Rettungsplan vorerst gescheitert US-Kongress gibt Gelder für US-Autoindustrie nicht frei
Die tagelangen Verhandlungen über milliardenschwere Hilfen für die schwer angeschlagene US-Autoindustrie sind im US-Kongress vorläufig gescheitert: Die Unternehmen konnten nicht erklären, wie sie das Geld einsetzen wollen. Sie erhielten aber eine weitere Chance, wenn sie bis zum 2. Dezember darlegten, wie sie die Hilfen im Umfang von 25 Milliarden Dollar verwenden wollten.
Von Klaus Kastan, BR-Hörfunkstudio Washington
Inzwischen weiß es jeder in den Vereinigten Staaten: Die Uhr tickt für General Motors, Ford und Chrysler. Spätestens am Jahresende geht den drei großen amerikanischen Autokonzernen das Geld aus. Gestern kam für kurze Zeit Hoffnung für die Mitarbeiter der Unternehmen auf, als es hieß, der Kongress werde einen milliardenschweren Rettungsplan verabschieden.
Der US-Kongress lehnte das Hilfspaket vorerst ab.
Kein Blankoscheck für Konzerne
Doch dann trat Nancy Pelosi, die mächtige Präsidentin des Repräsentantenhauses, vor die Mikrofone und meinte: "Bis sie uns nicht sagen, wie sie das Geld zur Rettung ihrer Firmen einsetzen wollen, können wir ihnen kein Geld geben."
Und mit "sie" waren die drei Vorstandsvorsitzenden der Detroiter Autokonzerne gemeint, die bereits am Dienstag und Mittwoch die Kongressmitglieder um eine Geldspritze angefleht hatten. 25 Milliarden Dollar aus dem Bankenrettungsplan sollten die notleidenden Unternehmen erhalten, um einen Konkurs zu verhindern. Doch dieser Plan, das stand gestern am späten Nachmittag fest, war weder im Senat noch im Repräsentantenhaus mehrheitsfähig.
Eine zweite Chance im Dezember
Das war die schlechte Nachricht für die Konzerne - aber Harry Reid, der demokratische Fraktionschef, konnte sie dann doch noch beruhigen. Wenn die Verantwortlichen Vorstände bis Anfang Dezember ein schlüssiges Konzept vorlegten, dann würde der Kongress im nächsten Monat noch einmal über einen neuen Rettungsplan abstimmen. Und dies sei auch unbedingt notwendig, meinte der Senator George Voinowich, denn: "Wenn wir das nicht hinbekommen, und die Firmen untergehen - dann werden wir eine ganz tiefe Rezession bekommen und ganz offen gesprochen: Ich glaube, wir werden dann über die Klippe springen."
Der Bankrott als Chance?
Das ist die eine Meinung - andere, vor allem Kongressmitglieder der republikanischen Partei, sähen es lieber, wenn die Konzerne in Konkurs gingen und Gläubigerschutz anmelden würden. Dann gäbe es die Chance eines völligen Neuanfangs - ohne einen großen Schuldenberg. Und die kostspieligen Tarifverträge könnten dann sogar neu ausgehandelt werden, mit günstigeren Konditionen für den Arbeitgeber, so die Argumentation.
"Chapter 11" beschreibt eines von mehreren Verfahren des US-Konkursrechts. Wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig ist, kann es Gläubigerschutz nach "Chapter 11" (Kapitel 11) beantragen. Während das Insolvenzverfahren läuft, dürfen die Gläubiger dann nicht gerichtlich gegen die angeschlagene Firma vorgehen und ihre Schulden nicht eintreiben. Eine Zwangsvollstreckung ist damit ausgeschlossen. Stattdessen werden die Gläubiger zu Anteilseignern. Das betroffene Unternehmen erhält die Chance, als Ganzes weiterzuarbeiten, und wird nicht in Einzelteile zerschlagen oder verkauft. Das Management behält zudem die Kontrolle über die Geschäfte und führt sie zunächst weiter. Parallel wird gemeinsam mit den Gläubigern ein Sanierungskonzept erarbeitet. Um in dieser Phase an frisches Geld zu kommen, setzen Unternehmen auf Kredite, Bürgschaften und staatliche Hilfen.
Millionen fürchten um ihr Einkommen
Genau das befürchten die Gewerkschaften - und so warnte gestern Ron Gettelfinger, der Chef der einflussreichen Autoarbeitergewerkschaft, vor den Konsequenzen eines Konkurses: "Drei Millionen Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Es gibt eine Million Rentner mit ihren Angehörigen, die verlieren dann vielleicht ihre Rentenansprüche und ihre Krankenversicherung. Außerdem kämen Tausende von Zulieferfirmen und Händler in Schwierigkeiten."
Kein Sparwillen bei den Privilegien
Im Dezember geht es in Washington also in eine neue Rettungs-Planrunde für die Autokonzerne. Und viele warten heute schon darauf, wie die drei Vorstandsvorsitzenden dann von Detroit nach Washington reisen werden. Mit Unmut wurde in dieser Woche aufgenommen, dass die Chefs mit ihren jeweiligen Firmenjets in die Hauptstadt eingeschwebt sind - pro Flug für 25.000 Dollar.
Ein Linienflug hätte pro Person nur 600 Dollar gekostet, rechneten den drei ein Abgeordneter vor und stellte dann die Frage: "Ich möchte von Ihnen wissen, ob Sie bereit sind, Ihre Jets zu verkaufen, um dann in Zukunft mit der Linienmaschine zu fliegen. Heben Sie den Finger, wenn sie dazu bereit sind." Fürs Protokoll: Kein Arm ging nach oben.