Flüchtlingspolitik EU schließt Pakt mit der Türkei
Die EU und die Türkei haben sich auf einen Aktionsplan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise geeinigt. Die EU stellt drei Milliarden Euro zu Verfügung. Dafür soll die Türkei dafür sorgen, dass weniger Flüchtlinge in die EU kommen.
Bei einem Sondergipfel in Brüssel haben die EU und die Türkei einen Aktionsplan beschlossen, mit dem der Zustrom der Flüchtlinge nach Europa strenger reguliert werden soll.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker betonte, es werde keine Lösung der Flüchtlingskrise geben ohne eine Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei. Er bestätigte, zur Versorgung der Flüchtlinge in ihrem Land sollten der Türkei drei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Damit ist nach den Worten von EU-Ratspräsident Donald Tusk eine konkrete Erwartung verbunden, und zwar "eine sofortige und erhebliche Reduzierung der irregulären Migranten, die in Europa ankommen".
Unklar ist bislang allerdings, wie die drei Milliarden Euro finanziert werden, die in Flüchtlingsprojekte in der Türkei fließen sollen. Nur 500 Millionen Euro sollen direkt über den EU-Haushalt gedeckt werden. Mehrere EU-Länder wollen sich nicht am restlichen Betrag beteiligen. Auch der Zeitraum für die Auszahlung steht nicht fest.
Visaliberalisierung ab Herbst 2016
Zudem sagte die EU zu, den Prozess zur Aufnahme der Türkei in die EU zu beschleunigen. Bereits im Dezember soll nach langer Pause ein neues Kapital der nach Themen gegliederten EU-Beitrittsverhandlungen eröffnet werden. Weitere Kapitel wollen die Diplomaten für das erste Quartal 2016 verhandlungsreif machen. Die EU stellt der Türkei zudem den Start von Verhandlungen über eine Zollunion für Ende 2016 in Aussicht.
Auch sollen die Visabestimmungen für türkische Bürger gelockert werden. Bereits ab Oktober 2016 und damit ein Jahr früher als geplant sollen türkische Staatsbürger ohne Visum in den Schengenraum einreisen können, falls die Regierung in Ankara bis dahin alle Anforderungen erfüllt. Dazu zählen technische Voraussetzungen. Unter anderem muss sichergestellt werden, dass Pässe fälschungssicher sind.
Türkei soll Flüchtlinge zurücknehmen
Die Türkei sichert im Gegenzug zu, ab kommenden Juli ein Rücknahmeabkommen anzuwenden. Das Land müsste dann illegal in die EU eingereiste Flüchtlinge aus Drittstaaten wieder zurücknehmen. Außerdem soll die Türkei ihre Küsten besser kontrollieren und gegen Schlepper vorgehen.
Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sprach von einem "historischen Tag". Er sei allen europäischen Führern dankbar für diesen Neuanfang. Es sei der Beginn eines neuen Prozesses, "der sehr wichtig für unsere gemeinsame Verbundenheit in Europa ist". Der Gipfel gebe den Verhandlungen über eine Aufnahme seines Landes in die Gemeinschaft Schwung. Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei werde "ein Gewinn sein".
Anspruch auf Hilfe der EU
Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte die Annäherung an die Türkei: "Wenn man nicht miteinander redet, kann man auch die Kritik bestenfalls über die Medien äußern - aber das führt meistens noch zu keiner Problemlösung", sagte sie. Strategische Partner müssten Kritik untereinander offen aussprechen. Das Treffen in Brüssel, bei dem unter anderem über Pressefreiheit und Menschenrechte gesprochen worden sei, habe dafür auch für die Zukunft eine Möglichkeit eröffnet.
Zum Auftakt des Gipfels hatte Merkel betont, die Türkei habe bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise einen Anspruch auf Hilfe der EU. "Es geht (...) darum, dass die Türkei weit mehr als zwei Millionen Flüchtlinge beherbergt und dafür wenig internationale Unterstützung bekommen hat", sagte Merkel bei ihrer Ankunft in Brüssel. Die Schutzsuchenden dort müssten bessere Lebensbedingungen erhalten, etwa durch ein Recht auf Arbeit, aber auch durch die finanzielle Unterstützung der EU, damit ihre Kinder zur Schule gehen könnten.
Differenzen in der EU über Umgang mit der Türkei
In den Statements einiger Vertreter der EU-Staaten wurden allerdings Differenzen innerhalb der Union deutlich. So sprach sich der belgische Ministerpräsident Charles Michel dagegen aus, Ankara einen "Blanko-Scheck" zu geben, um die zwei Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei zu versorgen. Belgien sei nicht dazu bereit, sich daran zu beteiligen. Was die von Ankara seit Jahren angestrebte EU-Mitgliedschaft angehe, so sei die Türkei davon noch "weit entfernt".
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wies darauf hin, dass die türkische Regierung dem Volk demokratische Rechte und Medienfreiheit gewähren müsse. So waren erst am Donnerstag der Chefredakteur und ein Korrespondent der türkischen Zeitung "Cumhuriyet" festgenommen worden. Auch forderte Mogherini die Wiederaufnahme der Gespräche mit den Kurden, die EU könne dabei helfen.
Pläne für legale Einwanderungsmöglichkeiten
Vor Beginn des EU-Türkei-Gipfels hatte eine kleine Gruppe von Vertretern aus mehreren EU-Ländern gesondert beraten. "Das ist ein Treffen derjenigen Staaten, die bereit sind, Flüchtlinge in großer Zahl aus der Türkei auf legalem Wege nach Europa zu bringen", erklärte EU-Kommissionspräsident Juncker zu den Beratungen, an denen Merkel sowie Staats- und Regierungschefs aus Österreich, Schweden Finnland, Griechenland sowie den Benelux-Ländern teilnahmen.
Es gehe darum, die Last für die Türkei zu reduzieren und "Illegalität durch ein Maximum an Legalität" zu ersetzen, sagte Juncker. Es gehe dabei um legale Einwanderung. Juncker wies darauf hin, dass die Türkei derzeit 2,5 Millionen Flüchtlinge beherberge. Dass davon 400.000 legal in die EU kommen könnten, wollte er jedoch nicht bestätigen. Diese Zahl war zuvor im Gespräch gewesen.
Solche Pläne für legale Einreisemöglichkeiten für Flüchtlinge sollen beim EU-Gipfel im Dezember vorangetrieben werden. "Wir werden jetzt in den nächsten Tagen die Arbeiten beginnen. Die Kommission wird dann zum EU-Rat am 17. Dezember ihre Vorschläge für die Implementierung machen", sagte Merkel. Es dürfe keine Zeit verstreichen.