Autoindustrie Weshalb Toyota besser dasteht als Volkswagen
Der weltgrößte Autobauer Toyota verkauft mehr Fahrzeuge denn je. Von Krise keine Spur bei dem japanischen Hersteller - während der Konkurrent VW Werke schließen könnte. Was sind die Gründe?
Hiroo Takahashi kennt sich aus. Der emeritierte Professor für Wirtschaftswissenschaften hat erst Anfang des Jahres ein neues Buch veröffentlicht: "Autos verändern sich jetzt - Volkswagens Managementstrategie", heißt es. Dazu hat der 80-jährige Japaner auch mehrere Wochen in Wolfsburg recherchiert.
Takahashi kommt zu dem Schluss, dass zuvorderst chinesische E-Autos der Grund für die Krise bei VW sind, nicht unbedingt eigene Managementfehler. Er sehe Volkswagen keinesfalls am Boden, erklärte er im Interview mit dem ARD-Studio Tokio.
Toyota verkauft wieder mehr als zehn Millionen Autos
Und doch lohnt sich der Blick auf die aktuellen Geschäftszahlen der beiden weltgrößten Autobauer. Während bei Volkswagen über Werksschließungen debattiert wird, eilt Toyota von Rekord zu Rekord. Auch in diesem Jahr werden wohl wieder mehr als zehn Millionen Fahrzeuge verkauft.
Besonders gefragt sind seit jeher Hybridautos des Konzerns, also eine Kombination aus Elektromotor und Verbrenner. 40 Prozent aller verkauften Fahrzeuge sind Hybride. Reine E-Autos spielen praktisch gar keine Rolle. Gerade mal gut 100.000 reine "Stromer" hat Toyota im vergangenen Jahr verkauft.
Das liegt auch daran, dass es gerade im Heimatmarkt Japan kaum Möglichkeiten gibt, seinen Wagen aufzuladen. Da ist Deutschland schon viel weiter. Was nicht gerade zukunftsorientiert und modern klingt, hält die von Experte Takahashi angesprochenen E-Auto-Hersteller aus China aber bislang davon ab, in Japan groß zu investieren: ohne Infrastruktur kein Markt für BYD und Co.
Kaum politischer Druck für E-Mobilität in Japan
Dass sich daran so schnell etwas ändert, glaubt Hiroo Takahashi nicht. Der politische Druck, Elektroautos zu produzieren, sei in Japan nicht sonderlich groß, erklärt er und berichtet vom sehr vorsichtig formulierten Ziel der japanischen Regierung, dass bis 2035 alle neu verkauften Autos einen Elektromotor haben sollten. Ein Verbrenner-Verbot ist damit nicht geplant, zumal auch Hybridfahrzeuge diesem Ziel entsprächen. "Genau in diesem Punkt unterscheidet sich die japanische Fahrzeugpolitik von der deutschen", so Takahashi.
Der sehr schwache Yen spielt Toyota ebenfalls in die Karten. Japanische Autos sind aktuell einfach sehr viel günstiger als europäische oder amerikanische. Vor allem in Nordamerika ist Toyota sehr stark nachgefragt, verkauft dort fast ein Drittel seiner Autos; ein Markt, auf dem Volkswagen nach dem Dieselskandal immer noch ein Imageproblem hat.
Gleichzeitig ist Toyotas Abhängigkeit vom chinesischen Markt deutlich geringer als bei Volkswagen. Der Wolfsburger Konzern verkauft mit allen seinen Marken rund ein Drittel seiner Autos in China - im vergangenen Jahr waren es mehr als 3,2 Millionen. Toyota dagegen setzt nur jedes fünfte produzierte Fahrzeug im größten Automarkt der Welt ab. 2023 verkaufte der japanische Hersteller 1,9 Millionen Autos in China.
Bewunderung für deutsche Hersteller
In Japan stehen deutsche Automarken hoch im Kurs. Auf den Straßen in Tokio sieht man viele Mercedes, BMW, Porsche, Audi und auch Volkswagen - aber praktisch nie in der Elektrovariante. Auch wegen ihrer langen Geschichte hat die deutsche Autoindustrie einen hohen Namenswert und eine Markenmacht im Land der aufgehenden Sonne. Japaner hätten eine große Bewunderung für deutsche Autos, die, so Takahashi, von billigen chinesischen Autos nie übertroffen werden könne.
Der japanische Autoexperte äußert sich insgesamt sehr wertschätzend über Volkswagen. Er wünscht sich, dass sich Toyota auch etwas von VW abschaut: sich breiter aufstellt, mehr Luxusautos, Busse und Lkw herstellt. Und er glaubt, dass die Umstellung auf eine reine E-Auto-Produktion auch eine Vorbildfunktion für Japans größten Autobauer haben könne.
Folgen eines härteren Wettbewerbs
Die wirtschaftliche Schieflage bei den Wolfsburgern, die Debatte über Werksschließungen versucht er zu relativieren: "Wenn man die globale Autoindustrie betrachtet, da hat es so etwas immer wieder gegeben. Schauen Sie auf Ford und General Motors, die mussten in den USA schließen. Auch Nissan hat massiv abgebaut." Wenn die Konkurrenz größer werde wie jetzt durch die E-Autos aus China, dann bleibe das eben nicht ohne Konsequenzen, so Takahashi.
Dass japanische Hersteller derzeit so erfolgreich sind, liegt auch an der traditionell extrem kosteneffizienten Produktion. Die japanische Lebens- und Arbeitsphilosophie "Kaizen" ist nach wie vor Teil der DNA von Konzernen wie Toyota. "Kein Tag ohne Verbesserung", ist das Motto. Diese Art des "Lean Management" - des schlanken, effizienten Wirtschaftens - hat vor ein paar Jahrzehnten auch schon mal Porsche vor der Pleite gerettet, kann sich Hiroo Takahashi erinnern.