Aus für Maestro-Funktion Naht das Ende der Girocard?
Dank der Maestro-Funktion können Deutsche im Ausland mit ihrer normalen Girocard bezahlen. Bald werden die zwei farbigen Kreise allerdings verschwinden - mit Folgen für Verbraucher?
Ob sie Kunden sind der Sparkasse, Volksbank oder Deutschen Bank - die meisten Deutschen dürften den blauen und roten Punkt auf ihrer Bankkarte kennen. Das Logo gehört zur sogenannten Maestro-Funktion. Dieses System lässt Mastercard bald auslaufen, wie der US-Kreditkartenanbieter in dieser Woche offiziell bestätigte.
Insgesamt 400 Millionen Maestro-Karten sind nach Angaben von Mastercard europaweit im Umlauf. Auch in Deutschland ist der Großteil der etwa 100 Millionen Girokarten mit Maestro ausgerüstet. Aber was ändert sich durch die Ankündigung? Und wofür benötigen Verbraucher die Funktion überhaupt?
Wozu die Maestro-Funktion gut ist
"In Deutschland haben wir ein Zahlungsverfahren, das extrem erfolgreich ist und super funktioniert: die Girocard als klassisch deutsches Debit-Zahlungssystem", erklärt Jürgen Moormann, Professor für Bank- und Prozessmanagement an der Frankfurt School of Finance & Management, im Gespräch mit tagesschau.de. Allerdings habe die Girocard zwei große Nachteile: Zum einen sei sie nicht geeignet für E-Commerce sowie für Zahlungen zwischen Einzelpersonen.
Zum anderen funktioniere das Verfahren historisch begründet nur in Deutschland, da die Abwicklung über die von der Deutschen Kreditwirtschaft autorisierten Netzbetreiber erfolgt. "Damit eine Abwicklung der Girocard auch im europäischen Ausland möglich ist, ist eine Kooperation mit Organisationen wie Mastercard nötig. Das Verfahren dahinter heißt Maestro", so Moormann. Dadurch könne beispielsweise auch in einem österreichischen Supermarkt bezahlt werden. Neben Maestro gibt es zudem mit V-Pay ein Pendant des Konkurrenten Visa.
Die Girocard, früher EC-Karte genannt, gehört zu einem reinen deutschen System. Verbraucher können mit ihr Geld abheben oder in Geschäften bezahlen. Der jeweilige Betrag wird direkt vom Guthaben des Girokontos abgebucht. Der Sammelbegriff für solche Zahlungen ist die Debitkarte. Dazu gehören auch Karten des bekannten Maestro-Systems, das der Anbieter Mastercard auslaufen lässt.
Im Gegensatz dazu sind Kreditkarten Karten, mit denen auf Kredit - also aus einem nicht existierenden Guthaben - bezahlt werden kann. "Die Grenzen sind dabei aber schwimmend", sagt Jürgen Moormann von der Frankfurt School of Finance & Management. Der gesammelte Schuldenbetrag werde beispielsweise nach einem Monat abgebucht - teilweise mit hohen Zinsen.
In Deutschland werden Karten von Anbietern wie Visa oder Mastercard häufig als Debitkarten ausgegeben. Das heißt: Auf den ersten Blick ist kaum erkennbar, dass es sich nicht um eine "echte" Kreditkarte handelt. Auf der Vorderseite ist dann beispielsweise das Visa-Logo aufgedruckt; die kleine Kennzeichnung auf der Rückseite "Debit Card" verrät allerdings, dass es sich um eine Debitkarte handelt - bezahlte Beträge also sofort vom Konto abgebucht werden. Bei einer Kreditkarte steht auf der Rückseite "Credit Card".
Karten werden ersetzt
Was zunächst "Finanz-Szene.de" und das "Handelsblatt" berichteten, bestätigte mittlerweile auch Mastercard: Ab Juli 2023 ist in ganz Europa Schluss mit der Ausgabe neuer Maestro-Karten. Dann werden Banken damit beginnen, abgelaufene oder verlorene zu ersetzen.
Die übrigen Karten behalten ihre Gültigkeit bis zum Laufzeitende. Experten rechnen allerdings damit, dass die Maestro-Funktion schon eher verschwinden könnte. Denn sowohl die Banken als auch Händler und Geldautomatenbetreiber könnten sich bereits früher an die Entwicklung anpassen. "Es ist ein riesiger Hammer, dass Mastercard die Maestro-Funktion abschaffen will", sagt Moormann.
"Anbieter wollen Marktmacht ausdehnen"
Zur Begründung verweist Mastercard auf die wachsende E-Commerce-Branche. In der heutigen Zeit, "wo das Wachstum im Onlinehandel das im Einzelhandel weit übertrifft", sei es nötig, die Maestro-Karte zu erneuern, so Managerin Valerie Nowak in einem Blogeintrag auf der Homepage des Unternehmens. Denn "nachdem sie ursprünglich für eine physische Welt geschaffen wurde", könne sie nicht durchgängig für Zahlungen im Internet genutzt werden und müsse an den digitalen Lebensstil angepasst werden.
