UN-Hochkommissar für Flüchtlinge Filippo Grandi

Finanzkrise der UN-Flüchtlingshilfe "Fast alle Länder kürzen ihre Beiträge"

Stand: 11.04.2025 22:04 Uhr

Dem UN-Flüchtlingshilfswerk fehlt akut Geld. Das liegt an den USA, aber auch an Deutschland und vielen anderen Staaten. Flüchtlingskommissar Grandi hält diesen Sparkurs für kurzsichtig.

"Terrible" - schrecklich nennt Filippo Grandi, der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, die Auswirkungen der laut des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) "schlimmsten humanitären Finanzierungskrise seit Jahrzehnten". Denn nicht nur in den USA, sondern überall wird bei Hilfsgeldern gespart.

"Fast alle Länder kürzen ihre Beiträge", so Grandi. "Bei den Regierungen haben Ausgaben für Militär und Wirtschaftsförderung Priorität. Natürlich versuchen wir mit weniger Mitteln so effizient wie möglich zu sein. Aber man darf sich keine Illusionen machen. Wir können nicht mehr so viel helfen, wie nötig ist." Betroffen seien zum Beispiel Lebensmittel, Medikamente, Wasser und Notunterkünfte.

Kein Ende der Krise in Afrika

UN-Flüchtlingskommissar Grandi ist für unser Interview aus dem Tschad zugeschaltet. Es ist eines der ärmsten Länder der Welt und ein Hotspot der derzeit schlimmsten Flucht- und Vertreibungskrise weltweit. Seit zwei Jahren eskaliert im Nachbarland Sudan ein brutaler Krieg. Millionen Menschen sind auf der Flucht, allein der Tschad habe schon 800.000 Flüchtlinge aufgenommen, sagt Grandi. Und es kommen immer mehr. Aber jetzt fehlt dem UNHCR das Geld für weitere Notunterkünfte.

"Die Regierung des Tschad hat sehr großzügig Gelände zur Verfügung gestellt, um die Menschen unterzubringen. Aber an der Grenze sind nun 200.000 schutzlos in Gefahr und wir können nichts machen, weil wir keine Mittel haben."

Deutschland soll für USA einspringen

Die USA als der mit Abstand größte Geldgeber haben im vergangenen Jahr das UNHCR mit mehr als zwei Milliarden Dollar unterstützt, Deutschland als zweitgrößter Geldgeber zahlte knapp 333 Millionen Dollar. Nachdem die Trump-Regierung alle Hilfen eingefroren hat, verfolgt Grandi nun besorgt die Entwicklungshilfepolitik der neuen Regierungskoalition in Berlin.

Laut Koalitionsvertrag ist eine "angemessene Absenkung" der deutschen Entwicklungshilfe angekündigt. Er bedauere das, ebenso wie den vorläufigen Aufnahmestopp besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge im Rahmen des UNHCR-Resettlement-Programms , so Grandi. Er appelliert an Deutschland, wenigstens die humanitäre Hilfe nicht aus dem Blick zu verlieren.

Ohne humanitäre Hilfe steigt Migration

"Humanitäre Hilfe ist wichtig für Deutschland, nicht nur aus moralischen, sondern auch aus strategischen Gründen", sagt er. "Deutschland erinnert sich gut an 2015, als die Hilfen für syrische Flüchtlinge im Nahen Osten gekürzt wurden. Das führte damals zu dem großen Exodus vieler Syrer nach Europa und besonders nach Deutschland."      

In den Hilfskürzungen der großen Geberländer zu Zeiten enormer Krisen sieht der UN-Hochkommissar eine Verantwortungskrise: "Eine Verantwortungskrise, weil wir uns um leidende Menschen kümmern müssen - aber es ist auch eine strategische Krise."

Anders gesagt: Es ist im strategischen Interesse Deutschlands und Europas, die Arbeit des UN-Flüchtlingshilfswerks ausreichend zu unterstützen. "Europa ist von einem Krisengürtel umgeben - Ukraine, Nahost, Jemen, Sudan - wenn wir diese Krisen nicht in den Griff bekommen, kommt es zu Fluchtbewegungen. Wir sehen bereits sudanesische Flüchtlinge, die versuchen, über Libyen nach Europa zu kommen."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 12. April 2025 um 07:39 Uhr.