Verhaltensbiologie Rhesusaffen nach Hurrikan netter zueinander
Nach Naturkatastrophen rücken Menschen oft näher zusammen, um sich gegenseitig zu helfen. Forschende haben jetzt bei Rhesusaffen auf der Affeninsel vor Puerto Rico ein ähnliches Verhalten entdeckt.
Despotisch - so wird das Verhalten von Rhesusäffchen (Macaca mulatta) untereinander bezeichnet. Es gibt strenge Hierarchien und wenig Toleranz gegenüber niederrangigeren Affen, auch wenn diese in derselben Gruppe leben. Das zeigt sich oft mit Schlägen, Bissen, Reißen am Fell oder Ziehen am Schwanz.
Zugang zu Ressourcen, zum Beispiel Nahrung oder Wasser, haben erst mal die dominantesten Tiere. Und wenn ein Männchen mal keine Lust auf ein tropisches Tête-à-Tête hat, dann kann es sein, dass es von einem hochrangingen Weibchen regelrecht bedrängt und verletzt wird.
Hurrikan bietet Forschenden ungewöhnlichen Einblick
2017 beobachteten Forschende aus den USA bereits seit fünf Jahren die Rhesusäffchen von Cayo Santiago - auch Affeninsel genannt -, eine von Menschen unbewohnte Insel vor der Küste Puerto Ricos. Dann schlug Hurrikan "Maria" zu. Mit 3.000 Todesopfern allein auf Puerto Rico war er eine der schlimmsten Naturkatastrophen der USA.
Für die Forschenden war es aber auch eine interessante Gelegenheit zu untersuchen, wie Rhesusaffen mit den Folgen eines solchen Sturms umgehen. Eigentlich hätten sie damit gerechnet, dass sich das aggressive Verhalten nur verstärken würde, wenn nach dem Sturm die Ressourcen knapp würden.
Affen wurden netter zueinander - um zu überleben
Doch die Makaken überraschten die Forschenden: Sie wurden sozialer und anderen gegenüber toleranter. Vor allem ertrugen sie es eher, wenn sich ein anderer Affe in ihrer Nähe aufhielt, den sie vor dem Sturm noch verjagt hätten.
Woran das lag, wussten die Forschenden zunächst nicht, aber es war offensichtlich überlebenswichtig. Denn mit jedem Sitznachbarn mehr, den ein Affe akzeptierte, stieg seine Überlebenschance.
Affen schlossen mehr Freundschaften
In der Regel haben Rhesusaffen eine Reihe an proximity partners, wie die Forschenden das nennen, etwa Nachbarschaftspartner oder "Sitzfreunde": andere Affen aus der Gruppe, die sie in ihrer Nähe tolerieren. Setzt sich jemand anderes neben sie, dann verjagen sie das Äffchen oder werden selbst verjagt.
Nach dem Hurrikan stieg die Zahl der Sitzfreunde - vor allem bei manchen von denjenigen Affen, die vorher wenige hatten - und damit eben auch die Überlebenswahrscheinlichkeit. Hatte ein Affe nach dem Hurrikan etwa 13 Sitzfreunde mehr, war es mehr als 40 Prozent unwahrscheinlicher, dass er sterben würde.
Langfristiger Effekt
Aus den vielen Daten, die die Forschenden bereits vor dem Hurrikan gesammelt hatten, konnten sie schließen, dass es diesen Effekt vor dem Sturm nicht gab. Mehr Freunde zu haben war kein besonderer Vorteil. Es musste also mit der Naturkatastrophe zu tun haben.
Eine direkte Reaktion auf den Hurrikan schlossen die Forschenden aus, etwa dass die Affen nach der Zerstörung ihres Lebensraums an einem Strang ziehen würden, um das Überleben der Gruppe zu sichern. Denn auch noch fünf Jahre später, als die Studie beendet wurde, waren die Rhesusaffen noch nett zueinander.
Affen teilen sich kühlen Schatten
Des Rätsels Lösung war, wie sich herausstellte, Schatten. Die Temperatur in der Sonne auf Cayo Santiago steigt regelmäßig auf mehr als 40 Grad Celsius. Verbringen sie zu viel Zeit in der Sonne, sterben die Rhesusaffen an einem Hitzeschock.
Hurrikan "Maria" zerstörte einen großen Teil der Bäume auf der Insel und damit auch einen großen Teil der Schattenfläche. Nach dem Sturm mussten die Affen also wortwörtlich enger zusammenrücken, um die große Hitze am Nachmittag zu überleben.
Die Verhaltensänderung beschränkte sich aber nicht nur auf eine Art Waffenstillstand, um der Hitze zu entkommen. Auch in den kühlen Morgenstunden, wo die Rhesusäffchen viel weniger Zeit im Schatten verbringen, tolerierten sie im Schnitt viel mehr andere Affen in ihrer Nähe.
Cayo Santiago - auch Affeninsel genannt - liegt vor der Küste Puerto Ricos.
Makaken auf der Insel
Zumindest für die Gruppen auf Cayo Santiago scheint es die bessere Taktik zu sein, toleranter zu werden, als die Artgenossen zu verjagen und den Schatten für sich alleine zu beanspruchen, glauben die Forschenden.
Das könnte auch daran liegen, dass sie auf sehr begrenztem Raum leben. Auf dem Festland hätten die Affen die Möglichkeit gehabt, sich auf eine größere Fläche zu verteilen, um vorher ungenutzte Schattenflächen zu erschließen.
Unklar, wie stabil das neue Verhalten ist
Da sich das Verhalten gegenüber anderen aber offensichtlich sehr schnell ändern kann, könnte etwas anderes dazu führen, dass es sich für die Affen wieder lohnt, aggressiver zu werden. Sollte sich zum Beispiel eine Krankheit ausbreiten, könnten diejenige Affen besser davonkommen, die sich von den anderen fernhalten oder diese auch aktiv verjagen.
So oder so zeigt diese Studie, wie flexibel das Verhalten von Primaten sein kann, um sich an unterschiedlichste Bedingungen anpassen zu können. In einer sich schnell verändernden Umwelt könnte das ein großer Vorteil sein.