
Präsidentenwahl in Polen Eine Abstimmung für oder gegen die Blockade
Polen wählt am Sonntag einen neuen Präsidenten. Die Wahl entscheidet auch darüber, ob die Reformvorhaben der Regierung Tusk umgesetzt werden können oder weiter blockiert werden.
Mit einer Fernsehdebatte beginnt der Endspurt im Wahlkampf um das Präsidentenamt. Im Studio des polnischen Fernsehens treffen am vergangenen Montagabend erstmals alle 13 Kandidatinnen und Kandidaten aufeinander.
Art und Frequenz der gegenseitigen Attacken machen schnell klar, wer die beiden Hauptkonkurrenten sind: Rafał Trzaskowski (53), der pro-europäische, liberal-konservative Bürgermeister von Warschau und Karol Nawrocki (42), der nationalkonservative Leiter des Instituts für Nationales Gedenken (IPN), ehemaliger Boxer und Türsteher.
In aktuellen Umfragen belegen Trzaskowski und Nawrocki die ersten beiden Plätze. Von der benötigten absoluten Mehrheit sind sie jedoch weit entfernt. So werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach am 1. Juni in einer Stichwahl gegeneinander antreten.
Vorausgesetzt, bei der Wahl am Sonntag passieren keine Überraschungen. Eine Zeitlang galt der Kandidat der rechtslibertären Konfederacja, Sławomir Mentzen (38), der vor allem auch die junge Generation via Social Media anspricht, als ernstzunehmender Konkurrent. Inzwischen aber liegt er in den Umfragen mit immer größer werdendem Abstand auf Platz 3.

Auf ihm ruhen die Hoffnungen der Liberalen: Rafał Trzaskowski, bisher Warschaus Bürgermeister, will neuer Präsident Polens werden.
Wahlkampf der "Avatare"
Doch es ist nicht nur der ungewisse Ausgang, warum in diesen Tagen wieder das Wort "Schicksalswahl" fällt. Ein Kommentator der Tageszeitung Rzeczpospolita nannte es auch einen Wahlkampf der "Avatare".
Denn hinter den beiden aussichtsreichsten Kandidaten stehen zwei viel ältere politische Gegner: Donald Tusk, der ehemalige EU-Ratspräsident und seit Herbst 2023 mit der "Bürgerkoalition" erneut amtierende Regierungschef. Und der Vorsitzende der zuvor mit absoluter Mehrheit durchregierenden, nationalpopulistischen PiS, Jaroslaw Kaczynski.
Ganz auf Kaczynskis Linie
So verwundert es kaum, dass Kaczynski bei Wahlkampfauftritten für Nawrocki den liberalen Präsidentschaftskandidaten mit denselben Vorwürfen konfrontiert, wie üblicherweise Premierminister Tusk.
Trzaskowski stehe für "nichts anderes als eine Rückkehr zur alten Politik, verstärkt durch eine noch größere Unterwerfung unter äußere Kräfte, unter diejenigen, die Polen ausbeuten wollen". Gemeint sind damit in erster Linie Deutschland und die EU. Das, so Kaczynski, dürfe nicht zugelassen werden.
Den Gegenkandidaten wählte Kaczynski daher persönlich aus. Karol Nawrocki ist vor seiner Kandidatur für das Präsidentenamt politisch zwar nie in Erscheinung getreten. Als Leiter des von der PiS besonders geförderten Instituts für Nationales Gedenken, schien er jedoch ein geeigneter und loyaler Vertreter der nationalkonservativen Linie.
"Als Präsident des polnischen Staates werde ich niemandes Diener sein und vor allem kein Butler des deutschen Staates", erklärte Nawrocki jüngst und fügte hinzu, dass er auch die Beziehungen zu anderen EU-Ländern auf dem Prinzip aufbauen werde: "Polen zuerst, die Polen zuerst."

Einst Boxer und Türsteher - bald Präsident? Karol Nawrocki wird von der nationalkonservativen PiS unterstützt.
Fast jedes Gesetz durchgewunken
Acht Jahre lang hatte die PiS mit absoluter Mehrheit im Parlament durchregiert und dabei den polnischen Staatsapparat radikal umgebaut. Die auch international umstrittenen Reformen betrafen Medien, Kulturinstitutionen und vor allem die Justiz.
Möglich wurde dieser Umbau, weil der noch amtierende Präsident Andrzej Duda beinahe jedes Gesetz unterschrieb, das die PiS-Regierung ihm vorlegte. Bei der Opposition brachte ihm das den spöttischen Beinamen "Długopis" ein - der Kugelschreiber.
Duda auf Blockadekurs
Trzaskowski dagegen will, sollte er die Wahl gewinnen, die regierende "Bürgerkoalition" dabei unterstützen, ihre Wahlversprechen von 2023 einzulösen. Das bedeutet vor allem, den Staatsumbau durch die PiS weitestgehend wieder zurückzudrehen.
Bisher gelang das nicht. Auch, weil Noch-Präsident Duda die dafür notwendigen Gesetzänderungen nicht unterschrieb. Stattdessen leitete er sie zur Prüfung weiter an das Verfassungsgericht, das seit der Reform vor allem mit PiS-treuen Richtern besetzt ist. Diese Konstellation macht die Regierung Tusk in weiten Teilen handlungsunfähig.
Überlebt das System PiS?
Sollte also nicht Trzaskowski, sondern der von der PiS geförderte Nawrocki die Präsidentschaftswahl für sich entscheiden, könnte er den Kurs seines Vorgängers fortführen und Reformvorhaben der aktuellen Regierung weiter blockieren.
Das System der PiS könnte so überleben, bis die Partei bei den nächsten Parlamentswahlen 2027 die Chance bekäme, wieder an die Macht zu gelangen.
Ein solches Szenario halten Experten, wie der Warschauer Politologe Olgiert Annusewicz, nicht für ausgeschlossen. Denn wenn die Versprechen an die polnischen Wählerinnen und Wähler durch die Bürgerkoalition nicht eingelöst werden können, könnten ihre Unterstützer laut Annusewicz "jegliche Hoffnung verlieren und sich von den Regierenden abwenden".