Häuserzeile mit Altbauten in einer Innenstadt.
analyse

Zu knappes Angebot Warum die Wohnungsnot noch schlimmer werden wird

Stand: 25.02.2025 04:18 Uhr

Schon seit Jahren sind Mietwohnungen knapp und teuer. Die von der Politik versprochene Wende am Bau ist ausgeblieben. Die Wohnungsnot wird zu einer der größten Baustellen für die nächste Regierung.

Von Nicole Würth, SR

Anne Haferkorn und Georg Stein suchen dringend nach einer bezahlbaren Wohnung. Mit zwei Kindern und Homeoffice benötigt die Familie mindestens eine Vier-Zimmer-Wohnung in Speyer (Rheinland-Pfalz) oder Umgebung. Etwa 1.600 Euro warm könnten sie monatlich aufbringen.

"Wir haben Aushänge gemacht in Altersheimen und in Kindergärten, wir haben Zettel verteilt, wir haben Leute auf der Straße angesprochen oder im Café, Annoncen geschaltet in der Zeitung, und wir sind bei Kleinanzeigen. Die Konkurrenz ist einfach zu groß". Es sei schon demütigend, wenn nichts zurückkomme, klagt der junge Familienvater.

Einfacher Standard kaum bezahlbar

Seit Jahren galoppieren die Mieten quer durch alle Preissegmente. Nach Angaben des Forschungsinstitutes empirica kostete 2024 eine 60-Quadratmeter-Wohnung mit einfachem Standard in Berlin 650 Euro kalt. Andere Städte wie etwa Frankfurt am Main oder Stuttgart sind mit 790 Euro und 800 Euro noch teurer. München ist mit 1.150 Euro Kaltmiete Spitzenreiter. Selbst mit guten und sicheren Jobs hagelt es Absagen.

"Hinten runter fallen häufig schon Menschen wie Polizisten, Krankenschwestern, aber auch natürlich Alleinerziehende und diejenigen mit ausländischem Nachnamen. Das sind die, die es besonders schlecht haben, aber eigentlich ist inzwischen die Gesellschaft insgesamt betroffen, nicht nur die mit niedrigem Einkommen", sagt Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund.

Dabei war das Problem schon seit mehreren Legislaturperioden bekannt. Im Kampf gegen hohe Mieten wollte die Ampel den Wohnungsbau vorantreiben. 400.000 Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte, sollten gebaut werden. Nach Schätzungen von Experten wurden 2024 aber nur knapp über die Hälfte gebaut.

Baubranche steckt in der Krise

Laut Siebenkotten sollte niemand mehr als ein Drittel des verfügbaren Nettohaushaltseinkommens für das Wohnen aufwenden müssen. Tatsächlich würden Millionen von Menschen aber über 40 Prozent und Hunderttausende über 50 Prozent aufbringen.

Die Baubranche steckt indessen tief in der Krise. Die Verunsicherung bei Kaufwilligen ist überall spürbar. Lars Diehl ist Projektleiter bei Krieger + Schramm Frankfurt RheinMain GmbH & Co. KG. Die abwartende Haltung begründen viele Kunden ihm gegenüber damit, dass sie auf sinkende Zinsen oder fallende Baukosten hoffen.

Er selbst befürchtet, dass das Bauen künftig neu teurer wird. Viele Mitarbeitende hätten die Branche aufgrund der Krise verlassen. Wenn wieder mehr gebaut werden könne, dann fehle das Personal. "Wir benötigen unbedingt Fachkräfte aus dem Ausland, um diese Lücken zu füllen, aber auch diese Leute benötigen dann Wohnraum, und das erschwert wieder die Situation", sagt Diehl. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage werden zudem viel weniger Ein- und Zweifamilienhäuser gebaut als noch vor ein paar Jahren.

Lage für Mieter könnte sich verschärfen

Der Ökonom Matthias Günther vom Pestel Institut geht davon aus, dass die Lage für Mieter dadurch zusätzlich verschärft wird: "Wo früher ein privater Haushalt mit 1.100 bis 1.200 Euro ein Einfamilienhaus finanzieren konnte, braucht er heute eben 1.700 bis 1.800 Euro, und da wird es denn schon knapp bei vielen Haushalten, das können sich viele nicht mehr leisten." Und das sei natürlich auch ein Problem für den Mietwohnungsmarkt. "Weil diese ausbleibende Wohneigentumsbildung einfach dazu führt, dass die Leute in ihren Mietwohnungen bleiben und keine Mietwohnungen mehr frei machen".

Vor allem Sozialwohnungen fehlen. Laut Günther gab es 1987 etwa vier Millionen Sozialwohnungen allein in Westdeutschland. Heute sind es nur noch 1,1 Millionen, das sind weniger als fünf Prozent des Mietwohnungsbestandes. Damit gebe es keinen preisdämpfenden Einfluss mehr.

Bei Bürgergeldempfängern übernimmt der Staat die Kosten der Unterkunft. Kritiker bemängeln, dass er dabei oft zu bereitwillig die von Vermietern vorgegebenen hohen Mieten akzeptiere. "Wenn in einzelnen Städten Kosten der Unterkunft von zwölf Euro pro Quadratmeter und mehr gezahlt werden, dann kann sich das der Normale im niedrigen Einkommensbereich gar nicht mehr leisten, aber die Bürgergeldempfänger wohnen in diesen Wohnungen, und da wird es eben gesellschaftlich sehr, sehr schwierig, und am Ende treibt der Staat damit auch ein Stück weit die Mieten, wenn er diese hohen Kosten der Unterkunft akzeptiert", so Günther.

Keine Gewinnmaximierung in Reutlingen

Lösungsansätze gibt es, etwa in Reutlingen in Baden-Württemberg. Dort kämpft Oberbürgermeister Thomas Keck gegen die Wohnungsnot. Gewinnmaximierung sei im öffentlichen Wohnungsbau ein Fehlweg. Man müsse bereit sein, die Renditeerwartung herunterzuschrauben, dann könne man auch Wohnungen bauen.

Vor kurzem entstand in Reutlingen ein Wohnquartier mit insgesamt 76 Wohnungen. Die Durchschnittsmiete der öffentlich geförderten Einheiten liegt bei 8,88 Euro pro Quadratmeter, aber auch bei den frei finanzierten Wohnungen bleibt man deutlich unter dem Mietspiegel.

Höhere Steuern für Superreiche?

Ein erster Schritt, allerdings müssten künftig alle Akteure anpacken, um der Wohnungsnot entgegenzutreten. "Die öffentliche Hand, Werkswohnungsbau über die Betriebe, Institutionen, Kirchen, Gewerkschaften: Nur wenn alle am selben Strang ziehen, wird es vielleicht gelingen, auf eine Distanz von 30 Jahren wieder den Sozialwohnungsbestand aufzubauen, den wir in Deutschland in den 1970er- und 1980er-Jahren mal hatten", so Keck.

Genug Wohnungen in 30 Jahren? Damit das klappen kann, fordern Verbände für die Finanzierung unter anderem eine höhere Erbschaftssteuer für Superreiche und neue unbürokratische Förderprogramme, aber selbst dann würde die Lage erst einmal noch schlimmer werden. Denn Wohnungen, die heute nicht gebaut werden, kann man morgen nicht beziehen. Für die kommende Regierung wird es eine Mammutaufgabe, zumindest erste Schritte für eine Wende einzuleiten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 21. Januar 2025 um 11:51 Uhr.