Huthi-Miliz Welche Folgen die Angriffe im Roten Meer haben
Containerschiffe fahren aktuell lange Umwege ums Kap der Guten Hoffnung, weil sie die Route durchs Rote Meer wegen der Huthi-Attacken meiden. Das hat Auswirkungen auf Reedereien, Verbraucher und den Energiemarkt.
Die jüngsten Angriffe der jemenitischen Huthi-Miliz auf Frachter im Roten Meer wirken sich zunehmend auf die Sicherheit der internationalen Schifffahrt in den dortigen Gewässern aus - und damit auch auf den Welthandel. Denn dort verlaufen wichtige Routen zwischen Afrika und Asien sowie über den Suezkanal im Norden des Roten Meeres von und nach Europa.
Weitere Angriffe auf Containerschiffe
Die mit dem Iran verbündeten Huthi hatten im November angekündigt, aus Solidarität mit der ebenfalls vom Iran unterstützten Hamas, Schiffe jeglicher Nationalität auf dem Weg nach Israel an der Durchfahrt im Roten Meer zu hindern. Mehrere Schiffe wurden seitdem angegriffen, zuletzt auch ein Containerfrachter der deutschen Reederei Hapag-Lloyd.
Auch zu Wochenbeginn wurden wieder Angriffe auf Handelsfrachter gemeldet: So meldete das britische Amt für Seeschifffahrt (UKMTO) einen Vorfall 80 Seemeilen nordöstlich von Dschibuti. Das Land befindet sich am Horn von Afrika - gegenüber liegt der Jemen auf der arabischen Halbinsel. Zwischen den beiden Staaten: Die Meerenge Bab al-Mandab, die das Rote Meer mit dem Golf von Aden verbindet.
Israels Verbündeter USA hat wegen der Attacken eine militärische Allianz zum Schutz der Handelsschifffahrt auf den Weg gebracht. An der Sicherheitsinitiative mit dem Namen "Operation Prosperity Guardian" beteiligen sich mehrere Länder - darunter das Vereinigte Königreich, Bahrain, Kanada, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, die Seychellen und Spanien. Auch Deutschland prüft nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius eine Anfrage zur Beteiligung.
Miliz will Angriffe fortsetzen
Durch die stärkere Kooperation zwischen den Seeststreitkräften soll der Schutz von Handelsschiffen verbessert werden. Die Huthi-Miliz im Jemen zeigte sich davon jedoch unbeeindruckt. Sie würden ihre Angriffe im Roten Meer fortsetzen, sagte der führende Vertreter der Huthi, Mohammed Abdelsalam, dem Fernsehsender Al Dschasira: "Was die Marineeinsätze angeht - sie sind in vollem Gange. Und vielleicht werden keine zwölf Stunden ohne einen Einsatz vergehen."
Die dänische Reederei Maersk bleibt deshalb bei ihrem vorsichtigen Kurs. Sie leitet Schiffe auf die erheblich längere Route um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas um. Das Unternehmen begrüßte in einer Stellungnahme, dass die Regierungen reagiert hätten, "um eine Lösung herbeizuführen, die eine baldige Rückkehr zur Durchfahrt durch das Rote Meer, den Golf von Aden und den Suezkanal ermöglicht".
Bislang bleibt Maerk aber bei der Umleitung der Containerschiffe. Sie führe "letztlich zu schnelleren und besser vorhersehbaren Ergebnissen für unsere Kunden und ihre Lieferketten", so Maersk. Die gemessen an der Transportkapazität zweitgrößte Containerreederei weltweit ist mit zwölf Diensten in dem Gebiet unterwegs, fährt also normalerweise im Schnitt 24 mal pro Woche durch den Suezkanal.
Wirtschaftsministerium ist besorgt
Neben Maersk meiden immer mehr Schifffahrtsunternehmen die Route durch das Rote Meer. Auch die deutsche Reederei Hapag-Lloyd hat angekündigt, dass Schiffe so lange über das Kap der Guten Hoffnung umgeleitet werden, "bis die Passage durch den Suezkanal und das Rote Meer für Schiffe und ihre Besatzungen wieder sicher ist". Branchenprimus MSC bekräftigte zu Wochenbeginn ebenfalls, dass MSC-Schiffe den Suezkanal in Richtung Osten und Westen nicht befahren werden, bis die Passage durch das Rote Meer sicher ist.
