Maßnahme gegen Goldalgen Chemiekeule soll Fischsterben in Polen stoppen
Industrieabwässer und die Sommerhitze lassen die Goldalge in polnischen Gewässern sprießen. Um ein Fischsterben in der Oder zu verhindern, setzt das Umweltministerium auf eine zweifelhafte Methode.
Menschen in weißen Schutzanzügen bewegen sich am Ufer, ein Schild weist darauf hin, dass Angeln verboten ist. Polnische Medien veröffentlichen Aufnahmen, die große Entsorgungscontainer und eine Zeltstadt der Armee zeigen - und mittendrin die polnische Umweltministerin Paulina Hennig-Kloska.
Als sie am Wochenende in der Nähe des Gleiwitzer Kanals eintrifft, ähnelt die Szene einem Katastrophenfilm. Die Ministerin will sich anschauen, wie der Gegenschlag gegen die Goldalgen gelingen soll - mit Wasserstoffperoxid. "Wir haben den Zufluss des Wassers mit Goldalgen in die Oder gestoppt", erklärt die Ministerin optimistisch.
Goldalge "bis zu 99 Prozent neutralisiert"
Ein Experiment am Fluss Kłodnica habe gezeigt, dass die Chemikalie die Goldalgen zu 95 bis 99 Prozent neutralisiert habe. Die Kłodnica ist ein kleiner Nebenfluss des Gleiwitzer Kanals, der wiederum in die Oder mündet.
Im Kanal sind schon seit dem späten Frühjahr gefährlich hohe Konzentrationen der Goldalge gemessen worden. Jetzt befindet sie sich in der zweiten Blüte und Polen erlebt erneut ein Fischsterben - noch nicht in der Oder, sondern bisher im Kanal und dem daran angeschlossenen Stausee Dzierżno Duże.
Fischsterben in der Oder: Schon 2022 waren bis zu 1000 Tonnen Fische und Muscheln verendet. (Archivbild)
Guter Nährboden für die Goldalge
In diesen Gewässern fühlt sich die Goldalge wohl. "Das Wasser ist durch Industriegewässer verunreinigt und versalzen", sagt Hubert Różyk, der Sprecher des Umweltministeriums. Vor Kurzem seien wieder große Mengen toter Fische gefunden worden. "Die Situation ist inzwischen unter Kontrolle, weil der Algenherd im Dzierżno-Staubecken gehalten wurde", versichert Różyk.
Die Goldalge (wissenschaftlich: Prymnesium parvum), die vor zwei Jahren das große Sterben in der Oder ausgelöst hatte - sie ist weiterhin da und sie bleibt. Die heißen Sommer und die polnische Industrie, vor allem die Bergwerke, leitet weiter salzhaltige Abwässer ein. Allein aus dem Dzierżno-Stausee wurden seit Anfang August gut 100 Tonnen toter Fische geborgen.
Greenpeace kritisiert Abwassereinleitung
Seit Mitte August läuft auf dem Fluss Kłodnica, in den das Wasser aus dem Dzierżno fließt, das Experiment zur Bekämpfung der Goldalge. "Wir nutzen dabei Wasserstoffperoxid in einer Konzentration, die für andere Lebewesen im Fluss neutral ist, die aber die Goldalge neutralisiert", sagt der Sprecher des Umweltministeriums. Die Ergebnisse seien vielversprechend - zumindest im Versuchsrahmen.
Katarzyna Bilewska von Greenpeace Polska ist deutlich weniger euphorisch. "Wasserstoffperoxid in Flüsse und Seen zu leiten ist ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt die Umweltschützerin. Das bringe keine langfristigen Ergebnisse. "Die Katastrophe dauert seit zwei Jahren an. Sie ist nicht beendet, weil sie Folge dessen ist, dass Bergwerke salziges Abwasser in die Zuflüsse der Oder leiten", kritisiert Bilewska.
Fischsterben nur verlagert
Mit Chemie werde man kein ganzes Ökosystem retten können. Auch Umweltministerin Hennig-Kloska sieht Wasserstoffperoxid nicht als langfristige Lösung. Da brauche es eher eine Entsalzungsanlage. Nur wann und wo, ist unklar.
Die Oder wird also vorerst nicht durch Chemie oder Entsalzung geschützt, sondern indem das giftige Wasser im Gleiwitzer Kanal zurückgehalten wird. Die Fische sterben, nur eben an anderer Stelle.