Bankenexperte Moormann glaubt jedoch an einen anderen Grund: "Es geht einfach darum, dass die beiden Kreditkartenanbieter ihre Marktmacht ausdehnen wollen." Denn die reinen Mastercard- und Visa-Debitkarten haben hierzulande Schätzungen zufolge lediglich einen Marktanteil von unter einem Prozent. Die beliebte Girocard werde dagegen bei 44 Prozent der stationären Umsätze genutzt. "Die US-Konzerne Mastercard und auch Visa pushen derzeit ihre eigenen Zahlungskartensysteme, also Debitkarten", sagte auch Claudio Zeitz-Brandmeyer vom Verbraucherzentrale-Bundesverband der Nachrichtenagentur dpa.
Institute brauchen neuen Partner
Was ändert sich für Banken und Sparkassen? "Mittelfristig wird sich definitiv etwas verändern", betont Moormann. Erst einmal müssten die deutschen Institute einen anderen Partner finden. Da biete sich vor allem V-Pay an. Branchenkenner erwarten allerdings, dass auch Visa bald nachzieht und seine Funktion ebenfalls auflöst.
Alternativen gibt es kaum, denn die beiden Anbieter dominieren den Markt - und verfolgen eine aggressive Strategie. "Es gibt verschiedene Banken wie die DKB oder Comdirect, die durch attraktive Konditionen überzeugt worden sind, dass man den Kunden statt einer üblichen Girocard nur noch eine reine Visa- oder Mastercard-Debitkarte geben sollte", sagt der Experte.
Mehrere Bezahlsysteme
Die genossenschaftliche Bankengruppe prüft seit einigen Monaten Möglichkeiten zur Ausgestaltung des "Co-Badgings" zur Girocard. Von "Co-Badging" spricht man, wenn eine Bankkarte über mehrere Bezahlverfahren verfügt. Der Sparkassen- und Giroverband verweist darauf, dass mit der Kombination der Debitzahlverfahren Girocard sowie Debit Mastercard (DMC) bereits eine neue Generation der Sparkassen-Card geschaffen worden sei. Diese stehe den Instituten der Finanzgruppe als mögliches Nachfolgeprodukt zur Verfügung.
Und dennoch: Ohne Maestro und V-Pay haben die beiden Pioniere noch mehr Macht, um weitere Geldhäuser für die hauseigenen Lösungen zu gewinnen. "Ich wüsste nicht, warum Mastercard und Visa ein neues Co-Badging eingehen sollten", so Moormann. Ein möglicher Deal sei eine Illusion. Die Abhängigkeit der Banken und Sparkassen von Mastercard und Visa könnte somit weiter steigen.
Mehrkosten für Händler - und auch Verbraucher?
Verbraucher können ihre Girocard mit dem Maestro-Symbol bis zum Ende der Laufzeit - spätestens bis zum 31. Dezember 2027 - problemlos weiter einsetzen, wie der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) mitteilte. Verbraucher, die nach Ablauf des Gültigkeitsdatums turnusgemäß eine neue Karte erhielten, würden auf dieser lediglich ein anderes Akzeptanzsymbol anstelle von Maestro sehen. Auch damit werde die europäische oder weltweite Akzeptanz der Girocard an Geldautomaten oder beim Einkauf an der Kasse möglich sein.
"Man muss aber berücksichtigen, dass wir aktuell sehr niedrige Kosten bei der Kartenzahlung haben", so Experte Moormann. Händler als Akzeptanzstellen müssen unterschiedlich hohe Gebühren dafür bezahlen, dass sie eine Kartenzahlung anbieten. Bei Mastercard und Visa fallen diese höher aus.
Wenn die Gircocard langsam aus dem Verkehr gezogen werde, bleibe nur eine Karte, die über die Infrastruktur von Mastercard oder Visa läuft, sagt Moormann. "Die entsprechenden Mehrkosten wird der Händler vermutlich an die Konsumenten weitergeben."
Mögliches Zahlungssystem aus Europa
"Ich bin ziemlich sicher, dass die Girocard mittelfristig verschwinden wird", so Moormann gegenüber tagesschau.de. Denn diese werde immer weniger attraktiv und sei ein Auslaufmodell - gerade ohne E-Commerce-Funktion. Daher gebe es nur zwei Optionen: "Entweder der Zahlungsverkehr wird noch stärker in die amerikanische Hand übergehen oder es gelingt, die European Payment Initiative EPI auf den Markt zu bringen."
Derzeit prüfen 30 europäische Banken, ob sie ein eigenes Zahlungssystem aufbauen können. Die Idee dabei ist, ein Gegengewicht zu den US-Unternehmen zu etablieren und das Ganze nicht komplett aus der Hand zu geben. Eine Entscheidung wird noch für dieses Jahr erwartet. Moormann hofft auf einen Erfolg: "Sonst können wir in Europa endgültig einpacken." Denn wer den Zahlungsverkehr steuere, weiß, was die Kunden machen.