Zukunft des Luftverkehrs Hoffnung auf neue Überschallflüge
Vor 75 Jahren durchbrach Pilot Chuck Yeager mit dem Flugzeug Bell-X-1 als Erster die Schallmauer. Zeitweise war der Überschallflug im Passagierverkehr angekommen - und wurde wieder eingestellt. Kommen Überschallflüge bald zurück?
Von Thomas Hillebrandt und Lilly Zerbst, SWR
Der Mythos der undurchdringbaren Schallmauer
Vor 75 Jahren fürchteten Piloten noch, dass sie bei Überschallgeschwindigkeit wirklich gegen die "Schallmauer" fliegen und ihre Flugzeuge dabei zerschellen würden - bis der Testpilot Chuck Yeager sie als erster "durchbrach" und unversehrt blieb.
Das Phänomen "Schallmauer" ist reine Physik: Luft ist ein Gas mit einer gewissen Dichte - je schneller sich ein Flugzeug durch die Luft bewegt, umso stärker drängt es die Gasmoleküle vor sich zusammen und erzeugt Druckwellen. Bei Schallgeschwindigkeit holt das Flugzeug seine eigenen Druckwellen ein. Fliegt es noch schneller, durchbricht es diese "Wellenwand" - die "Schallmauer". Die starken Luftdruckschwankungen der Wellenwand breiten sich bis zum Boden aus und werden unterhalb der Flugroute als lauter Knall wahrgenommen.
Der erste Überschallflug
Am 14. Oktober 1947 ist auf der "Muroc Air Base" in Kalifornien alles bereit: Das Raketenflugzeug Bell-X-1 wird aufgetankt und dann an eine Boeing B-29 gekoppelt, die den nur zehn Meter langen Jet bis auf 2000 Meter Höhe trägt. Dort steigt der damals 24 Jahre alte Chuck Yeager in das enge Cockpit der X-1 und wartet auf das Kommando, um die Verbindung zum Trägerflugzeug lösen zu können.
Nach der Abkopplung beschleunigt Yeager die X-1 und fliegt als erster Mensch schneller als der Schall. Zum ersten Mal in der Luftfahrtgeschichte ist ein Überschallknall zu hören.
Einsatz von Überschall-Flugzeugen im Verkehrssektor
Wenige Jahrzehnte nach Yeagers Pioniertat wurde es möglich, auch Passagiere mit Überschallgeschwindigkeit zu transportieren. Mit über 30 Jahren Betriebszeit wurde die britisch-französische Concorde 2003 als letztes Überschall-Passagierflugzeug in Rente geschickt. Jetzt arbeiten Firmen wie das US-Unternehmen Boom Supersonic wieder daran, Überschallflugzeuge im Verkehrssektor einzusetzen.
Rechtliche Voraussetzungen für den Überschallflug
Die rechtlichen Grundlagen dafür müssen in Europa noch geschaffen werden: Grenzwerte hinsichtlich Lärm, Emission und Klimawirkung gibt es noch nicht. Die nötigen Daten will unter anderem Robert Jaron vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) in Berlin liefern. Zusammen mit seinem Team schafft er am Institut für Antriebstechnik eine Grundlage dafür, dass neue Überschallverkehrsflugzeuge in Europa überhaupt starten und landen dürfen. Denn dafür brauchen diese eine Zulassung, die an Grenzwerte gekoppelt werden muss.
Forschungsbedarf beim zivilen Nutzen von Überschallflugzeugen
Das EU-Forschungsprojekt MOREandLESS soll den Überschallknall ausführlich analysieren. Dafür simulieren Robert Jaron und sein Team Ab- und Anflüge der neuen Überschalldflugzeuge. Sie berechnen alles, was Auswirkungen auf die Lärm- und Schadstoffemissionen hat. In zwei Jahren sollen die notwendigen Daten an die Zertifizierungsbehörden geliefert werden.
Lärmbelastung: Überschallgeschwindigkeit nur über Wasser zulässig
Technologisch liege die Herausforderung auch darin, so Jaron, den Überschallknall so zu minimieren, dass das Flugzeug auch über Land mit Überschallgeschwindigkeit fliegen darf. Das Passagierflugzeug Concorde durfte zu seiner Zeit nur über Wasser überschallschnell fliegen. Die Projektpartner gehen derzeit davon aus, dass diese Beschränkung auch bei den ersten neuen Überschallflugzeugen gelten wird.
Potenzial der Überschallmobilität
Die geplanten Überschall-Jets und -Linienflugzeuge könnten mehr als doppelt so schnell wie die aktuell schnellsten Business-Jets werden. Mit über 2000 Kilometern pro Stunde würden sie dann bis zu hundert Passagiere transportieren. Der Firmenchef von Boom Supersonic will sogar noch weiter gehen: Er träumt davon, jeden Ort auf der Welt in maximal vier Stunden anfliegen zu können. Ein Flug von London nach New York dauerte bereits mit der Concorde nur noch gut drei Stunden.
Überschallflugzeuge sind (noch) nicht rentabel
Den ökonomischen Nutzen der Überschall-Mobilität konnte die Concorde nicht unter Beweis stellen: Trotz hoher Ticketpreise flog sie nie in die schwarzen Zahlen. Schuld waren hohe Entwicklungskosten und ein enormer Treibstoffverbrauch. Auch moderne Überschallflugzeuge verbrauchen etwa fünf- bis siebenmal so viel Treibstoff wie ein Unterschallflugzeug.
Heute stehen nicht mehr Nationen hinter der Entwicklung der Überschallmobilität, sondern Privatunternehmen, die mit ihren Produkten neue Märkte erschließen müssen. Der DLR-Wissenschaftler Robert Jaron vermutet aber, dass das noch mindestens ein Jahrzehnt dauern wird.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, die Concorde sei das erste Überschallverkehrsflugzeug gewesen. Die sowjetische Tupolew Tu-144 flog allerdings schon 1968 für zivile Zwecke Überschall.