UN-Klimakonferenz in Dubai "1,5 Grad vielleicht schon zu wenig ambitioniert"
Klimaforscher Pörtner hält die Diskussionen auf der COP28 für festgefahren. Bei einigen Staaten dominierten die wirtschaftlichen Interessen. Dabei seien inzwischen selbst mit dem 1,5-Grad-Ziel massive Folgen zu erwarten.
tagesschau.de: Was ist Ihr erster Eindruck von der COP?
Hans-Otto Pörtner: Der erste Eindruck ist kein überraschender. Wir haben eine Situation, in der sich nach den ersten Erfolgen - der Einrichtung des Fonds für Verluste und Schäden - jetzt die Diskussionen festgefahren haben. Mein Eindruck ist, dass es an allen Fronten einen gewissen Stillstand gibt. Die Verhandler werden Mühe haben, das wieder freizuschaufeln, den Weg freizumachen für die nächsten Schritte.
Das betrifft die Diskussionen zum Global Stocktake, das heißt zur Bestandsaufnahme der bisherigen Maßnahmen, und das betrifft die Diskussion zur Anpassung - dort hat man bisher versucht, ein globales Anpassungsziel festzulegen. Natürlich steht die Diskussion zu den fossilen Energieträgern im Vordergrund. Es hat in den Medien bereits skeptische Stimmen über den Präsidenten der COP gegeben, der ja gleichzeitig Präsident der Ölgesellschaft hier in Dubai ist. Da gibt es Interessenskonflikte - ganz klar. Die wird man auch nicht wegdiskutieren können, es liegt im Interesse der Ölindustrie, weiterhin Öl zu fördern und die Welt mit fossilen Energien zu versorgen.
Die Frage ist, wie viel Prozent der bisherigen Förderung fossiler Energieträger wird die Welt künftig brauchen? Und in dieser Diskussion tritt das eigentliche Thema - nämliche die Frage: "Schaffen wir es, 1,5 Grad Erwärmung zu halten?“ - leider in den Hintergrund. Politisch ist diese Obergrenze der Erwärmung gewünscht und wird auch nach wie vor betont. Wie gesagt, in der Diskussion über fossile Energieträger tritt diese Frage etwas in den Hintergrund und das ist bedenklich.
Absichtserklärungen der Regierungen reichen nicht aus
tagesschau.de: Wie weit sind wir von diesem 1,5-Grad-Ziel denn entfernt?
Pörtner: Etwas genauer hat das Pariser Klimaübereinkommen zum Ziel, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad begrenzen. Unser IPCC-Sonderbericht aus 2018 hat dann zu dem 1,5 Grad-Ziel sehr deutlich nachgelegt, was die wissenschaftlichen Befunde angeht. Darin steht, dass 1,5 Grad wirklich die richtige Obergrenze für die globale Erwärmung sind. Dies galt zumindest in 2018. Heute müssen wir sagen, dass auch 1,5 vielleicht schon zu wenig ambitioniert sind.
Denn mit den jetzigen Absichtserklärungen der Regierungen, die sie hier zur Klimakonferenz eingereicht haben, kommen wir eher auf 2,7 bis 3,1 Grad - das reicht natürlich nicht aus. Was überhaupt nicht passt, ist, dass einige Länder meinen, dass sie die Förderung fossiler Energieträger noch hochschrauben können, um den Durst der Welt danach zu stillen. Und das bedeutet natürlich Emissionen. Es gibt einfach keine Methoden, mit denen es gelingt, die Nutzung der fossilen Energieträger komplett von den Emissionen zu trennen, das würde bedeuten, das CO2 abzuscheiden und wegzuspeichern. Diese Methoden sind in der notwendigen Kapazität nicht verfügbar.
Extremwetter können häufiger vorkommen
tagesschau.de: Sie haben gesagt, diese 1,5 Grad sind vielleicht zu wenig ambitioniert, was heißt das?
Pörtner: Die Festlegung auf 1,5 kommt eigentlich aus der Betrachtung unserer Arbeitsgruppe zu den Klimaschäden, die bei einer durchschnittlichen globalen Erwärmung von 1,5 Grad zu erwarten sind. Das hat mit dem Meeresspiegelanstieg zu tun, mit den Befürchtungen der kleinen Inselstaaten, dass sie dabei untergehen - eine sehr berechtigte Befürchtung.
Es hat auch mit Schäden in Ökosystemen zu tun, mit Schäden durch Extremereignisse - wie im Ahrtal. Man kann sich vorstellen, wenn der Klimawandel weiterläuft, dass solche Schäden auch mit ihren finanziellen Konsequenzen häufiger auftreten. Und man kann sich vorstellen, was das für die Volkswirtschaften letztendlich bedeutet.
