Neue Milliardenlasten bei VW Audi-Werk in Brüssel steht auf der Kippe
Volkswagen kämpft schon länger mit seinen E-Autos. Nun steht wegen geringer Nachfrage sogar das Audi-Werk in Brüssel auf der Kippe. Und den Wolfsburgern drohen auch noch millionenschwere Schadensersatzzahlungen in Russland.
Volkswagen stellt wegen der schwachen Nachfrage nach seinem Oberklasse-Elektroauto Audi Q8 e-tron sein Werk in Brüssel auf den Prüfstand. Die VW-Tochter Audi habe einen "Informations- und Konsultationsprozess" für das Werk eingeleitet, um eine Lösung für den Standort mit etwa 3.000 Mitarbeitern zu finden. "Dazu kann auch eine Einstellung des Betriebs führen, sollte keine Alternative gefunden werden", teilte Audi gestern Abend mit. Sollte das Aus für die Fertigungsstätte kommen, wäre es das erste Mal seit Jahrzehnten, dass Volkswagen ein Werk schließt.
Aus Unternehmenskreisen hieß es, der Q8 e-tron könnte im Laufe des kommenden Jahres aus dem Programm genommen werden. Das Modell ist seit 2018 auf dem Markt und das älteste Elektrofahrzeug von Audi. Inzwischen bekommt er durch die Fahrzeuge auf der neuen Premium-Plattform Konkurrenz, wie den Q6 e-tron, der mittlerweile nach jahrelanger Verzögerung auf dem Markt ist. Wie lange es dauert, bis eine Entscheidung zu dem Werk in Brüssel getroffen ist, ließ Audi offen.
"Tragfähige und nachhaltige Lösung"
Ein Unternehmen kann in Belgien ein Werk nicht einfach so schließen, sondern muss nach derzeitiger Rechtslage vorher über mögliche Alternativen verhandeln. Dieser auch "Renault-Verfahren" genannte Prozess wurde Ende der 1990er Jahre eingeführt, nachdem die unerwartete Schließung eines Renault-Werkes zu Turbulenzen geführt hatte. Aus Betriebsratskreisen hieß es, die schwierige Situation in Brüssel sei längst ein Thema über Audi hinaus. Beim Treffen des VW-Weltkonzernbetriebsrats hätten die Betriebsräte dem Vorstand eine Solidaritätserklärung übergeben.
Rita Beck, Sprecherin des Audi-Ausschusses im Europäischen VW-Konzernbetriebsrat, erklärte am Dienstag, die Arbeitnehmervertretung fordere eine zukunftsfähige Perspektive für das Werk und seine Belegschaft. "Wir hoffen, dass im Zuge der Entscheidung, im nun eingeleiteten Konsultationsprozess, eine tragfähige und nachhaltige Lösung erarbeitet wird."
Das Werk in Brüssel gilt seit längerem als Sorgenkind in dem Konzern. Die Produktionskosten dort sind höher als an anderen Standorten, unter anderem bedingt durch die Lage im Stadtgebiet der belgischen Hauptstadt.
Belastungen in Milliardenhöhe
Auch wegen der Belastungen, die durch das Brüsseler Werk entstehen, stellt sich der VW-Konzern nun auf Zusatzbelastungen in Milliardenhöhe ein. Den Konzern träfen Belastungen in Höhe von 2,6 Milliarden Euro, darunter Rückstellungen für den Personalabbau bei der Kernmarke VW Pkw in Höhe von 0,9 Milliarden Euro.
Die operative Umsatzrendite werde in diesem Jahr mit 6,5 bis sieben Prozent um einen halben Prozentpunkt geringer ausfallen als bislang vorhergesagt, teilte Volkswagen mit. Details will das Unternehmen bei der Vorlage der Quartalszahlen am 1. August nennen. Die Aktien des Unternehmens fielen nachbörslich. Die Volkswagen-Vorzüge gaben auf der Handelsplattform Tradegate um 1,1 Prozent gegenüber dem Xetra-Schluss nach.
Millionenschwere Schadensersatzzahlung an Gaz
Und eine weitere Nachricht aus Russland könnte für finanzielle Belastungen sorgen: Ein russisches Gericht hat Volkswagen zu einer millionenschweren Schadenersatzzahlung an seinen früheren Partner Gaz verurteilt. Das Gericht in Nischni Nowgorod an der Wolga habe einer Klage von Gaz am Dienstag teilweise stattgegeben und VW zur Zahlung von 16,9 Milliarden Rubel (rund 177 Millionen Euro) verurteilt, bestätigte Europas größter Autobauer auf Anfrage der dpa.
"Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor", erläuterte ein Konzernsprecher. "Wir werden die Urteilsgründe prüfen und bewerten, um zu entscheiden, welche weiteren rechtlichen Schritte wir ergreifen." Gaz hatte VW Anfang 2023 auf Schadensersatz verklagt, nachdem sich VW aus Russland zurückgezogen und die Kooperation mit Gaz aufgekündigt hatte. In der Gaz-Fabrik in Nischni Nowgorod waren mehrere Modelle der VW-Kernmarke sowie der tschechischen Tochter Skoda zusammengebaut worden.