Eine Taliban-Sicherheitspatrouille ist auf einem Basar in der Altstadt von Kabul zu sehen.

UN-Bericht zu Moralpolizei Wegen der Bartlänge im Visier der Taliban

Stand: 10.04.2025 15:50 Uhr

Unzulässige Frisuren, zu kurze Bärte, verpasste Gebete: Ein UN-Bericht zeigt, wie schnell auch Männer in Afghanistan ins Visier der Sittenpolizei geraten. Aber vor allem Frauen werden von den Islamisten brutal unterdrückt.

In Afghanistan geraten nicht mehr nur Frauen, sondern auch immer mehr Männer wegen ihres Aussehens ins Visier der sogenannten Moralpolizei: Die Hälfte der willkürlichen Festnahmen wegen neuer Tugendgesetze betreffen das äußere Erscheinungsbild von Männern, wie die UN-Mission UNAMA in einem neuen Bericht dokumentiert.

Im vergangenen August hatte die Taliban weitere Gesetze erlassen, die das Aussehen und Verhalten der Bürgerinnen und Bürger im Land steuern sollen. Immer wieder habe die Moralpolizei seitdem Menschen willkürlich ohne angemessenes Verfahren oder Rechtsschutz festgenommen, heißt es in dem UN-Bericht.

Zu kurze Bärte oder verpasste Gebete

Männer sind vor allem wegen missliebiger Haarschnitte oder kurzer Bartlängen betroffen. Aber auch die Barbiere und Friseure der Schnitte müssen die Moralpolizei fürchten. Weitere Menschen seien wegen verpasster Gebete in den Moscheen des Landes im Fastenmonat Ramadan in Gewahrsam gekommen. Die Teilnahme wurde streng überwacht.

Die UN-Mission erklärte, sowohl Frauen als auch Männer seien negativ betroffen, insbesondere Menschen mit kleinen Geschäften wie privaten Bildungszentren, Frisiersalons, Schneidereien, Hochzeits-Caterer und Restaurants.

Gesetze beschränken viele Bereiche des Alltags

Die Maßnahmen sind Teil eines umfassenden Vorstoßes zur Durchsetzung der Taliban-Interpretation des islamischen Scharia-Rechts. Sie betreffen viele Bereiche des täglichen Lebens, etwa den Nahverkehr, Musik, die Rasur und Feierlichkeiten.

Besondere Aufmerksamkeit erhielt ein von dem Ministerium verordnetes Verbot für Frauen, in der Öffentlichkeit zu sprechen und das Gesicht zu zeigen. Sie müssen ihren gesamten Körper einschließlich des Gesichts verhüllen und dürfen nicht ohne männliche Begleitung reisen.

Laut UNAMA sind inzwischen rund 3.300 männliche "Kontrolleure" in 28 von 34 Provinzen im Einsatz, davon 540 allein in der Hauptstadtprovinz Kabul. Nur wenige Frauen seien im Rahmen des Tugendgesetzes als Kontrolleurinnen beschäftigt.

Wirtschaftliche Verluste durch Arbeitsverbote

Der Bericht verweist auch auf die ökonomischen Folgen: Eine Weltbank-Studie beziffert die wirtschaftlichen Verluste durch Arbeits- und Bildungsverbote für Frauen auf rund 1,4 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 1,27 Milliarden Euro) jährlich. Sowohl Frauen als auch Männer berichteten UNAMA, "dass dieser Ausschluss Familien ihrer Einkommensquellen beraube, die Armut verschärfe und zur Migration zwinge".

Die Taliban wiesen die Bedenken - wie schon bei Einführung der Gesetze - erneut zurück. Ein Sprecher des Tugendministeriums warf UNAMA "bösartige Ziele" vor und sprach im Zusammenhang mit dem Bericht von einer "Verwirrung der Öffentlichkeit", wie der Nachrichtensender Tolonews berichtete.