Verhandlungen in Nahost Bangen um die Geiseln, hoffen auf Trump
In Nahost bahnen sich eine Waffenruhe und ein Geisel-Deal an. Bei den Angehörigen der Entführten ist die Hoffnung groß. Auch weil der künftige US-Präsident Trump zuletzt deutliche Worte fand.
472 Tage - so lange werden die Geiseln in Gaza festgehalten, wenn Donald Trump ins Amt kommt. Vor dem Machtwechsel in den USA ist wieder Bewegung in die Verhandlungen zu ihrer Freilassung gekommen. Sowohl der derzeitige US-Präsident Joe Biden als auch Trump machen Druck auf die Verhandlungspartner in Katar.
Trump hatte in der vergangenen Woche noch einmal gedroht: "Wenn die Geiseln nicht zurück sind, und ich will nicht die Verhandlungen stören, aber wenn sie nicht zurück sind, wenn ich ins Amt komme, wird die Hölle losbrechen im Nahen Osten. Das wird nicht gut sein für die Hamas oder irgendjemanden", so Trump.
Viele Israelis hoffen auf Trump
In ganz Israel ist Trump seitdem mit erhobener Faust auf riesigen Anzeigetafeln zu sehen: Dazu der Spruch: "Alle Geiseln müssen bis zum 20. Januar zurück sein. Ansonsten öffnet sich das Feuer der Hölle." Geschaltet hat die Anzeige ein Zusammenschluss von Geiselfamilien, die Trumps Machtübernahme entgegenfiebern. Das Tikvah-Forum lehnt eine Waffenruhe in Gaza ab. Zu ihnen gehört Talik Gvili. Die Mutter des Polizisten Ran Gvili, der am 7. Oktober von der Hamas entführt wurde.
"Wir hoffen, dass sich Trump an das hält, was er sagt. Ich glaube, mit Hölle meint er, dass die humanitären Hilfslieferungen in Gaza eingestellt werden, dass wir Gaza besetzen und mehr Truppen in den Kampf schicken", so Gvili. "Die Geiseln können nur mit mehr militärischer Gewalt zurückgeholt werden. Die Hamas möchte sie behalten. Ich glaube nicht, dass ein Deal funktioniert. Sobald die Terroristen merken, dass sie Gaza wieder kontrollieren können, werden sie weitermachen", so Gvili.
Hoffen und Bangen wechseln sich ab
Entschieden gegen militärische Gewalt und für eine Verhandlungslösung mit der Hamas sind die Angehörigen des Forums der Familien von Vermissten und Geiseln. Michael Levinson ist der Bruder von Or Levinson, der am 7. Oktober vom Novafestival entführt wurde. "Wenn der gewählte Präsident der Vereinigten Staaten so etwas sagt, meint er es ernst. Er ist ein exzentrischer Mann. Er will, dass der Krieg aufhört. Da unterstütze ich ihn", sagt Levinson.
Der Krieg müsse enden. Für ihn und für die Geiseln sei das die Hölle. "Nicht mal Tiere müssen so leben. Mein Bruder ist fast 1,90 Meter groß. Ich weiß nicht, ob er in den Hamas-Tunneln stehen kann. Mal davon abgesehen, dass sie kaum Essen und Wasser haben, in Käfige gesperrt sind", sagt Levinson. Niemand könne da bei Verstand blieben. Alle Geiseln müssten so schnell wie möglich freikommen.
Jedes Mal, wenn die Geiselverhandlungen Fahrt aufnehmen, wenn Namen oder Hamas-Videos von Entführten veröffentlicht werden, erlebten Levinson und seine Familie eine Achterbahn der Gefühle, sagt er. Am Balkon seiner Wohnung hat er ein Plakat mit dem Bild seines Bruders Or befestigt. Hoffen und Bangen wechseln sich ab, das bestimme sein Leben und das von Ors vierjährigem Sohn Almog, der seit dem 7. Oktober keine Eltern mehr hat, fügt Levinson hinzu.
"Jeder hat das Recht zu seinen Lieben zurückzukehren"
Almog vermisse seine Eltern. Im Kindergarten beobachte er die anderen Kinder, wenn ihre Eltern sie abholen, erzählt Levinson. Und dann müsse er weinen, weil ihn seine Mutter nun nicht mehr abhole. Almogs Mutter wurde von der Hamas getötet. Alle Hoffnungen setzt die Familie nun auf die Rückkehr von Or. Das Video seiner Entführung, blutend auf einem Geländewagen der Hamas auf dem Weg nach Gaza ist das einzige Lebenszeichen.
Nun tauchte Ors Name auf der Liste mit Geiseln auf, die in einer ersten Stufe einer Waffenruhe freigelassen werden könnten. "Erst wollten wir es glauben. Aber jetzt fühlt es sich wie ein psychologisches Spiel an", so Levinson. Er sagt, es solle keine Auswahl geben, welche Geisel alt genug oder verletzt genug sei, um freizukommen. "Jeder hat das Recht zu seinen Lieben zurückzukehren. Es ist verrückt, dass jemand denkt, er könne Gott spielen."
Insgesamt sind noch 98 Menschen in der Gewalt der Hamas. Wie viele davon noch am Leben sind, ist ungewiss.