Waldbrände in Kanada
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Waldbrände Warum brennt Kanada so heftig?

Stand: 28.08.2023 11:30 Uhr

Die Waldbrände in Kanada sind die verheerendsten in der Geschichte des Landes. Welche Rolle spielt der Klimawandel, welche die Forstwirtschaft? Und wie lassen sich solche Mega-Feuer künftig verhindern?

Für die derzeitigen Feuer in Kanada muss man einen Superlativ bemühen: Noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen wurde mehr Landesfläche verbrannt. Bereits seit Monaten kämpfen die Behörden in mehreren Teilen des Landes gegen Tausende verheerende Brände. Zehntausende Menschen in mehreren betroffenen Gebieten mussten ihre Häuser verlassen, die danach oft verbannten.

Insgesamt brannte es nach offiziellen Angaben bislang auf mehr als 15 Millionen Hektar - das entspricht fast der Hälfte der gesamten Landesfläche Deutschlands. Und das ist schon jetzt mehr als doppelt so viel wie im bisher schlimmsten Jahr 1995, als etwas mehr als sieben Millionen Hektar verbrannten.

"Neue Qualität" der Brände

Alexander Held, Forstwissenschaftler und Brandexperte am European Forest Institute, sieht in den aktuellen Bränden eine "neue Qualität". Zwar sei die Zahl der Brände nicht nennenswert gestiegen, aber diese seien öfter jenseits der Kontrollschwelle. "Das bedeutet, dass es vom Boden bis in die Baumkronen brennt. Diese Feuer entwickeln so viel Energie, dass das Löschen im Prinzip unmöglich wird, weil man wegen der enormen Hitze gar nicht nah genug rankommt. Und das, was man an Wasser zum Beispiel mit Löschflugzeugen dahin bringen kann, hat dann kaum einen Effekt."

Waldbrände gibt es jedes Jahr in Kanada, sie gehören zum Ökosystem dazu - aber warum geraten sie aktuell so außer Kontrolle? Für Held gibt es einen "gefährlichen Cocktail an Ursachen". Ein großes Problem sei eine verfehlte Forstwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten. "Wir haben dem Feuer den Tisch gedeckt. Durch große Monokulturen, kaum Durchmischung in den Wäldern und zu wenig Prävention hat sich ein enormes Potenzial für solche Großbrände angehäuft."

Klimawandel verschärft Probleme

Der zweite wichtige Faktor sei der Klimawandel, der die bestehenden Probleme durch lange Trockenheit und höhere Temperaturen weiter verschärfe. Die Art der Waldnutzung sei schon früher mit Risiken behaftet gewesen., sagt Held, doch bisher seien diese hausgemachten Probleme noch durch intensive Brandbekämpfung beherrschbar gewesen. "Doch das, was wir im Moment sehen, hat eine neue Dimension erreicht: Das System Wald ist aus der Balance geraten. Und das kann man ganz klar dem Klimawandel zuschreiben. Durch ihn gerät das jetzt außer Kontrolle."

Die Umweltschutzorganisation WWF warnt deshalb vor immer stärkeren Brandkatastrophen. "Die fortschreitende Klimakrise hat uns in das Zeitalter der Megafeuer gebracht: Wo es schon immer Waldbrände gab, wie in Griechenland und Kanada, werden sie zu tödlichen Infernos", sagte WWF-Waldreferent Johannes Zahnen.

Auch Christoph Hartebrodt von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Baden-Württemberg sieht im Klimawandel einen wichtigen Treiber für Großbrände. "Die Brandeigenschaft eines Waldes wird wesentlich vom Feuchtegehalt mitbestimmt, daher erhöhen lange, trockene Perioden die Brandgefahr. Und die Wahrscheinlichkeit, dass es längere Phasen mit großer Trockenheit und Hitze gibt, die nimmt durch den Klimawandel einfach zu."

