Inhaftierte Deutsch-Iranerin Stille Diplomatie - der falsche Weg?
Seit genau drei Jahren sitzt die Kölnerin Nahid Taghavi im Iran im Gefängnis. Ihre Tochter kämpft von Deutschland aus für ihre Freilassung und sagt: Die stille Diplomatie der Bundesregierung sei gescheitert.
Mariam Claren spricht ruhig und konzentriert, dennoch merkt man ihr die Erschöpfung an. Seit drei Jahren gibt sie Interviews, spricht mit NGOs, schreibt der Bundesregierung oder telefoniert mit Anwälten im Iran. Alles, um ihre Mutter freizubekommen. Die 69-Jährige Nahid Taghavi sitzt im berüchtigten Evin-Gefängnis, im Norden Teherans.
"Donnerstags und freitags bin ich immer sehr unruhig", erzählt Claren. "Das sind die Tage, an denen die Frauen nicht telefonieren dürfen. Und du wartest ja immer auf diesen einen Anruf, dein ganzes Leben ist um die Telefonate herum gestrickt. Was sagt meine Mutter, geht es ihr schlecht? Musst du mit ihrem Anwalt irgendwas absprechen?"
Taghavi wurde im Oktober 2020 festgenommen, sie besitzt neben der Deutschen auch die iranische Staatsbürgerschaft. Sieben Monate verbrachte sie laut ihrer Tochter in Isolationshaft, mehr als 1000 Stunden, ohne rechtlichen Beistand, soll sie vom Geheimdienst der Revolutionsgarde verhört worden sein.
Sie schlief auf dem Boden, Neonlicht auf sie gerichtet, mitten in der Nacht wurde sie zum Verhör geholt. Menschenrechtler bezeichnen diese Methoden als weiße Folter, das iranische Regime ist dafür berüchtigt. Gefangene sollen so dazu gebracht werden, Geständnisse abzugeben.
"Politisches Faustpfand"
Taghavi, die sich für Menschen- und Frauenrechte stark macht, hat nie irgendetwas von dem gestanden, was ihr das Regime vorwirft. Dennoch wurde sie im August 2021 wegen "Mitgliedschaft in einer illegalen Gruppe" und wegen "Propaganda gegen den Staat" zu ingesamt zehn Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Ihre Tochter war zu dem Zeitpunkt längst zu dem Schluss gekommen: Ihre Mutter ist ein politisches Faustpfand.
"Ich kannte den Begriff Geiseldiplomatie im Oktober 2020, als sie festgenommen wurde, überhaupt nicht", erzählt Claren. "Ich wusste damals nicht, dass der Iran Doppelstaatler oder ausländische Staatsbürger als Faustpfand verwendet. Aber ich bin dann ziemlich schnell mit anderen Familien in Kontakt getreten, die mir von ihrer Leidensgeschichte erzählt haben. Und im Laufe der Zeit konnte ich sehen: Oh, das ist ja wirklich so."
Kurz nach der Inhaftierung ihrer Mutter wird die Australierin Kylie Moore-Gilbert gegen drei Iraner ausgetauscht. Auch zwei britische Staatsbürger kommen frei, als die britische Regierung einwilligt, alte Schulden zu begleichen.
Erst vor wenigen Wochen wurden fünf US-Amerikaner freigelassen. Soweit bekannt alle Doppelstaatler, gegen die Freisetzung eingefrorener Gelder in Höhe von sechs Milliarden Dollar und die Freilassung von in den USA inhaftierten Iranern.
Bei Generalamnestie nicht berücksichtigt
In Taghavis Fall habe es mehrere Hinweise darauf gegeben, dass auch sie als Druckmittel auf Deutschland genutzt wird, erklärt ihre Tochter. Zuletzt im Februar diesen Jahres, als es zu einer Generalamnestie kam, die bestimmte Kriterien beinhaltete: "Dazu zählte zum Beispiel: Man darf keine Spionage-Urteile gehabt haben und man muss über 60 sein."
