Gas- und Strompreisbremse Kassieren Energieversorger Subventionen ab?
Zum Jahreswechsel haben viele Fernwärmeversorger noch einmal kräftig die Preise erhöht. Der Staat entlastet die Bürger und subventioniert diese hohen Preise. Das nutzen einige Unternehmen aus.
Vielen Kunden von Fernwärme flatterten zuletzt massive Preiserhöhungen ins Haus. Einige Versorger haben dabei offensichtlich gegen gesetzliche Vorgaben und die Fernwärmeverordnung verstoßen. Zugleich missachten sie die Rechtsprechung des BGH. Trotzdem verlangen Energieversorger im Rahmen der Preisbremsen jetzt staatliche Subventionen.
Energierechtsexperte Werner Dorß bezeichnet dieses Vorgehen dem ARD-Magazin Plusminus gegenüber als Verdacht auf Subventionsbetrug. Den Unternehmen drohen Rückzahlung und Bußgelder, denn das Bundeskartellamt hat die Befugnis, die Preisbremsen zu überwachen und Missbrauch zu ahnden. Der Bonner Behörde fehlt es aber an Personal.
Der Mechanismus Preisbremse
Der Fernwärmepreis setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Entscheidend ist der sogenannte Arbeitspreis. Mit ihm wird der Wärmeverbrauch abgerechnet. Meist erfolgt das mit komplizierten Formeln.
Diesen Arbeitspreis hat die Regierung für die Kunden von Fernwärme auf 9,5 Cent brutto pro Kilowattstunde gedeckelt. Was ein Versorger darüber hinaus berechnet, übernimmt für 80 Prozent des Verbrauchs der Staat. Da ist die Versuchung offenbar groß, die Preise nach oben zu treiben.
Preise drastisch gestiegen
Die Stadtwerke Erkrath/Hochdahl in der Nähe von Düsseldorf zum Beispiel haben die Abschlagszahlungen seit Januar ohne Berücksichtigung der Preisbremse um etwa 50 Prozent gegenüber den monatlichen Kosten der vergangenen Abrechnung erhöht. Dabei sind die Energiepreise, die zur Erzeugung der Wärme benötigt werden, inzwischen wieder in etwa auf das Niveau vor Beginn des Ukraine-Kriegs gesunken.
Laut Paragraph 11 des Gas- und Wärmepreisbremsengesetzes sind die Versorger verpflichtet, den Kunden den aktuell angesetzten Arbeitspreis mitzuteilen. Die Stadtwerke Erkrath/Hochdahl unterlassen das, geben nur eine Gesamtabschlagszahlung an. Auf Nachfrage von Plusminus antworten die Stadtwerke: "Die Preisberechnung für 2023 erfolgt nach Vorliegen aller statistischen Werte im ersten Quartal 2024."
Auf die Frage, ob dann vielleicht ungerechtfertigt staatliche Subventionen bezogen werden, teilt man uns mit: Diese Zahlungen würden ja nur unter Vorbehalt der Rückforderung erfolgen. Mit anderen Worten: Die Stadtwerke beantragen Subventionen für die Wärme. Wenn diese zu hoch sein sollten, wird sie der Staat schon wieder zurückfordern.
Verstöße gegen die Fernwärmeverordnung
In Wuppertal hat sich der Arbeitspreis für die Fernwärme von Januar 2021 auf Januar 2023 von etwa vier auf rund 46 Cent mehr als verzehnfacht. Zur Erinnerung: Der Deckel der Preisbremse liegt bei 9,5 Cent pro Kilowattstunde. Die dortigen Stadtwerke können also für jede gelieferte Kilowattstunde Energie rund 37 Cent Subvention beantragen.
Thomas Brix, Eigentümer eines Mehrfamilienhauses und Vermieter, rechnet Plusminus vor: Allein für sein Haus lägen die Subventionen in diesem Jahr bei etwa 30.000 Euro. Als Steuerzahler müsse er das mitbezahlen, beschwert er sich. Er könne in keiner Weise nachvollziehen, ob das gerechtfertigt sei. In seinen Unterlagen sieht Brix, dass die Stadtwerke bei der Berechnung des Preises als Energieträger ausschließlich Gas angeben. Dabei kommt die Fernwärme in Wuppertal überwiegend aus dem örtlichen Müllheizkraftwerk - also aus Abwärme, die sowieso bei der Verbrennung des Mülls entsteht. In einer aktuellen energetischen Bescheinigung der Stadtwerke sind 90,6 Prozent Deckungsanteil aus Abfall notiert, lediglich gut fünf Prozent Gas plus sonstige Quellen. Dürfen die Stadtwerke dann nur Gas abrechnen?
