In Plastik verpackte Obststücke.
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Aktivere Rolle für Verbraucher Mit mehr Recycling gegen den Verpackungsmüll

Stand: 24.10.2023 15:15 Uhr

Die EU sagt Einmalverpackungen den Kampf an, sie will mit einer neuen Verordnung den Verpackungsmüll drastisch senken. Doch was bedeutet das konkret für Unternehmen und Verbraucher?

Von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion

Was ist die EU-Verpackungsverordnung?

Bei der "Verpackungs- und Verpackungsabfallverordnung" handelt es sich um einen Vorschlag der EU-Kommission vom November 2022, der heute den Umweltausschuss des EU-Parlaments passiert hat. Danach sollen Unternehmen einen gewissen Anteil ihrer Produkte künftig in wiederverwendbaren Verpackungen anbieten müssen. Ein verpflichtendes Pfandsystem etwa für Kunststoffflaschen ist ebenso vorgesehen wie eine verbindliche Quote für den Anteil an recyceltem Material, der in neuen Kunststoffverpackungen enthalten sein muss.

Welche Regelung gilt bisher?

Bislang gilt in der EU die "Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle" aus dem Jahr 1994. Diese überlässt es den einzelnen EU-Ländern, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um den Verpackungsmüll zu verringern. Folglich gibt es derzeit in Europa eine Vielzahl unterschiedlicher Vorgaben, die Unternehmen berücksichtigen müssen.

Welches Ziel verfolgt die EU mit ihrem Vorschlag?

Ziel der EU-Kommission ist es, die Umweltverschmutzung durch Verpackungsmaterialien zu reduzieren und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft für Verpackungen zu fördern. 2021 verursachte jeder EU-Bürger und jede EU-Bürgerin im Schnitt 189 Kilogramm Verpackungsmüll. Ohne zusätzliche Maßnahmen würde diese Zahl bis Ende des Jahrzehnts auf 209 Kilogramm steigen, rechnet die Brüsseler Behörde vor. Würden jedoch alle Maßnahmen des Vorschlags umgesetzt, so würde dies die durch Verpackungen verursachten Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 auf 43 Millionen Tonnen senken gegenüber 66 Millionen Tonnen im Szenario mit unveränderten Bedingungen.

Warum sieht die EU hier Handlungsbedarf?

Die derzeit geltende Verpackungsrichtlinie hat die negativen Umweltauswirkungen von Verpackungen nicht verringern können. Aktuell nimmt das Abfallaufkommen mit einem Anstieg von mehr als 20 Prozent allein in den vergangenen zehn Jahren - insbesondere bei Einwegverpackungen - schneller zu als das tatsächliche Recycling. Ohne zusätzliche Maßnahmen würde die Menge an Kunststoffabfällen der EU-Kommission zufolge bis 2030 um 46 und bis 2040 um 61 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018 zunehmen. Die neue Verpackungsverordnung soll die Branche auf den Weg zur Klimaneutralität bis 2050 bringen - und damit auch mit den Zielen des europäischen Grünen Deals im Einklang stehen.

Die neue EU-Verpackungsverordnung - für wen gilt sie?

Sobald die Verpackungsverordnung in Kraft tritt, gilt sie für alle in der EU ansässigen Unternehmen, aber auch für alle außereuropäischen Hersteller, die Verpackungen in die EU einführen. Sie betrifft also inländische und importierte Produkte gleichermaßen. Die bislang unterschiedlichen Anforderungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten würden entfallen.

Welche Branchen sind besonders betroffen?

Das geplante Verbot bestimmter Einwegverpackungen trifft einige Branchen besonders deutlich - allen voran die Lebensmittelindustrie, die Gastronomie, die Hotellerie und die Kosmetikindustrie. Schließlich gilt das Verbot etwa für Einwegverpackungen für frisches Obst und Gemüse, Verpackungen für Speisen und Getränke in Hotels und Restaurants und kleine Hotelverpackungen für Kosmetik- und Hygieneartikel.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Auf die Unternehmen kämen neue, striktere Vorgaben zu, die sie zu erfüllen haben, wollten sie ihre Produkte weiter in der EU verkaufen. Doch die stärkere Harmonisierung der Verpackungsvorgaben innerhalb der EU ist auch eine Chance für die Konzerne. Schließlich entstehen den Unternehmen durch die derzeitigen unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Ländern auch unnötige Kosten. Die Recyclingbranche dürfte zu den großen Profiteuren gehören, Umsatz und Gewinn sollten steigen. Zugleich würden hier neue Jobs entstehen, die wiederum bei den Produzenten von Einwegverpackungen wegfallen dürften.

Was ändert sich für Verbraucher?

Oftmals wissen Verbraucher derzeit gar nicht, welche Verpackung in welche Mülltonne gehört. Das soll sich mit der neuen Verpackungsverordnung ändern. Dazu soll jede Verpackung ein EU-einheitliches Etikett bekommen, aus dem klar hervorgeht, woraus sie besteht und wie sie konkret entsorgt werden soll. Die Abfallsammelbehälter sollen mit denselben Etiketten gekennzeichnet werden. Für Verbraucher ist damit sofort klar, welche Art von Verpackung wo entsorgt werden soll. Für Kunststoffflaschen und Aluminiumdosen soll es außerdem verpflichtende Pfandsysteme geben, sollen wiederverwendbare und wiederauffüllbare Verpackungen klar gekennzeichnet werden. Verbraucher können zudem eigene Behälter mitbringen, um Take-away-Essen oder -Getränke abzuholen - und so unterm Strich eine aktivere Rolle bei der Abfallreduzierung spielen.

Wie lautet die Kritik der Papier-Verpackungsindustrie?

Die European Paper Packaging Alliance (EPPA) in Brüssel moniert, "der Vorschlag der Kommission würde zu einer Flut von Hartplastikprodukten auf den europäischen Märkten führen, die letztlich in den Flüssen, Meeren und Deponien landen würden". Der EPPA zufolge verbrauchen wiederverwendbare Verpackungen mehr Wasser. Zudem seien sie weniger hygienisch und verursachten höhere Kosten sowie einen höheren CO2-Verbrauch im Vergleich zu Einwegverpackungen aus Papier.

Was sagen Umweltverbände dazu?

Umweltschutzorganisationen wie WWF, NABU und DUH begrüßen den Kommissionsvorschlag, fordern aber noch ambitioniertere Ziele. So bemängelt etwa der NABU die fehlenden Mehrwegquoten für den Lebensmittelbereich. Gebraucht werde zudem eine Mehrweg-Alternative zu den extrem energieintensiven Einweggläsern.

Wann treten die neuen Regelungen in Kraft?

Heute hat der Umweltausschuss des EU-Parlaments mit 56 Ja-Stimmen für den Vorschlag der EU-Kommission gestimmt. Die Abstimmung im vollen Plenum soll nun in der zweiten November-Sitzung erfolgen. Bevor die neuen Regeln in Kraft treten können, muss das Parlament aber noch mit den Ländern verhandeln. Dabei dürften dann auch die konkreten Quoten festgelegt werden, wie hoch der Anteil an recycelten Materialien bei Verpackungen bis 2030 und 2040 sein soll. Experten rechnen mit einer endgültigen Fassung erst im kommenden Jahr, die Umsetzung könnte dann 2025 beginnen. Bis dahin gilt weiterhin die alte EU-Richtlinie von 1994.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. Januar 2023 um 11:30 Uhr und der NDR am 15. März 2023 um 20:15 Uhr in der Sendung "Die Tricks".