CO2 und Feinstaub freigesetzt

Das Paradoxe dabei: Die Brände setzen enorme Mengen an CO2 frei - was wiederum den Klimawandel verstärkt. Nach Berechnungen des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus wurden bislang rund 290 Megatonnen CO2 freigesetzt. "Normalerweise nehmen Wälder CO2 aus der Atmosphäre auf, sind also eine Kohlenstoffsenke. Doch ein Waldbrand kehrt das um und macht aus einer potenziellen Senke eine garantierte CO2-Quelle", so Hartebrodt.

Doch nicht nur CO2 wird freigesetzt, auch andere Stoffe wie Feinstaub gelangen in die Atmosphäre - und bringen Gesundheitsgefahren für die Menschen mit sich. Montreal war im Juni die Großstadt mit der schlechtesten Luft weltweit. Auch die Bilder von New York, eingehüllt in dichten gelben Rauch, gingen Anfang Juni um die Welt. Der Rauch aus Kanada zieht sogar bis nach Europa, wenngleich er hier in höheren Schichten der Atmosphäre bleibt und daher keine Belastung für Menschen ist.

Ähnliche Probleme in Deutschland

Kann es auch in Deutschland solche Großfeuer geben? Die Experten sagen, hierzulande und in Europa sei die Gefahr solch riesiger und langer Feuerperioden wie in Kanada deutlich geringer. Natürlich gebe es auch hier gefährliche Waldbrände, aber die dichte Besiedlung und damit verbunden die hohe Dichte an Feuerwehren mache solch riesige Feuer wie in Kanada nahezu unmöglich, erklärt Hartebrodt.

Dennoch sind die Wälder auch hier gefährdet: "In Südeuropa laugt intensiver Tourismus die Landschaft aus, in Deutschland haben wir eine lange Trockenperiode. Hierzulande äußert sich das allerdings eher in Form des Borkenkäfer-Befalls", sagt Held. Die Probleme und Ursachen seien allerdings die gleichen.

"Mit dem Feuer arbeiten statt dagegen"

Wie kann also eine Lösung aussehen für künftige trockene Jahre? Ein zentraler Schritt, darin sind sich beide Experten sicher, ist die Umstrukturierung des Waldes: mehr Mischwald, konkret mehr Laubbäume. "Denn die Brandgefahr in reinen Nadelholzwäldern ist deutlich größer, das brennt einfach leichter an und dann heißer weiter. Insofern ist die weitere Anreicherung mit Laubholz sicherlich ein ganz wichtiger Teil", sagt Hartebrodt. Auch ein gezieltes Management der Wälder, also das Entfernen dünner und leicht brennbarer Äste vom Waldboden, könne helfen.

Feuerexperte Held hält noch einen anderen Ansatz für entscheidend: Das gezielte Abbrennen gefährdeter Waldflächen im Frühjahr. "Wir müssen lernen, mit dem Feuer zu arbeiten anstatt dagegen." So würden kleine Äste und Laub als Brandtreiber im Sommer entzogen. Mit den kleinen Feuern ließe die Landschaft quasi "gegen Großbrände impfen", so der Forstwissenschaftler. Denn im Frühjahr würden kleinere Feuer wegen der Nachtfeuchte wieder erloschen oder könnten mit nur wenig Aufwand gelöscht werden.

"Wir wissen aus der Forschung und aus der Praxis, dass das funktioniert", sagt Held. So hätten etwa Australien oder Portugal nach den verheerenden Bränden 2019 beziehungsweise 2017 diese Präventionsmaßnahme etabliert - bislang mit Erfolg. In vielen Ländern - darunter auch Deutschland - fehle es aber an Mut: Gegen geplante Feuer gebe es immer viele Beschwerden, beispielsweise von Tourismusverbänden. Doch Prävention sei das beste Mittel, um Großbrände, egal ob in Rhodos oder in Kanada, verhindern zu können: "Wir sollten selbst entscheiden, wann das Feuer kommt - anstatt im Hochsommer nur noch reagieren zu können."

Charlotte Voß, tagesschau, 28.08.2023 18:04 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. August 2023 um 15:06 Uhr.