"Polarstern" auf Expedition In diesem Sommer hatte die Arktis Glück
Seit Wochen sind Forschende auf dem Eisbrecher "Polarstern" in der Arktis unterwegs. Bald kommt das Team zurück und schon jetzt berichtet es von den Folgen eines ungewöhnlichen Wetterphänomens
Es war ein Sommer der Rekorde: Die Weltwetterorganisation und der europäische Klimawandeldienst Copernicus meldeten den weltweit heißesten jemals gemessenen Juli und auch der Atlantische Ozean erwärmte sich nach Daten der Universität Maine dieses Jahr so stark wie nie seit Beginn der Satellitenmessungen.
In diesem Sommer der Rekorde hat sich das Forschungsschiff "Polarstern" auf den Weg an den Nordpol gemacht. Anfang August ging es los. Rund 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sammeln unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) für Meeres- und Polarforschung Erkenntnisse, wie sich der Klimawandel auf die Arktis auswirkt.
Der Forschungseisbrecher "Polarstern" ist seit Wochen in der Arktis unterwegs. An Bord sind rund 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Leitung der Expedition hat das Alfred-Wegener-Instituts (AWI) für Meeres- und Polarforschung.
Arktis ist verschont geblieben
Angesichts des Extremsommers drängte sich vorab die Frage auf: Wird auch in der Arktis dieses Jahr ein neuer Negativrekord beim abschmelzenden Eis verzeichnet?
Davon ist die Arktis dieses Mal verschont geblieben. Die Direktorin des AWI und Fahrtleiterin der Expedition, Antje Boetius, berichtet im Gespräch mit der Tagesschau, dass ein besonderes Wetterphänomen eine Rekordschmelze des arktischen Meereises in diesem Sommer verhindert hat.
Eine Folge von Tiefdruckgebieten hat Boetius zufolge zu einer gänzlich anderen Eisbewegung geführt. Die sogenannte Transpolardrift, die das Treiben des Eises entlang bestimmter Routen beschreibt, sei dieses Jahr anders verlaufen. Eis aus der sibirischen Region sei zusammengehalten und komprimiert worden statt hinauszutreiben und abzuschmelzen. Für die AWI-Direktorin zeigt das: Wetterphänomene bestimmen die Entwicklung des Meereises, eine Vorhersage sei schwieriger denn je.
Die Arktis mit ihrem Meereis und Leben hätte noch einmal Glück gehabt, sagt die Biologin. Es kann aber auch anders laufen. "Wenn wir Pech haben, wenn die Wetterphänomene ungünstig spielen, können wir viel früher als erwartet auch von großen eisfreien Teilen betroffen sein", ergänzt Boetius.
Arktis in wenigen Jahrzehnten im Sommer eisfrei
Seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen 1979 sind in der Arktis riesige Flächen Eis verschwunden. Der Rückgang verlangsamt sich Studien zufolge zwar seit 2007, doch Klimamodelle gehen davon aus, dass die Arktis in wenigen Jahrzehnten im Sommer ganz eisfrei sein wird.
Wie es um das arktische Eis steht, haben die Forschenden der Polarstern an insgesamt neun Stationen untersucht. Sie haben es mit an Helikoptern angebrachten Kameras gefilmt und vermessen. Von unten haben sie es zudem mit Tauchrobotern untersucht.
Leben in der Tiefsee
Doch anders als bei der großen Mosaic-Expedition 2019 stand dieses Mal auch das Leben in der Tiefsee im Fokus. So konnten in einigen Gebieten in vier Kilometern Tiefe durchsichtige Tiefseegurken fotografiert werden. Bei einer anderen Station wiederum waren im Schlamm am Meeresboden nur noch Spuren von Leben zu sehen.
Außerdem wurde ein bisher unkartierter Seeberg in 1500 Metern Tiefe entdeckt, dessen Umgebung sich durch eine große Artenvielfalt auszeichnete. Ein trauriger Fund: In über vier Kilometern Tiefe lag eine Plastiktüte. Sie hatte sich in zwei Seeanemonen verharkt, berichtete Biologin Boetius in ihrer Kolumne bei "Bremen Zwei".
"Polarstern" ist Anfang Oktober wieder in Bremerhaven
Was die Forschenden erleben, lässt sich dank verbesserter Satellitentechnik aus der Ferne mitverfolgen. So hat das AWI einen Tauchgang eines Unterwasserroboters live im Internet gestreamt.
Wenn das Team am 1. Oktober in Bremerhaven eintrifft, bringt es zahlreiche Proben mit. Die auszuwerten, wird Jahre dauern. Viele Ergebnisse sollen aber auch schnell vorliegen, versichert Boetius.
Das Wissen über die Erde und das Leben, sagt sie, ist durch den Klimawandel von großen Schwankungen betroffen. Deshalb müsse die Wissenschaft weiter in die Arktis fahren. "Wir müssen hinschauen", sagt sie. Denn trotz aller Sorge besteht für die Forscherin weiter Hoffnung, dass der Mensch die Entwicklung in der Hand hat.