Der Energierechtsexperten Dorß kritisiert dieses Vorgehen scharf: "Es widerspricht der Fernwärmeverordnung, der AVB Fernwärme V Paragraph 24, und es widerspricht jetzt zehnjähriger höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der zu diesen Fragen mehrfach und sehr präzise und eindeutig entschieden hat, das darf so nicht sein." Zudem werde in Wuppertal ein intransparenter und sehr teurer Börsenpreis für Gas verrechnet, was ebenfalls der Fernwärmeverordnung widerspreche.
Verdacht auf Subventionsbetrug
Ein sehr teurer Wärmepreis, den der Staat subventioniert - errechnet mit Gesetzesverstößen und einem Brennstoff, der schwerpunktmäßig gar nicht eingesetzt wird: Das Vorgehen der Stadtwerke Wuppertal ist für Dorß ein klarer Fall. "Das Ganze gibt deutliche Verdachtsmomente in Richtung auf gewerbsmäßigen Betrug. Und vor dem Hintergrund der staatlichen Förderung aus Steuermitteln zeigt das dann in die Richtung Verdacht auf Subventionsbetrug. Wir können hier den betroffenen Kunden vor Ort nur raten, Zahlungen ab sofort nur unter ausdrücklichem Zahlungsvorbehalt zu leisten und eingehenden Abrechnungen schriftlich zu widersprechen."
Auf die konkrete Frage zum Verdacht von Juristen auf Subventionsbetrug erhält Plusminus von den Stadtwerken Wuppertal keine Antwort. Schriftlich heißt es: "Die Behauptung gegen die AVB Fernwärme Verordnung zu verstoßen […] weisen wir entschieden und eindeutig zurück." Zum Vorwurf, trotz Müllheizkraftwerk ausschließlich teures Gas zu verrechnen, heißt es, man überarbeite gerade die Preisformel und wolle sie 2024 ändern.
Verbraucherschützer werden aktiv
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat im vergangenen Herbst analysiert, dass ein Drittel der untersuchten Versorger gegen die Fernwärmeverordnung verstößt und zum Beispiel Preisberechnungen nicht veröffentlicht.
Thomas Engelke vom vzbv will nicht alle unter Generalverdacht stellen, sieht aber bei so wenig Transparenz die Gefahr von Subventionsmissbrauch. Zumal sich nun zum Jahreswechsel viele Verbraucher über drastische Preissprünge beschwert hätten. Der Verbraucherzentrale Bundesverband werde sich das genau anschauen und rechtliche Konsequenzen prüfen. Engelke fordert "deutlich mehr Transparenz im Fernwärmebereich und zudem endlich eine bundesweite Preisaufsicht, die zum Beispiel bei der Bundesnetzagentur installiert werden könnte."
Bundeskartellamt fehlt Personal
Seit Jahreswechsel hat das Bundeskartellamt die Befugnis erhalten, die Preisbremsen zu überwachen, um die Steuerzahler vor Subventionsmissbrauch durch Energieversorger zu schützen. Präsident Andreas Mundt hat eine eigene Sondereinheit dafür eingerichtet. Um schwarzen Schafen auf die Spur zu kommen, müssen alle Unternehmen, die Subventionen im Rahmen der Preisbremsen in Anspruch nehmen, Angaben machen.
Doch das nötige Personal zur Überwachung müsse der Bundestag erst noch freigeben, so Mundt. Am Ende sollten es knapp 19 Stellen sein, die könnten aber frühestens 2024 kommen, weil dann erst der neue Haushalt verabschiedet werde. Es wird daher noch dauern, bis die Bonner Behörde Verdachtsfällen auf Subventionsmissbrauch mit vollem Nachdruck nachgehen kann.
Ergänzung (Stand 24. Oktober 2023):
Auf Grund der Recherchen von ARD Plusminus hatte die Staatsanwaltschaft Wuppertal noch im März 2023 eine Prüfung des Anfangsverdachts gegen die WSW Energie & Wasser AG in die Wege geleitet.
Die Prüfung wurde im Juli abgeschlossen und die Aufnahme von Ermittlungen u.a. wegen Subventionsbetrugs abgelehnt. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für etwaig begangene Straftaten lägen nach dem Ergebnis der durchgeführten Prüfung nicht vor, so die Staatsanwaltschaft. Weiter heißt es in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft vom 27.7.23: "Ob die vertraglich vereinbarte Koppelung des Fernwärmepreises an die Gaspreise, die in den vergangenen Jahren auch bei niedrigen Gaspreisen vorgenommen worden ist, sachgerecht oder gegebenenfalls zivilrechtlich angreifbar erscheint, ist für die strafrechtliche Beurteilung des Geschehens nicht von Belang und mithin hier auch nicht zu beurteilen gewesen."
Die Prüfung des Bundeskartellamtes gegen Fernwärmeversorger im Rahmen der Missbrauchsaufsicht über Energiepreisbremsen laufen noch.