Auch der Ölkonzern BP stoppte alle Transporte durch das Rote Meer, genauso die französische Containerschiff-Reederei CMA CGM. Das taiwanische Unternehmen Evergreen kündigte gar an, vorerst keine israelische Fracht mehr anzunehmen.
Das Bundeswirtschaftsministerium zeigte sich wegen der Angriffe besorgt. "Freie und sichere Handelsrouten sind für den globalen Handel von großer Bedeutung. Sollte es zu einer längeren Behinderung auf der Handelsroute kommen, wären längere Lieferzeiten aufgrund alternativer Routen zu erwarten", teilte das Ministerium mit. Welche Auswirkung die derzeitige Störung der Handelsroute im Roten Meer auf die Wirtschaft habe, lasse sich aber noch nicht abschätzen.
Ein wochenlanger Umweg droht
Etwa zwölf Prozent des Welthandels laufen über das Rote Meer. Der Suezkanal verbindet es mit dem Mittelmeer - es ist die kürzeste Verbindung auf dem Seeweg zwischen Asien und Europa. Knapp zehn Prozent des deutschen Außenhandels mit allen möglichen Gütern werden dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) zufolge durch die Wasserstraße abgewickelt.
Nach Angaben des Logistikkonzerns Kühne+Nagel befahren jedes Jahr ungefähr 19.000 Schiffe den Suezkanal. Große Containerschiffe sind auf dem Weg von Asien nach Europa üblicherweise 30 bis 40 Tage unterwegs. Die Alternativroute um Afrika herum verlängert die Fahrzeit je nach Schiff, Geschwindigkeit und Wetter um eine Woche bis zehn Tage oder sogar noch mehr.
"Es geht um viel Geld"
"Da kommen kleine Verzögerungen auf deutsche Konsumenten zu - etwa im Bereich Elektronik", sagt IfW-Handelsexperte Vincent Stamer gegenüber der ARD-Finanzredaktion. Im Großen und Ganzen erwarte er aber "keine Störungen wie vor zwei Jahren". Im März 2021 war das Containerschiff "Ever Given" bei starkem Wind auf Grund gelaufen, hatte sich schräg gestellt und den Suezkanal sechs Tage lang blockiert. Hunderte Schiffe konnten die Wasserstraße nicht passieren. Mit komplett leeren Regalen rechnet Stamer aber wegen der stabileren Lieferketten dieses Mal nicht.
Durch die längeren Wege hätten allerdings die Reedereien höhere Kosten - für ein Containerschiff je nach Anzahl und Größe in sechsstelliger Höhe pro Tag. "Es geht um viel Geld. Das heißt aber nicht, dass das zwangsläufig in großem Stil bei den Endkonsumenten ankommt", so Stamer. Denn: Die Transportkosten von Asien nach Europa seien generell sehr gering, und die Frachtraten der Reedereien könnten durch die Auslastung steigen.
Suezkanal wichtig für LNG-Lieferungen
Wie groß der Schaden für die gesamte Weltwirtschaft werden könne, sei derweil schwierig zu sagen. "Aus der Perspektive des Welthandels" seien die Angriffe aber eine Eskalation des Nahost-Konflikts. Zwar habe Israel im Handel nur ein geringes Gewicht, sagt Stamer. Indem das Rote Meer betroffen sei, bekämen die wirtschaftlichen Folgen "eine ganz andere Dimension".
Die Route hat eine Bedeutung für den Energiemarkt. Die Commerzbank-Rohstoffanalystin Thu Lan Nguyen schätzt, dass rund fünf Prozent der weltweiten Rohöltransporte über See durch den Suezkanal gehen. "Das ist nicht irrelevant, aber auch nicht absolut essenziell und nicht zu vergleichen mit der Straße von Hormus, wo circa 20 bis 30 Prozent des weltweiten Konsums durchgeleitet wird", sagt sie im Gespräch mit der ARD-Finanzredaktion. Daher seien die Auswirkungen auf den Ölmarkt eher begrenzt.
Wichtiger sei die Seeroute für den Gasmarkt. Deutschland und Europa seien abhängig von Flüssiggasimporten (LNG), die unter anderem aus dem Mittleren Osten kommen. Das globale Angebot sei recht knapp, alternative Lieferanten ließen sich nicht so einfach finden. "Dementsprechend haben die europäischen Gaspreise stärker reagiert als die Rohlölpreise", so Thu Lan Nguyen.
Mit Informationen von Jan Plate und Till Bücker, ARD-Finanzredaktion