All das traf auf ihre Mutter zu. Doch die Justiz habe der Familie ganz offen gesagt, Taghavi sei außen vor, wegen ihrer deutschen Staatsbürgerschaft. Ein zynischer Umstand, sagt Claren: "Denn auf der anderen Seite sagt das Regime ja immer, für uns sind Doppelstaatler nur Iraner, deswegen bekommen sie ja auch keinen konsularischen Beistand."
Die Bundesregierung hält sich bedeckt
Den erhält auch ihre Mutter nicht. Seit ihrer Inhaftierung ist Claren mit dem Auswärtigen Amt in Kontakt. Man riet ihr damals, den Fall nicht öffentlich zu machen, eine bekannte Linie in Berlin. Die Bundesregierung sprach bis heute nie öffentlich über das Schicksal der Deutsch-Iranerin.
Für Claren völlig unverständlich. "Frankreich betitelt sogar öffentlich seine Staatsangehörigen, die im Iran inhaftiert sind, als politische Geiseln, das tun auch die USA. Das ist bei uns in keinster Weise gegeben. Ich habe den Namen meiner Mutter noch nie öffentlich aus dem Mund eines deutschen Regierungsmitglieds gehört."
Nahid Taghavi drohen noch viele Jahre Haft im Iran - ihre Familie fordert mehr von der Bundesregierung Einsatz für die Deutsch-Iranerin.
Unterstützung von der Zellennachbarin
Die Tochter hielt sich nicht an den Rat aus Berlin, sie hatte aus vielen anderen Fällen den Schluss gezogen, dass Öffentlichkeit der einzige Weg ist, ihre Mutter zu schützen. "Sei es die medizinische Versorgung oder bessere Haftbedingungen. Und zum anderen bin ich der Überzeugung - und das ist traurig -, dass es diese Öffentlichkeit braucht, damit sich Berlin unter Druck sieht, etwas zu unternehmen. Denn ich kann nach drei Jahren sagen: Die stille Diplomatie hat versagt."
Nicht nur Claren hat die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert. Auch die frischgebackene iranische Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi tat dies in einem öffentlichen Brief und verwies auf den sehr schlechten Gesundheitszustand Taghavis. Sie weiß das so genau, da sich die beiden Frauen eine Zelle teilen.
Mental sei ihre Mutter stark, sagt Claren, körperlich sei ihr Zustand besorgniserregend: "Sie hat sehr starke Rückenschmerzen, nimmt viele Schmerztabletten. Auch immer wieder Kortison-Spritzen. Sie hat Schlafstörungen, also körperlich ist sie jetzt nach drei Jahren an einem sehr schlimmen Punkt angelangt."
Wenig Hoffnung auf baldiges Haftende
Mit Sorge verfolgt Claren auch die aktuellen Entwicklungen zwischen Israel und der Hamas, die maßgeblich von der iranischen Revolutionsgarde unterstützt wird, die mächtigste militärische Kraft im Iran, die auch ihre Mutter festnahm.
Viele Iranerinnen und Iraner, sowohl im Land als auch in der Diaspora, fordern seit langem, dass die EU die Revolutionsgarde auf ihrer Terrorliste setzt. Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilte das iranische Regime vor wenigen Tag scharf für die Unterstützung der Hamas.
Doch ob sich nun etwas an der Iran-Politik Deutschlands ändern wird, daran hat nicht Claren ihre Zweifel. Drei Jahre vergeblicher Kampf um die Freilassung ihrer Mutter haben sie nachdenklich werden lassen.
"Manchmal fragt mich Mama am Telefon: 'Und, wann komm' ich frei?' Und ich antworte dann immer: 'Bald.'" Im Wissen, dass sich das alles noch lange hinziehen kann. "Und das ist natürlich frustrierend, weil man sich irgendwann fragt: Ist man so wenig wert als deutsche Staatsbürgerin?"