
Erdbebenserie auf griechischer Insel Das Tourismus-Dilemma von Santorini
Bis zu drei Millionen Touristen besuchen jährlich Santorini - eigentlich zu viele, sagen Einheimische. Doch seit Januar machte der Insel eine Erdbebenserie zu schaffen. Nun blickt man sorgenvoll auf die Saison.
Spätestens an Ostern startet die Saison auf Santorini. Die Erde bebt seltener und auch nur noch leicht. Aber die Buchungszahlen sind eingebrochen. In den berühmten weißgetünchten Ortschaften Firá und Oia, dort, wo sonst auch jetzt um diese Jahreszeit schon deutlich mehr los ist, sind nur wenige Gäste unterwegs.
Die Einheimischen sind verunsichert. "Weiß irgendjemand wie es werden wird? Wir leben im Ungewissen …", sagt ein Mann. "Der Tourismus ist wirtschaftlich gut für uns. Alles dreht sich auf Santorini um den Tourismus." Aber: "Für uns ist es eigentlich besser mit weniger Leuten. Im Sommer herrscht hier Panik."
800 Kreuzfahrtschiffe allein vor Santorini
Vergangenes Jahr wurden in Griechenland alle bisherigen Touristenrekorde gebrochen. Fast 36 Millionen Gäste, mehr als dreimal so viel wie Einwohner. Allein auf Santorini legten mehr als 800 Kreuzfahrtschiffe an. Ein Mitglied des Gemeinderats warnte damals sogar die Bürger: Es sei wegen Überfüllung gefährlich da draußen. Und jetzt?
Es droht ein Millionenverlust, wenn die Gäste ausbleiben. Eine Art Eintrittspreis für Kreuzfahrt-Touristen ist erstmal auf Eis. Gleichzeitig räumt der Bürgermeister von Santorini, Nikos Zorzos, ein, dass seine Insel generell unter dem Ansturm leidet. “Es wäre besser gewesen, wenn in den letzten Jahren weniger in den Tourismus investiert worden wäre", sagt er. "Wir wollen jetzt zwar ausgebucht sein. Aber wir wollen nicht noch mehr Betten und touristische Infrastruktur.”
Die Insel ist inzwischen zersiedelt
Der Bürgermeister ist nach Athen gereist. Eine lang geplante Veranstaltung zum Thema Übertourismus bekommt nun auch Werbecharakter. Denn: Santorini trägt mit vier Prozent zur griechischen Wirtschaft bei. Und deshalb betont Olga Kefalogianni, Griechenlands Tourismusministerin, zum wiederholten Mal: "Die Botschaft, die wir senden, ist klar: Auf Santorini herrscht wieder Normalität. Die Insel bleibt ein sicheres und einladendes Reiseziel."
Auf Santorini fragen sich gleichzeitig viele, wie man von dem Ansturm der letzten Jahre wegkommt. Die Insel ist inzwischen völlig zersiedelt, mahnen auch Hoteliers wie Marios Bekiaris. Eigentlich herrscht Baustopp. Aber Gesetzeslücken für neue Unterkünfte werden immer wieder erfolgreich genutzt, und vielerorts wird weitergebaut.
Lässt sich die Zeit zurückdrehen?
"Es hat sich dramatisch verändert. Vor allem nochmal in den letzten zehn Jahren", sagt der Hotelier. "Es hat auch nichts mehr mit der lokalen Architektur zu tun. Die Geschäftswelt ist nur auf den Tourismus ausgerichtet. Aber Santorini ist nicht nur Tourismus."
Eine Alternative könnte sein: Die Zeit zurückdrehen, wieder mehr auf Landwirtschaft zu setzen. So wie Petros Vamvakousis vom Weingut Venetsanos, der auf dem kargen Vulkanboden unter anderem die Rebe Assyrtiko anbaut. Doch weil immer mehr Fläche touristisch genutzt wird, schrumpft das verfügbare Ackerland. “Wird es in Zukunft noch genug Anbaufläche geben?", fragt er. "Das ist eine Entscheidung, die nur der Staat treffen kann."
Die Werbung für Santorini setzt jetzt auf das Authentische. Ein Versuch, die Gäste besser über das Jahr zu verteilen. Und für Neues zu begeistern - statt nur für die gängigen Klischees wie weiß getünchte Häuser im Sonnenuntergang.
