Ein libanesischer Bäcker verpackt Brot in Tüten
Reportage

Wirtschaftskrise im Libanon Wenn selbst das Brot zu teuer wird

Stand: 12.09.2021 12:03 Uhr

Der Libanon steckt in der größten Wirtschaftskrise seiner Geschichte - und noch ist kein Ausweg in Sicht. Viele Libanesen tun sich sogar schwer, das Nötigste zu besorgen: ihr täglich Brot.

Von Viktoria Kleber, ARD-Studio Kairo

Das Sortiment in der Bäckerei Al Wafaa von Mohammad Shaalan hat sich deutlich verändert. Früher füllten hier Gebäck und süße Speisen die Regale. Heute sind die meisten von ihnen ausschließlich mit Brot gefüllt. "Die Menschen kaufen nur noch arabisches Brot und nichts, was sie früher dazu gekauft haben. Sie wissen, dass ich nicht nur einheimisches Brot backe, sondern auch Gebäck und Süßspeisen. Aber das kaufen sie nicht mehr", sagt Shaalan einem Mitarbeiter der ARD in Beirut.

Laut den Vereinten Nationen leben mittlerweile vier von fünf Libanesen unter der Armutsgrenze. Auch der Rentner Bahiej Al Tufaili kauft an diesem Tag ausschließlich Brot. Das Geld reicht nicht für mehr. "Früher hat das Brot rund 1500 Lira gekostet, umgerechnet rund 80 Cent. Heute kostet es 6000 Lira, ungefähr 3,35 Euro. Und manche Verkäufer nehmen noch viel mehr, was immer sie wollen", klagt er.

Ohne Treibstoff kein Strom

Dass die Brotpreise ständig steigen, hängt vor allem mit der staatlichen Stromversorgung zusammen. Sie ist rund 22 Stunden am Tag unterbrochen. Bäcker wie Shaalan müssen Generatoren anschmeißen, um ihre Öfen zum Laufen zu bringen. Doch die Generatoren brauchen Treibstoff - und der ist im Libanon Mangelware.

"Manchmal können wir nur 50 Prozent von dem Brot backen, das wir üblicherweise backen", berichtet Shaalan. "Besonders der Ofen für das arabische Brot braucht viel Treibstoff. Aber nicht nur wir, auch die Mühlen haben zu wenig Treibstoff und können deshalb nur begrenzt Mehl mahlen. Wie viel Brot wir hier backen können, hängt also auch von den Mühlen ab."

Staat kann sich kein Benzin mehr leisten

Der Staat bietet Bäcker Shaalan und den Mühlen, die ihn beliefern, eine bestimmte Menge an Benzin zum Kauf an. Mehr gibt es auf offiziellem Wege nicht, denn für die Einfuhr von mehr Treibstoff fehlen dem Staat die Devisen. Und Benzin ist teuer geworden. Da die libanesischen Zentralbank die Subventionen gekürzt hat, hat sich der Preis in den zurückliegenden drei Monaten mehr als verdreifacht.

Der Präsident der libanesischen Bäckergewerkschaft, Ali Ibrahim, warnt, dass einige Bäckereien kurz vor der Schließung stünden. Ihnen gehe das Mehl aus, sagt er im Interview mit dem arabischen Sender Al Ghad: "Wir haben Angst, dass es der Regierung nicht gelingt, weiterhin Treibstoff zur Verfügung zu stellen. Wenn sie das nicht sicherstellen, können wir nicht für genügend Brot sorgen."

Nicht nur Wirtschafts-, auch Regierungskrise

Nicht nur im Bäckereigewerbe hat man Sorge. Der Libanon steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte. Der Staatshaushalt ist marode, das libanesische Pfund hat in acht Monaten mehr als 80 Prozent an Wert verloren. Die internationale Gemeinschaft hat Hunderte Millionen Euro zur Unterstützung zugesagt. Doch das Geld ist an die Bedingung geknüpft, dass der Libanon eine Regierung bildet, die notwendige Reformen umsetzt.

Bäcker Shaalan hat kein Verständnis dafür, dass die Führungsriege gespalten ist und sich seit dem Rücktritt der letzten Regierung - nach der Explosion im Hafen von Beirut vor mehr als einem Jahr - immer noch nicht einigen kann. "Damit sich unsere Situation verbessert, brauchen wir endlich eine Regierung", klagt Shaalan. "Ihre Arbeit sollte sich zunächst auf die wirtschaftlichen und finanziellen Probleme fokussieren. Sie soll einen Fahrplan erstellen, was getan werden muss, um die Lage hier im Land zu verbessern."

Shaalan weiß, dass die Zeit drängt. Er sieht jeden Tag ein paar Menschen mehr, denen das Geld ausgeht. Und denen es schwer fällt, selbst das Nötigste zu kaufen - Brot.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 09. September 2021 um 05:40 Uhr.