Ein ukrainischer Soldat geht an beschädigten Gebäuden im Zentrum der Frontstadt Pokrowsk in der Region Donezk vorbei

Neuer US-Vorschlag Ukraine-Verhandlungen in der Sackgasse?

Stand: 23.04.2025 18:41 Uhr

Ein neuer US-Vorschlag zur Beendigung des Kriegs gegen die Ukraine, der auch Gebietsabtretungen vorsieht, stößt in Kiew auf Ablehnung. Experten haben wenig Hoffnung, dass er Schwung in die stockenden Verhandlungen bringen könnte.

Nach einem "Friedenspräsidenten" klang Wladimir Putin heute nicht bei der Sitzung der sogenannten Militärisch-Industriellen Kommission in Moskau: "Im vergangenen Jahr haben fast alle Rüstungsunternehmen die staatlichen Verteidigungsaufträge vollständig und termingerecht erfüllt." Die Produktion von Waffen, Kommunikations-, Aufklärungs- und elektronischen Kriegsführungssystemen habe sich mehr als verdoppelt.

Und dann folgten beeindruckend hoch klingende Zahlen neu ausgelieferter Panzer, Drohnen, und Hubschrauber - an genau dem Tag, an dem in London ukrainische und westliche Partner über Waffenruhe und Friedensgespräche redeten. Ohne Spitzendiplomaten, nachdem US-Außenminister Marco Rubio seine Teilnahme kurzfristig abgesagt hatte.

Was wiederum in Moskau sehr gut ankam. Das sei eine kalte Dusche für Kiew und seine Handlanger, die müssten mehr Realismus zeigen, so der russische Außenpolitiker Grigorij Karasin auf Telegram.

Ukraine lehnt Gebietsabtretungen ab

Die offenbar von den USA vorgeschlagene Idee, für einen Frieden solle die Ukraine unter anderem die Krim völkerrechtlich verbindlich an Russland abtreten, konnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht akzeptieren. Denn das wäre in der Ukraine ein glatter Verfassungsbruch.

"Wenn Trump wirklich diesen Vorschlag des Abtretens gemacht hat, statt nur den heutigen Status quo anzuerkennen, dann zeigt das, dass Trump und sein Team den Kontext dieses Krieges überhaupt nicht begreifen", sagte der Chefredakteur der in Russland verbotenen Zeitung Nowaja Gaseta Europe, Kirill Martynow, in einem auf YouTube veröffentlichten Interview. "Denn meiner Ansicht nach wäre diese Anerkennung der Krim für die Ukraine faktisch die Anerkennung, dass es überhaupt keine Ukraine geben sollte."

Was schlagen die USA der Ukraine und Russland vor?
Eine offizielle Stellungnahme der USA zu den Details des von US-Präsident Donald Trump unterbreiteten Angebotes liegt nicht vor. Wie jedoch das US-Nachrichtenportal Axios berichtet, sieht der Vorschlag die faktische Duldung der russischen Kontrolle fast aller seit Kriegsbeginn besetzten Gebiete in der Ukraine vor. Zudem würde ein kleiner Teil des von Russland besetzten Gebiets in Charkiw an die Ukraine zurückgegeben werden. Die USA würden im Gegenzug die seit 2014 gegen Russland verhängten Sanktionen aufheben.

Das Kernkraftwerk Saporischschja würde laut Axios als ukrainisches Territorium betrachtet, jedoch von den USA betrieben werden. Der dort erzeugte Strom würde sowohl an die Ukraine als auch an Russland geliefert.

Der Washington Post zufolge schlagen die USA weiterhin als Teil eines Friedensabkommens vor, die derzeitigen Frontlinien einzufrieren. Die Financial Times berichtete, Russlands Präsident Wladimir Putin habe den USA eine solche Einstellung der Kampfhandlungen an der aktuellen Frontlinie angeboten. Im Gegenzug könnten die USA auf andere wichtige Forderungen Russlands eingehen, darunter die Anerkennung von Moskaus Souveränität über die 2014 annektierte ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Zudem müsse sich die Ukraine von ihrem Ziel der NATO-Mitgliedschaft verabschieden.

Das Einfrieren der Front ist laut Militärexperten des US-Instituts für Kriegsstudien noch kein Garant für einen künftigen Frieden. Russland könne die Pause in den Kampfhandlungen für weitere Aufrüstung und eine spätere Wiederaufnahme der Aggression nutzen, vor allem wenn im Abkommen ein Moratorium auf westliche Waffenhilfe an die Ukraine festgeschrieben sei.

Scheitert die US-Pendeldiplomatie?

Die Verhandlungen stocken derzeit, konstatierte der erfahrene Journalist Alexej Wenediktow, früher Chefredakteur des Hörfunksenders Echo Moskwui: "Was wir heute öffentlich sehen, ist, dass eine gewisse Sackgasse entstanden ist." Der US-Sondergesandte Steve Witkoff komme Ende der Woche nach Moskau, weil die Amerikaner in einer Pendeldiplomatie die Positionen zwischen der Ukraine und Russland koordinieren müssten. "Das gelingt noch nicht. Und es ist schlecht, dass es nicht gelingt", so Wenediktow.

Der Politologe Dmitri Oreschkin sieht den ukrainischen Präsidenten Selenskyj trotz der schwierigen Verhandlungen heute in einer besseren Lage als zu Beginn des Krieges vor mehr als drei Jahren, als überlegene russische Streitkräfte von drei Seiten Richtung Kiew marschierten. "Tatsächlich kann man von diesen konkreten Verhandlungen nichts Besonderes erwarten. Aber der allgemeine Trend scheint mir offensichtlich. Dem Krieg geht langsam die Puste aus", so Oreschkin, der wie Wenediktow in der YouTube-Sendung Shiwoj Gwosd sprach.

Verhaltene Töne aus dem Kreml

Drohen die Verhandlungen um einen Waffenstillstand zu scheitern? Oder deutet die spürbare Nervosität und Vielschichtigkeit im Gegenteil doch auf eine nahe Einigung hin - nicht nur zwischen Russland und den USA, sondern auch mit der Ukraine und Europa? Letzteres wäre wohl zu optimistisch, folgt man dem Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, der heute sagte: "Wir setzten unsere Kontakte mit den Amerikanern fort. Wir haben keine Kontakte zu den Europäern oder Ukrainern."

Präsident Putin bleibe allerdings für derartige Kontakte offen. Das sei der aktuelle Stand der Dinge, so Peskow. Das russische Außenministerium verhängte am Tag der Londoner Gespräche gegen 21 britische Parlamentarier Einreiseverbote. Wegen des antirussischen Kurses Londons, hieß es, und man arbeite an der Erweiterung dieser Liste.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 23. April 2025 um 19:10 Uhr.