Kriegsschäden Ukrainische Wirtschaft vor beispiellosem Einbruch
Wegen des russischen Angriffskriegs wird sich die Wirtschaftsleistung der Ukraine in diesem Jahr fast halbieren, sagt die Weltbank voraus. Sie spricht von verheerenden Folgen und hochschnellender Armut.
Das Bruttoinlandsprodukt der Ukraine wird nach Einschätzung der Weltbank 2022 im Vergleich zum Vorjahr um rund 45 Prozent einbrechen. Die Organisation schränkte jedoch ein, dass "das Ausmaß des wirtschaftlichen Einbruchs" von "der Dauer und der Intensität des Kriegs" abhängen werde.
Im Januar, also vor Beginn des Kriegs Ende Februar, hatte die Weltbank in einer Prognose für die Ukraine noch ein Wirtschaftswachstum von rund 3 Prozent vorhergesagt. Im Jahr 2021 lag die gesamte Wirtschaftsleistung der Ukraine bei rund 180 Milliarden Dollar, nach 155 Milliarden im Jahr 2020. Damit ist die ukrainische Wirtschaft ungefähr im Bereich Griechenlands einzuordnen.
Ruf nach finanzieller Unterstützung
"Viele Aspekte der ukrainischen Wirtschaft brechen zusammen", erklärte die Weltbank. Die Auswirkungen von Krieg, Flucht und Vertreibung auf die Armut in der Ukraine werden wahrscheinlich ebenfalls "verheerend" sein, wie es weiter hieß. Gemessen an der statistischen Armutsgrenze von 5,50 US-Dollar pro Tag für Länder mit vergleichbarem Einkommen dürfte der Anteil der ukrainischen Bevölkerung, der in Armut lebt, von 1,8 Prozent auf 19,8 Prozent hochschnellen, warnte die Weltbank.
"Das Ausmaß der vom Krieg ausgelösten humanitären Krise ist erschütternd", erklärte die für Europa und Zentralasien zuständige Vizepräsidentin der Weltbank, Anna Bjerde. Die Ukraine brauche "sofort massive finanzielle Unterstützung", um die Wirtschaft zu stabilisieren und den Bürgern zu helfen, betonte Bjerde.
Zerstörte Infrastruktur
"Der Krieg hat eine bedeutende Menge der produktiven Infrastruktur zerstört, darunter Schienen, Brücken, Häfen und Straßen, weswegen wirtschaftliche Aktivitäten in weiten Teilen dieser Gebiete unmöglich geworden sind", erklärte die Weltbank. Der Handel ist zum Erliegen gekommen, genauso wie der Großteil der Exporte, die normalerweise über die Häfen am Schwarzen Meer verschifft würden.
Auch die Landwirtschaft, ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Ukraine, sei wegen des Kriegs vielerorts unterbrochen. Daher sei damit zu rechnen, dass die Kriegsfolgen das wirtschaftliche Potenzial der Ukraine auch längerfristig schwächen werden, so die Weltbank.
Ukrainische Regierung beziffert Schäden
Nach Schätzungen der Regierung in Kiew hat die Ukraine durch die Invasion russischer Truppen bisher Schäden in Höhe von bis zu einer Billion US-Dollar erlitten. Das sagte der stellvertretende Wirtschaftsminister Olexander Griban bei einer Regierungssitzung, wie die Agentur Unian berichtete. Die Verluste seien "kolossal", die Aufstellung sei noch nicht vollständig. "Es sind Milliarden von Dollar an Schäden, möglicherweise bis zu einer Billion Dollar", sagte Griban.
Die Summe ergebe sich aus Schäden an der Infrastruktur, dem Gesundheitswesen und im Bildungswesen. "Und dann gibt es noch weitere Ebenen der Verluste - staatliche, kommunale und private", so Griban. "Uns steht viel Arbeit am Wiederaufbau bevor."
Die Weltbank hat eigenen Angaben zufolge die Ukraine seit Beginn der Invasion mit einem finanzielle Notpaket in Höhe von 925 Millionen Dollar unterstützt.
Auch russische Wirtschaft bricht ein
Auch die Folgen des Kriegs für die russische Wirtschaft hat die Weltbank beziffert: Sie dürfte demnach infolge der beispiellosen Sanktionen westlicher Nationen dieses Jahr um 11,2 Prozent schrumpfen. Die heimische Nachfrage werde rückläufig sein, weil Arbeitsplätze verloren gehen, Einkommen sinken, die Armut, die Inflation und Unterbrechungen der Lieferketten zunehmen, so die Weltbank.
Auch in anderen Staaten der Region wird die Wirtschaft der Prognose zufolge schrumpfen, etwa in Belarus, Moldau, Kirgistan und Tadschikistan. Handelsströme seien unterbrochen oder gekappt, zudem dürften in Russland lebende Bürger dieser Staaten weniger Geld nach Hause zu ihren Familien schicken.
Solche Überweisungen machten in manchen Ländern, etwa Kirgistan und Tadschikistan, fast 30 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, hieß es. Die Länder der Region seien auch für einen großen Teil ihrer Weizenimporte auf Russland und die Ukraine angewiesen.