Heute sehen wir, dass mit der jetzigen Erwärmung die Destabilisierung der Eisschilde in den Polargebieten so voranschreiten wird, dass wir es nicht mehr schaffen werden, den Meeresspiegelanstieg bei unter einem Meter zu begrenzen. Die Diskussion geht momentan eher darum, ob nicht mehrere Meter zu erwarten sind aufgrund der Destabilisierung der Westantarktis und auch des grönländischen Eisschildes. Wenn wir das vergleichen mit dem Klima der letzten Warmzeit vor 125.000 Jahren: Damals hatte die Erde einen sieben Meter höheren Meeresspiegel, als wir das heute sehen. Diese Dimensionen sind wieder in der Diskussion. Das ist etwas, was bedrückend ist, was aber eigentlich auch den Ehrgeiz in den Klimaverhandlungen steigern sollte.
Das ist aber leider nicht der Fall. Die Interessenkonflikte sind zu groß. Also, ich würde sagen, es fehlt der Welt im Prinzip das Gefühl, wir sitzen alle gemeinsam in einem Boot, müssen den Klimawandel ausbremsen und jeder muss das Seine dazu beitragen.
Klimawandel und wirtschaftliche Interessen
tagesschau.de: Fehlt vielleicht auch noch immer die Erkenntnis, wie es wirklich um unseren Planeten steht?
Pörtner: Das ist hier und da sicherlich der Fall. Je mehr man auf die konservative Seite des Parteienspektrums guckt, desto geringer ist wohl die Bereitschaft, sich auf diese Zukunftsperspektiven einzustellen oder sie zu akzeptieren. Ich würde aber davon ausgehen, dass die Verhandler hier im Prinzip wissen, worum es geht. Für einige Staaten sind die wirtschaftlichen Interessen aber so dominant, dass sie sich nicht darüber hinwegsetzen können. Vielleicht ist aber auch das Risikobewusstsein, was letztendlich der Klimawandel mit sich bringt, gar nicht so ausgeprägt, wie es sein müsste.
Artenvielfalt und Klima zusammen schützen
tagesschau.de: Vielleicht müssen wir auch irgendwann einmal anfangen zu erzählen, was wir gewinnen, wenn wir unser Klima retten - saubere Luft, der Meeresspiegel wird nicht zu sehr ansteigen, mehr Gesundheit?
Pörtner: Das ist sicherlich sinnvoll. Wir wissen ja, wenn wir den Klimawandel rechtzeitig bremsen und uns gleichzeitig für eine gesunde Natur einsetzen, dann können wir Artenvielfalt und Klima zusammen schützen. Und genau das sollten wir letztendlich auch tun. Und auf der COP wird auch eine engere Verbindung zwischen Klima und menschlicher Gesundheit gesehen. Der Gesundheitsschutz würde massiv davon profitieren, wenn wir Klimaschutz betreiben. Viele Klimaschutzmaßnahmen sind förderlich für Gesundheit.
Wenn wir zum Beispiel mehr auf die Nutzung unserer Pkw verzichten würden, dann würden wir bei der derzeitigen Motorisierung auch etwas für die Luftqualität tun; wir könnten zudem körperlich aktiver sein. Wir können uns bei erfolgreichem Klimaschutz auch besser an Hitzeextreme anpassen, die wir ja mit dem jetzigen Klimawandel schon bekommen. Die Anpassungsmaßnahmen im Gesundheitssystem würden besser greifen und die ältere Bevölkerung besser geschützt sein vor diesen Extremen.
"Es muss eben schnell gehen"
tagesschau.de: Was also müsste aus Ihrer Sicht jetzt bei der Klimakonferenz passieren, damit es ein Ergebnis geben kann?
Pörtner: Prioritär müssten sich alle Länder darauf einigen, dass die Reduktion der Emissionen im Einklang mit den 1,5-Grad-Szenarien erfolgen soll. Und wenn ich sage, im Einklang mit den 1,5-Szenarien, dann meine ich die ambitioniertesten, die keine Hilfsannahmen machen. Hilfsannahmen - also Technologien, die CO2 aus der Luft holen, oder binden und speichern. Das sind alles Technologien, die im Ansatz vorhanden sind, sie werden hier und da auch in einer Nische helfen, die restlichen Emissionen zu drücken. Aber wir müssen mit der Nutzung der fossilen Energieträger runter, und das ist letztendlich das, was am vielversprechendsten ist für einen erfolgreichen Klimaschutz. Und es muss eben schnell gehen.
Das Gespräch führte Anja Martini, Wissenschaftsredakteurin tagesschau. Es wurde für die schriftliche Fassung gekürzt und redigiert.