Zum 100. Todestag Kafkas Kafka im Comic - angemessen oder anmaßend?
Ob "Wie ein Hund", "Kafka für Boshafte" oder schlicht "Kafka": Zum 100. Todestag erscheinen Comics, die sich mit Leben und Werk des Prager Schriftstellers beschäftigen. Was wohl Kafka davon gehalten hätte?
Bilder im Kopf, statt auf Papier. Das war wohl Kafkas Absicht, als er am 25. Oktober 1915 seinem Verleger Kurt Wolff schrieb, dass eine seiner berühmtesten Figuren aus seinem Roman "Die Verwandlung" - der Käfer nämlich - bitte nicht gezeichnet werden solle. "Das nicht, bitte das nicht!", schrieb er. "Das Insekt selbst kann nicht gezeichnet werden." Das Insekt, in das sich Hauptfigur Gregor Samsa verwandelt.
Grundsätzlich hatte Kafka keine Abneigung gegenüber Illustrationen, nur den Käfer wollte er eben nicht gezeichnet sehen. Stattdessen schlug er vor, man solle Eltern und Schwester nehmen. Denn der Illustration selbst war er durchaus aufgeschlossen, wie Kafka-Kenner und Biograf Reiner Stach feststellt: "Vor Graphic Novels, die ihn selbst zeigen, wäre Kafka sicherlich zurückgeschreckt, denn er war ein sehr diskreter Mensch. Außerdem hielt er sich nicht für bedeutend genug, um in dieser Weise popularisiert zu werden. Ich bin mir aber sicher, dass ihm der Comic als Form sehr gefallen hätte. Das belegen vor allem seine eigenen Zeichnungen, die er in jungen Jahren anfertigte und die eine verblüffende Nähe zum Comic und auch zur Karikatur zeigen."
Unterschiedliche Ansätze
Kafkas Texte lieferten starke, eindringliche Bilder - da sei die Versuchung groß, diese auch zeichnerisch umzusetzen, so der Biograf. So überrascht es nicht, dass zum 100. Todestag einige Comics zu Kafka erscheinen. Und, dass deren Herangehensweise so heterogen ist wie Kafkas Texte selbst.
Schwarz-weiß, schemenhaft und geheimnisvoll etwa ist die Graphic Novel des kroatischen Zeichners Danijel Zezelj. Der international bekannte Künstler hat schon einige Comics veröffentlicht und ist auch als Zeichner für Superhelden bekannt. In seiner Adaption "Wie ein Hund" vermengt er eine Kurzgeschichte Kafkas mit Fragmenten anderer Texte.
Der Hungerkünstler dient als Rahmenhandlung, es finden sich aber auch Ausschnitte aus Tagebucheinträgen oder auch eine Passage aus "Der Prozess" - die dem Comic den Titel gibt. Wie ein Hund ist im letzten Absatz des Romans zu lesen. Der Comic selbst springt von einer Handlung zur nächsten, montiert die Bilder aneinander, ohne den Zusammenhang zu erklären. Lässt manchen Leser womöglich verwirrt zurück - geradezu kafkaesk.
Cover des Buches "Wie ein Hund" von Danijel Zezelj.
Leben und Werk als Thema
Einen anderen Ansatz verfolgt das Autorenpaar David Zane Mairowitz und Robert Crumb. Ihr lange Zeit vergriffenes Buch von 1993 wurde jetzt neu aufgelegt. Das schlicht "Kafka" betitelte Werk ist eine Mischung aus seinem Leben und seinen Texten. Sein religiöser Hintergrund, sein Prager Wohnort, die Beziehung zu seinem Vater und zu den Frauen - all das greifen Mairowitz und Crumb auf. Gezeichnet im Crumb-typischen Underground-Stil, mit starken Mimiken und harten Schraffuren. Zeichner Crumb hat einmal gesagt: "Kafkas Themen wie der Selbsthass, seine Beziehung zu den Frauen, die Schuldfrage - sind auch meine. Er ist mein Bruder im Geiste." Das wiederveröffentlichte Buch bezeichnet der Verlag als Sachbuch. Sozusagen eine Kurzeinführung in Leben und Werk des Prager Schriftstellers.
Schon vor zwei Jahren hat der Frankfurter Zeichner Moritz von Wolzogen eine Zeitungsreportage adaptiert. Die "Aeroplane in Brescia", ein Text, den Franz Kafka über eine Flugschau in Italien verfasst hat. Der Kafka-Fan Wolzogen hatte beim Lesen des Textes sofort eigene Bilder im Kopf. Und er wollte auch den eher unbekannten Autor zeigen: als jugendlichen Urlauber mit einer Vorliebe fürs Schwimmen und moderne Technik. "Wenn man diesen Text liest, entstehen in meinem Kopf ganz andere Bilder. Bilder, die nichts mit dem zu tun haben, was man so beigebracht bekommt." Um keinen falschen Eindruck zu erzeugen, ließ Wolzogen sich von Reiner Stach beraten.
Minimalismus als Kunst
Eine ganz andere Herangehensweise als der Frankfurter Wolzogen wählt der Wiener Zeichner Nicolas Mahler. Er hat gleich zwei Bücher zu Kafka veröffentlicht: Kafka für Boshafte und Komplett Kafka. In stark reduziertem Strich illustriert er im einen Buch kurze Textpassagen. Im anderen bebildert er in Kurzform Leben und ausgewählte Werke des Schriftstellers. "Ich finde diese Arbeiten verblüffend", meint Kafka-Biograf Stach. "Er treibt den Minimalismus auf die Spitze: drei, vier Striche und die Figur ist wiedererkennbar auf dem Blatt. Das setzt einen äußerst genauen Blick für das Charakteristische einer Figur oder einer Situation voraus - einen Blick, den übrigens auch Kafka selbst hatte."