Ajla Crnalic beim privaten Pflegedienst AC Ambulante Pflege im rheinland-pfälzischen Worms.

Altenpflege Ein Pflegedienst ohne Sorgen

Stand: 01.02.2025 15:45 Uhr

Zufriedene Mitarbeiter, kaum Krankenstand, ausreichend Personal und sogar noch eine Warteliste an Bewerbern - ein ambulanter Pflegedienst in Worms zeigt, dass es auch gut laufen kann in der Pflegebranche.

Ajla Crnalic kommt mit einer großen Bäckertüte in der Hand ins Büro. Frühstückszeit beim privaten Pflegedienst AC Ambulante Pflege im rheinland-pfälzischen Worms. Die Chefin stellt süßes Gebäck und Brötchen auf den großen Tisch im Besprechungsraum. "Das ist doch das Mindeste, was ich für meine Mitarbeiter tun kann", sagt sie lachend. "Die sind jetzt alle auf ihrer Morgentour. Und wenn sie zurückkommen, sind sie ausgehungert und freuen sich, wenn wir zusammen frühstücken.

Crnalic hat den privaten Pflegedienst vor zwei Jahren gegründet. Weil sie fand, man könne nicht nur über die Bedingungen in der Pflegebranche meckern und von der Politik Lösungen fordern. "Man muss auch was tun", sagt sie. Die gelernte Altenpflegerin hat sich vorgenommen, in ihrem Unternehmen vieles, was sie bei früheren Arbeitgebern störte, anders zu machen.

Eine gute Arbeitsatmosphäre sei ihr wichtig. Sie wolle mit ihren Mitarbeitern auf Augenhöhe im Gespräch sein, sagt sie, und den Bezug zur "Basis" nicht verlieren. Ihr liege es am Herzen, sich mit dem Team auszutauschen und auch mal über Schicksale zu sprechen, die sie in ihrer täglichen Arbeit berühren oder belasten. Das gemeinsame Frühstück sieht sie als einen Baustein für ein gutes, vertrauensvolles Klima zwischen Mitarbeitern und Geschäftsleitung.

Mitarbeiter können Dienstpläne mitgestalten

Die Chefin möchte möglichst wenige Entscheidungen von "oben herab" treffen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestalten ihre Dienstpläne weitgehend selbst. Mithilfe einer Software wird der Plan für ein Jahr im Voraus gemacht. Die Mitarbeiter tragen selbst ein, wann sie arbeiten möchten und wann nicht. "Und dann setzen sich alle zusammen hin und schauen, wann kann ich, wann kannst du. Das matcht meistens, und wenn es Tage gibt, wo keiner kann, dann finden wir zusammen Kompromisse", erklärt Crnalic. "Das funktioniert wie im Privatleben, da schaffen wir es ja auch, uns als Familie zu organisieren."

Michelle Schlender, stellvertretende Pflegedienstleiterin, sieht in dieser Organisation auch eine Form von Wertschätzung: "Man wird hier echt als Mensch gesehen. Wenn ich sage, dass da mein Kind Geburtstag hat, dass ich da nicht kann, dann ist das auch so, dann komm ich nicht."

Einmal im Monat hat jeder Mitarbeiter einen festen Termin: "Kaffee bei Ajla" nennt sich das monatliche Treffen. Die Chefin nimmt sich Zeit, zu erfahren, wie es dem Mitarbeiter geht. Sie hört sich Kritik an und überlegt zusammen mit ihrem Personal, was möglicherweise verändert werden muss. Das kommt gut an: "So engen Kontakt mit der Chefin, das hat man woanders vielleicht nicht", sagt Michelle Schlender. "Bei anderen Chefs ist die Tür zu, bei Ajla nicht."

