Entdeckung neuer Arten Wo die Dinosaurier unterwegs waren
Rund 50 neue Dinosaurier-Arten werden jedes Jahr entdeckt - aber nicht in Deutschland. Gibt es bei uns überhaupt noch neue Dinosaurier-Fossilien zu finden? Welche Dinosaurier waren damals hier überhaupt unterwegs?
"Wir haben die Hintergliedmaßen, wir haben die Beckenwirbel, relativ viele Beckenknochen, einige Rippen und ein bisschen was vom Schädel gefunden. Außerdem noch einige schöne Zähne", sagt Oliver Wings, Leiter des Naturkundemuseums in Bamberg. Wings ist Wirbeltierpaläontologe und befindet sich gerade auf Ausgrabung. Der Fund: ein bisher unbekannter Raubdinosaurier.
165 Millionen Jahre alter Fund
Dessen Gestalt kann man sich grob wie die des berühmtesten aller Raubdinosaurier, dem Tyrannosaurus Rex, vorstellen: zwei Beine, zwei kurze Arme, ein langer Schwanz. Das ganze Tier könnte bis zu neun Meter lang gewesen sein. Ein Team um Wings war zusammen mit dem kirgisischen Paläontologen Aizek Bakirov in den vergangenen Wochen damit beschäftigt, den neuen Dinosaurier auszugraben, ihn zu präparieren und zu beschreiben.
Was für Wings als Nächstes ansteht: der Rückflug nach Hause. Denn der neue Raubdinosaurier stammt nicht aus Deutschland - sondern aus Kirgisistan. Dort lebte und starb das Tier vor rund 165 Millionen Jahren.
Deutschland war ein Inselparadies
Schätzungen zufolge werden jedes Jahr rund fünfzig neue Dinosaurier-Arten entdeckt - fast jede Woche eine. Allerdings tauchen die wenigsten neuen Dinosaurier-Arten in Deutschland auf. Woran liegt das?
Egal, wie lange Paläontologinnen und Paläontologen hierzulande graben würden - einen großen Raubdinosaurier wie den Tyrannosaurus Rex oder das Fossil aus Kirgisistan würden sie wahrscheinlich nicht finden. Der Grund dafür ist denkbar einfach: Deutschland war zu jener Zeit größtenteils von Wasser bedeckt, es gab lediglich einzelne Inseln. Was für uns heutzutage wie ein Urlaubsparadies klingt, war für große Raubdinosaurier im Jura und in der Kreide nicht der geeignete Lebensraum.
Andererseits gibt es durchaus Dinosaurier, die sich auf den tropischen Koralleninseln von vor 150 Millionen Jahren pudelwohl gefühlt haben: zum Beispiel den befiederten, etwa taubengroßen Archaeopteryx. Er gilt als einer der bedeutendsten Fossilienfunde weltweit. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden von diesem als "Urvogel" bekannten Fossil insgesamt elf Exemplare gefunden, zuletzt im Jahr 2010, allesamt in der Fränkischen Alb.
Versteinerung des "Urvogels" Archaeopteryx. Nach neuesten Erkenntnissen könnten viele Dinosaurier Federn gehabt haben.
Europasaurus: Zwergenhafte Riesen in Niedersachsen
"Europasaurus ist auch ein sehr schönes Beispiel, warum es sich lohnt, in Deutschland nach Dinosauriern zu graben", sagt Darius Nau von der Universität Bonn. Das erste Exemplar eines Europasaurus wurde im Jahr 1998 von einem Hobby-Paläontologen in einem Kalksteinbruch in Niedersachsen entdeckt. Rund 154 Millionen Jahre sind die gefundenen Fossilien alt.
Das Tier war ein Pflanzenfresser, ein Sauropode - jene Dinosaurier mit den extrem langen Hälsen, die bis zu dreißig Meter lang wurden und als die größten landlebenden Lebewesen gelten, die je über diese Erde spazierten. So groß war Europasaurus allerdings nicht.
Tatsächlich war er mit einer Maximallänge von acht Metern winzig für einen Sauropoden. "Die Hypothese dazu ist, dass Europasaurus ein Beispiel für Inselverzwergung ist. Ihre Vorfahren waren wahrscheinlich sehr groß, aber diese Dinosaurier haben ihre Körpergröße reduziert, um mit den begrenzten Nahrungsressourcen auf der Insel klarzukommen", sagt Nau.
Der Schädelknochen des Dinosauriers Europasaurus holgeri. Im Hintergrund eine Darstellung wie er lebend ausgesehen haben könnte.
Deutschland war eine Welt für Meeressaurier
Deshalb finden Forschende im ehemaligen "Inselparadies" Deutschland vor allem Fossilien der damaligen Meeresbewohner, unter ihnen auch Meeressaurier. Eine der bekanntesten Fundstellen für Meeressaurier befindet sich in Baden-Württemberg. Im Posidonienschiefer in der Schwäbischen Alb finden sich beispielsweise zahlreiche Ichthyosaurier, die vor rund 180 Millionen Jahr das Meer bevölkerten.
Ichthyosaurier waren delphinartige Meeressaurier, die ihre Jungen lebend geboren haben. "Da haben wir sehr gut erhaltene Ichthyosaurier gefunden, bei denen man teilweise sogar noch Hautschatten sieht, also die Umrisslinien des Weichgewebes", sagt Nau.
Deutschland im Trias: Heimat für Plateosaurus
Bei Dinosaurierfunden in Deutschland hingegen hält der Paläontologe Rainer Schoch von der Universität Hohenheim vor allem einen Zeitabschnitt der Erde für wichtig: die Trias, während der sich die Dinosaurier erst zu den Herrschern der Erde entwickelt haben. In der späten Trias vor rund 220 Millionen Jahren war Deutschland noch nicht vollständig von Wasser bedeckt.
Somit gab es genug Lebensraum für die ersten Dinosaurier - beispielsweise für Plateosaurus, der bis zu zehn Meter lang wurde. Über 200 Millionen Jahre sind die Funde dieses zweibeinigen Pflanzenfressers alt. Eine der wichtigsten Fundorte für den Plateosaurus befindet sich bei Trossingen in Baden-Württemberg. "Da hat man über neunzig Skelette gefunden", sagt Schoch. Getroffen haben sich diese Tiere zwar nie.
Heutzutage gehen Forschende davon aus, dass dort viele Wasser- und Schlammlöcher waren, in denen die Tiere versunken sind, sich nicht mehr befreien konnten und dann gestorben sind. "Wir wollen alles über die Lebensverhältnisse dieser ersten frühen Riesen herausfinden, alles über die anderen Tiere und Pflanzen, die es dort gab. Denn erst, wenn wir das Ökosystem verstehen, verstehen wir auch die Rolle, welche die Plateosaurier darin gespielt haben", sagt Schoch.
Ausgrabungen auch in Deutschland
Die ertragreichsten Fundstätten für neue Dinosaurier-Arten befinden sich nicht in Deutschland, wo schon seit dem 19. Jahrhundert nach Dinosauriern gegraben wird. Interessante Regionen für Ausgrabungen sind derzeit eher dort zu verorten, wo jahrzehntelang überhaupt keine paläontologische Forschung stattfand, wie etwa in China, Argentinien, oder eben in Kirgisistan.
Aber auch hierzulande suchen Forschende weiterhin nach Dinosauriern und der längst vergangenen Welt, die sie bewohnten: Für Rainer Schoch geht die nächste Ausgrabung an der Fundstelle in Trossingen ab Mitte Juni wieder los.