Studie zu Corona-Ursprung Was die DNA-Funde in Wuhan beweisen
Genetische Untersuchungen vom Wildtiermarkt in Wuhan zeigen eine enge Vermischung der DNA von Marderhunden und dem Coronavirus. Wieso wurden die Daten erst jetzt bekannt? Und ist damit der tierische Ursprung der Pandemie bewiesen?
Was wurde entdeckt?
Virologen sind auf bislang unbekannte genetische Analysen vom Wildtiermarkt in Wuhan gestoßen. Diese stammen von Anfang 2020, also dem Beginn der Pandemie. Die genetischen Sequenzen seien aus Abstrichen gewonnen worden, die an und in der Nähe von Marktständen genommen wurden.
Sie seien von Forschern des chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle und -prävention (CCDC) in die frei zugängliche Genomdatenbank GISAID eingestellt und dort Anfang März von Wissenschaftlern um die Französin Florence Débarre - quasi zufällig - entdeckt und analysiert worden. So schreiben es die Forscher in einer Preprint-Studie, die am Montag veröffentlicht wurde.
Was leiten die Experten aus den Daten ab?
Eine Auswertung ergab den Forschern zufolge, dass Marktproben, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden waren, auch tierisches Genmaterial enthielten - unter anderem vom Marderhund. Diese Tiere sind laut den Forschern "für eine SARS-CoV-2 Infektion anfällig und können genügend Virus ausscheiden, um es auf andere Arten zu übertragen." Sie stehen deshalb schon länger als Zwischenwirt im Verdacht, die das Virus auf den Menschen übertragen haben könnten.
Wie US-Medien berichten, schließen die Wissenschaftler aus der Art der Probenentnahme, dass an den betroffenen Stellen ein mit dem Coronavirus infizierter Marderhund gewesen sein könnte. Die Virologin Angela Rasmussen, die an der Analyse beteiligt war, sagte in "The Atlantic": "Das ist ein sehr starker Hinweis, dass Tiere auf dem Markt infiziert waren. Es gibt keine andere sinnvolle Erklärung."
Marderhunde wurden in Wuhan auf dem Wildtiermarkt gehandelt - das ist durch die Analysen bewiesen.
Der Mikrobiologe Fabian Leendertz von One Health Institute in Greifswald betont jedoch, dass damit nicht zweifelsfrei bewiesen sei, dass Marderhunde wirklich infiziert waren. "Es könnte auch sein, dass infizierte Menschen das Virus dorthin getragen haben. Oder dass ein anderes Tier das Virus übertragen hat." Wichtig sei aber die Erkenntnis, dass Marderhunde definitiv auf dem Markt gehandelt wurden - denn das sei lange von den chinesischen Behörden abgestritten worden.
Warum kommt diese Entdeckung erst jetzt?
Es handelt sich um einen Zufallsfund. Nachdem Débarre und ihre Kollegen die chinesischen Autoren am 9. März kontaktiert hatten, ließen diese die Daten zwei Tage später von GISAID löschen - die westlichen Forscher hatten die Daten jedoch schon heruntergeladen. Die Gründe für das Löschen sind unbekannt.
Ist damit der Ursprung des Coronavirus geklärt?
Nein. Aber die Erkenntnisse stützen laut Beobachtern die von vielen Wissenschaftlern vertretene These, dass das Virus einen natürlichen Ursprung hat und nicht aus einem Labor stammt. "Das vorläufige Ergebnis untermauert stark meine seit Beginn der Pandemie geäußerte Vermutung eines Ursprungs in Marderhunden oder anderen Fleischfressern wie zum Beispiel Schleichkatzen", erklärte etwa der Berliner Virologe Christian Drosten.
Auch Leendertz sieht in den jüngsten Veröffentlichungen ein "wichtiges Puzzlestück". Einen definitiven Beweis, wie das Virus in die Welt kam, werde es wahrscheinlich nie geben, denn die Tiere seien nicht mehr am Leben. Aber die Entdeckung mache die bestehende Hypothese plausibler.
Welche Rolle spielen die chinesischen Behörden?
Dass diese Daten erst so spät und auch nur zufällig ans Licht kommen, dürfte viele Beobachter verärgern. Der Vorsitzende der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, kritisierte Chinas Informationspolitik. "Diese Daten hätten schon vor drei Jahren zur Verfügung gestellt werden können, und das hätte auch passieren müssen. Wir rufen China erneut auf, transparent zu sein, indem es Daten zur Verfügung stellt, und wir fordern China auf, die nötigen Untersuchungen durchzuführen und über die Resultate zu berichten."
Leendertz nennt die Kommunikation der Chinesen "extrem unglücklich". Möglicherweise solle so die Fellproduktion, die ein großer Wirtschaftszweig in dem Land sei, geschützt werden. Denn Marderhunde werden vor allem wegen ihres Fells gehalten - das auch in europäischen Produkten landet.
Laut dem Zoonosen-Experten, der in die Suche der WHO nach dem SARS-CoV-2-Ursprung eingebunden war, gab es bereits in dem ersten Bericht der WHO zur Untersuchung des Ursprungs von SARS-CoV-2 die Empfehlung die Proben auch auf Säugetier-DNA zu untersuchen. "Warum das nicht direkt gemacht wurde, weiß ich nicht. Das widerspricht eigentlich der üblichen wissenschaftlichen Praxis."
Was folgt aus der Entdeckung?
Die neuen Daten liefern einen starken Hinweis auf den Zwischenwirt. Nun sei es geboten, zu schauen, wie das Virus in die Welt kam beziehungsweise auf den Zwischenwirt übertragen wurde: "Was jetzt fehlt, ist, weiter rückwärts zu schauen - wo kommen die Wildtiere her, die dort gehandelt wurden? Wo haben die Marderhunde oder andere empfängliche Tiere, die dort gehandelt wurden, möglicherweise das Virus her?", so Leendertz. Hier stünden Fledermäuse oder andere Kleinsäuger im Fokus. "Da mal eine systematische Studie mit einer guten Stichprobengröße, das wäre sehr sinnvoll, nicht erst jetzt - sondern schon lange."