Grüne Wall Street in Australien Bonussystem für mehr Biodiversität
Australien will eine Börse für den Erhalt von Ökosystemen schaffen. Schützt jemand die Umwelt oder macht Umweltschäden wieder gut, erhält er Punkte, die er auf einer Handelsplattform weiterverkaufen kann.
Die Natur soll in Australien einen Preis bekommen. Ein Stück Wald könnte ein paar tausend, ein Koala ein paar hundert Euro kosten. Die größte Herausforderung sei, jedem Teil des Ökosystems einen angemessenen Preis zu geben, sagt Ökonomin Nicki Hutley. Sie ist Mitglied des australischen Klimarats. "Ein Koala ist zum Beispiel sehr wertvoll, wenn man bedenkt, dass er das Nationalsymbol Australiens ist. Die Tiere ziehen Touristen an, die wiederum Geld ins Land bringen, sie sind ein wichtiger ökonomischer Faktor."
Tim Cronin von der Umweltorganisation WWF widerstrebt es, der Natur einen Preis zu geben. Aber die Biodiversitäts-Zertifikate könnten ein Teil der Lösung sein. "Weil es hilft, der Wirtschaft, Unternehmen, der Industrie den wahren Preis unseres Ökosystems zu verdeutlichen. Vieles davon ist aktuell unsichtbar." Die Zerstörung von Natur sei dann nicht mehr kostenfrei, sondern hätte einen Preis, der bei wirtschaftlichen Entscheidungen berücksichtigt werden müsste.
Erfahrungen aus New South Wales
Der australische Bundesstaat New South Wales hat schon seit rund zehn Jahren eine Art Börse, an der Biodiversitäts-Zertifikate gehandelt werden. Auf der Basis von Angebot und Nachfrage. An der Ostküste werden regelmäßig Wälder abgeholzt für neue Wohnungsbau-Projekte. Den Schaden, den die Baukonzerne dabei anrichten, können sie an der Börse ausgleichen. Beschädigen sie an einer Stelle wichtige Eukalyptus Wälder, zahlen sie dafür, dass Landwirte oder spezialisierte Unternehmen Eukalyptus Wälder der gleichen Fläche an andere Stelle aufforsten.
Auch der Umstieg auf erneuerbare Energien mache das System wichtiger, da Solar- und Wind-Farmen Platz brauchen und teils Auswirkungen auf die Tierwelt hätten, sagt Ökonomin Hutley. Das etablierte System in New South Wales funktioniere noch nicht fehlerfrei. Wie beim CO2-Zertifikate-Handel bekämen Käufer nicht immer das, wofür sie bezahlt haben, und Projekte landen in den Negativ-Schlagzeilen.
Es werde daher an einer besseren Lösung gearbeitet, die dann für ganz Australien gelten soll. Der überarbeitete Gesetzesvorschlag solle bestenfalls noch dieses Jahr ins australische Parlament. Australiens Umweltministerin Tanya Plibersek spricht gerne von der ersten grünen Wall Street der Welt, an der Unternehmen aus aller Welt investieren könnten, um Biodiversität zu erhalten.
Tauschbörse keine Wunderwaffe
"Die größte Gefahr ist, dass die Regierung denkt, diese Tauschbörse sei eine Wunderwaffe, um den Rückgang der Biodiversität zu beenden. Sie ist jedoch nur ein kleiner Teil der Lösung", sagt Cronin vom WWF in Sydney. Es dürfe keine Einladung für Unternehmen sein, sich einfach von Umweltsünden freizukaufen. Bevor Australien eine grüne Börse etabliere, brauche das Land jedoch strengere Umweltgesetze, sagt er. Es dürfte z.B. gar nicht erlaubt sein, bestimmte Wälder abzuholzen.
Wichtig ist Cronin auch, dass der Erfolg der Wiederaufbau-Maßnahmen streng überwacht wird. Denn Wald sei schnell abgeholzt, der Aufbau dauere hingegen Jahre. Unternehmen könnten beispielsweise mit Hilfe von regelmäßigen Fotos, der Messung von Tiergeräuschen oder Sensoren belegen, inwiefern sich die Tierwelt in einem bestimmten Bereich erholt. Wie beim CO2-Zertifikate-Handel müsse man sicherstellen, dass die Maßnahmen wirkungsvoll seien und kein Greenwashing.
Umweltschützer sind skeptisch
Die grüne Börse könnte auf unterschiedliche Art und Weise funktionieren. In einem Fall bekommen Landbesitzer, Farmer oder Unternehmen handelbare Zertifikate, dafür, dass sie Bäume pflanzen, Land erhalten oder Flüsse säubern. Diese Zertifikate können sie an einer Börse etwa an Immobilien-Unternehmen verkaufen.
Das System würde den Status Quo bestenfalls erhalten, die Situation jedoch nicht verbessern, kritisieren Umweltorganisationen wie der WWF. Wenn das System nicht gut überwacht werde, könnte es der Natur sogar mehr schaden als nutzen. Besser wäre ein Markt, in dem Unternehmen freiwillig etwas für den Erhalt von Artenvielfalt tun, etwa aus sozialer Verantwortung oder um ihr Image zu verbessern. Viele Experten bezweifeln jedoch, dass ein freiwilliges System funktionieren würde.
Theoretisch sei denkbar, dass Biodiversitäts-Zertifikate in Zukunft weltweit gehandelt werden, sagt Ökonomin Hutley. "Aber kannst du den Schaden an der Natur dadurch wirklich wiedergutmachen? Der Mensch greift viel zu viel in die Natur ein und hinterlässt Verwüstung. Das beeinflusst unser Klima, die Umwelt, am Ende unsere eigene Gesundheit und unser Wohlbefinden. Wir müssen insgesamt vorsichtiger werden." Die grüne Börse sei ein gutes, aber letztes Mittel. Das Beste wäre, der Schaden an der Umwelt würde gar nicht erst entstehen.