Flexible Arbeitszeitmodelle, freiere Zeiteinteilung

Krankenpflegerin Hina Moog hat früher in einer Klinik gearbeitet. Seit wenigen Monaten ist sie bei dem Wormser Pflegedienst angestellt. Die starren Arbeitszeiten einer Klinik hätten nicht mehr zu ihrem Privatleben gepasst, erzählt die junge Frau. Moog schätzt an ihrem neuen Arbeitgeber die Flexibilität. Innerhalb eines zeitlichen Rahmens kann sie selbst einteilen, wann sie ihre Patienten versorgt. Auf ihren Touren kann Moog ihre Hausbesuche so absolvieren, dass es für sie und vor allem auch für die Patienten gut passt.

"Wieso soll ich einen 85-jährigen Mann um 6 Uhr morgens waschen? Ich kann auch später zu ihm fahren", beschreibt eine weitere Kollegin die Vorteile des flexiblen Zeitmodells. Sie ist nur jede zweite Woche im Dienst, weil sie ihr Arbeitspensum als Teilzeitkraft bündelt - in der einen Woche absolviert sie mehr Stunden, in der darauffolgenden hat sie dafür frei.

Mehr Zeit für Patienten und weniger Umsatz

Crlanic ist bewusst, dass ihr Betrieb, wenn sich die Pflegekräfte mehr Zeit für die Patienten nehmen, weniger Umsatz macht. Und das nimmt sie in Kauf. Für Medikamentengabe etwa seien für jeden Patienten drei Minuten Zeit eingeplant. "Das haut hinten und vorne nicht hin", sagt sie. "Und wenn meine Mitarbeiter noch länger mit den Patienten oder den Angehörigen sprechen, dann ist das so, und dann ist das auch gut so."

Ihr Unternehmen sei nicht auf reine Gewinnmaximierung angelegt, sagt die Geschäftsführerin. "Es wird höchste Zeit, gesellschaftlich darüber zu sprechen, dass wir unsere pflegerische Leistung nicht in wenigen Minuten absolvieren können", findet sie. Viele Unternehmen würden in die Insolvenz rutschen, Betriebe seien in der Krise, weil die Pflege unterfinanziert sei. Es sei höchste Zeit für eine Pflegereform, ärgert sich Crnalic.

Familienfreundlichkeit als Ziel

Auch Susanne Lagemann ist Altenpflegerin in Crnalics Firma - und alleinerziehend. Die Schichtarbeit wurde vor einiger Zeit für sie zum Problem. Händeringend suchte sie einen neuen Job, fand aber keinen ohne Wochenenddienste. Auch Spätdienste kann die alleinerziehende Mutter von Zwillingen nicht machen. "Bei Ajla habe ich jetzt jedes Wochenende frei und mache keine Dienste am Nachmittag", freut sich Lagemann.

Die Altenpflegerin beobachtet, dass Pflegedienste große Schwierigkeiten haben, andere Wege zu gehen: "Vieles in der Pflegebranche ist sehr festgefahren und es ist anscheinend schwer, auch mal was anderes zu probieren. Hier geht es und das ist super." An ihrem Arbeitgeber schätzt sie außerdem, dass sie den Dienstwagen und auch das Diensthandy privat nutzen darf.

Werbung auf Social Media - viele Bewerbungen

Hina Hoog wurde in den sozialen Medien auf den Wormser Pflegedienst aufmerksam. Ajla Crnalic wirbt mit kurzen Videos, etwa auf Tiktok, um neue Arbeitskräfte - und findet sie. Mittlerweile herrscht Einstellungsstopp, Crnalic hat eine Warteliste von über 100 Fachkräften, die bei ihr arbeiten wollen. "Ich kann gar nicht so schnell wachsen, wie ich Bewerbungen habe."

Auf ihr Geheimrezept angesprochen sagt sie: "All das, was ich mache, kann jeder andere Betrieb auch machen. Man muss es nur ausprobieren, es ist sehr einfach." Ihr Betrieb hat schon etliche Preise für Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit erhalten. Wegen ihres Erfolgs wird Crnalic als Beraterin für andere Pflegedienste gebucht, im Sommer steht eine Einladung nach New York an.

Mit 18 Jahren hatte sich Ajla Crnalic entschieden, die Ausbildung zur Altenpflegerin zu machen. Damals habe sie gedacht: "Das ist der schönste Beruf der Welt." Und das findet sie noch immer.