, die noch einmal hinzukommen." Auch beim Strommix müsse mit eingerechnet werden, dass der Anteil an erneuerbaren Energien sich in den kommenden Jahren vergrößert - Ende 2021 lag er nach Angaben der Bundesregierung beim Bruttostromverbrauch bei rund 42 Prozent, bis 2030 soll der Anteil auf 80 Prozent steigen.
Nach Berechnungen der Organisation International Council on Clean Transportation (ICCT) weisen E-Autos bei heute zugelassenen Autos "mit Abstand die niedrigsten Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus" auf. In der Kompaktklasse sind die Emissionen eines neu zugelassenen E-Autos in Europa über die Lebensdauer demnach durchschnittlich 66 bis 69 Prozent niedriger als bei einem vergleichbaren Benziner. Aufgrund des sich stetig verbessernden Strommixes erhöhe sich dieser Emissionsvorteil im Jahr 2030 auf etwa 74 bis 77 Prozent.
Wasserverbrauch oft überschätzt
Die Ressourcen, die für die Batterien der E-Autos verwendet werden, sind ebenfalls oftmals ein Thema in der Diskussion um Elektromobilität. So wird beispielsweise auf den hohen Wasserverbrauch hingewiesen, der vor allem bei der Förderung von Lithium entsteht - allerdings wird auch hier zum Teil mit zu hohen Schätzungen von 80.000 Litern pro Autobatterie argumentiert.
Denn der weltweit größte Lithiumexporteur momentan ist Australien, wo Lithium vor allem aus festem Gestein abgebaut wird im Gegensatz zu beispielsweise Chile, wo es über die Verdunstung von salzhaltiger Sole gewonnen wird. Der Wasserverbrauch ist bei ersterem deutlich niedriger.
Nach einer Erhebung des Danish Technological Institute werden derzeit zwischen 400 und 2000 Liter Wasser für die Produktion von einem Kilogramm Lithium benötigt. Angaben des Helmholtz-Instituts Ulm (HIU) zufolge sind in einer Fahrzeugbatterie mit 60 Kilowattstunden Energieinhalt sechs Kilogramm Lithium enthalten, was somit einer Wassermenge von 2.400 bis 12.000 Litern entspreche.
"E-Autos am wenigsten schädlich für die Umwelt"
Plötz bemängelt bei den Berichten über den Rohstoffverbrauch von Batterien vor allem die fehlende Verhältnismäßigkeit. "Pro Kilogramm Rindfleisch werden circa 15.000 Liter Wasser verbraucht. Das muss man auch mal ins Verhältnis setzen." Das bedeute nicht, dass dadurch alles gut sei bei der Gewinnung der Rohstoffe für die Batterien, dennoch müsse es berücksichtigt werden bei der Bewertung.
Ähnlich sei das bei Kobalt, welches ebenfalls ein Bestandteil vieler Batterien sei und unter anderem in Minen in Kongo unter schlimmen Bedingungen gewonnen werde. "Hauptverwendungszwecke von Kobalt sind Metalllegierungen, Magnete und in der Chemie wie die Entschwefelung von Dieselkraftstoff, darauf wird jedoch oft nicht hingewiesen", so Plötz. "Es ist manchmal ein bisschen merkwürdig, wenn manche Rohstoffe nur im Kontext von E-Autos diskutiert werden." Kein Fahrzeug sei gut für die Umwelt. Aber wenn man sie untereinander vergleiche, sei das Elektrofahrzeug am wenigsten schädlich.