
EuGH-Gutachten Italiens "Albanien-Modell" auf dem Prüfstand
Der Europäische Gerichtshof prüft derzeit, ob Italien Asylpläne rechtens sind. Ein neues Gutachten wirft Zweifel daran auf und bemängelt vor allem die Einstufung von Ländern als "sichere Herkunftsstaaten". Ein Urteil steht noch aus.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verhandelt derzeit über Italiens "Albanien-Modell" und prüft dessen Rechtmäßigkeit. Die italienische Regierung will bestimmte Asylverfahren in albanischen Lagern durchführen, um Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern schneller abschieben zu können. Im Verfahren am EuGH geht es vor allem um die Definition von "sicheren Herkunftsstaaten" und wer diese Länder bestimmen darf.
Wer darf "sichere Herkunftsstaaten" bestimmen?
Der Generalanwalt des EuGH, Richard de la Tour, hat nun in seinem Schlussantrag einen Entscheidungsvorschlag vorgelegt. Er warf dabei Zweifel an der Rechtmäßigkeit des "Albanien-Modells" auf. Zwar dürften EU-Mitgliedstaaten für ihre Asylverfahren sichere Herkunftsländer selbst bestimmen, sagte de la Tour. Die entsprechende Regelung müsse aber offenlegen, auf welchen Quellen diese basiere, damit Gerichte sie überprüfen könnten.
Außerdem könnten Staaten auch dann als sicher eingestuft werden, wenn einzelne Personengruppen dort nicht sicher sind - aber nur unter der Voraussetzung, dass der Herkunftsstaat demokratisch ist und die betroffenen Gruppen schützt. Bei gefährdeten Personengruppen, etwa Homosexuellen, dürften beschleunigte Asylverfahren nicht durchgeführt werden, sagte de la Tour.
Der Vorschlag des Generalanwalts gilt als rechtliche Einschätzung. Der EuGH ist nicht an den Entscheidungsvorschlag gebunden und kann auch anders entscheiden.
Was sieht das "Albanien-Modell" vor?
Italien wollte als erstes EU-Land gewisse Asylverfahren in Albanien und damit außerhalb der Europäischen Union ansiedeln. Das soll so ablaufen: Die Asylanträge von Migranten, die im Mittelmeer aufgegriffen werden, sollen in eigens errichteten Lagern in Albanien geprüft werden. Innerhalb von 28 Tagen sollen die Behörden über die Asylanträge entscheiden, ohne dass die Geflüchteten italienischen und damit EU-Boden betreten.
Die Lager sind nur für erwachsene Männer gedacht, die aus sogenannten sicheren Drittstaaten stammen - nicht für Frauen oder Minderjährige. Wer Anspruch auf Asyl hat, darf nach Italien einreisen, abgelehnte Bewerber sollen in ihre Heimatstaaten abgeschoben werden.
Lager stehen derzeit leer
Um Rückführungen zu beschleunigen, hat die italienische Regierung eigenständig eine Liste sogenannter sicherer Drittstaaten erstellt. Ob sie dazu befugt ist und ob die Liste in dieser Form rechtens ist, ist Kern des Verfahrens am EuGH. Ein Urteil wird im Juni erwartet.
Derzeit stehen die Lager leer. In Italien hat sich daraus ein Streit zwischen der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und der Justiz entwickelt. Die Justiz in Rom stoppte die Pläne der Regierung seit Oktober 2024 schon drei Mal. Daraufhin mussten alle 66 Männer, die zwischenzeitlich in Albanien festgesetzt wurden, nach Italien gebracht werden. Italien ist das einzige Land der Europäischen Union, das solche Lager außerhalb der EU betreibt.
Mit Informationen von Egzona Hyseni, ARD-Rechtsredaktion