Energiekonzerne im Wandel Ölmultis zum Umdenken gezwungen
Die großen Mineralölkonzerne stehen angesichts der schrittweisen Abkehr von fossilen Brennstoffen vor großen Herausforderungen. Wie können sie sich neu aufstellen und fit machen für eine klimaneutrale Zukunft?
Im Mai jubelten Klimaschützer vor einem Regionalgericht im niederländischen Den Haag. Das hatte gerade Recht gesprochen, und der Ölmulti Shell musste eine Schlappe hinnehmen. "Der Konzern muss seine Emissionen deutlich senken, um 45 Prozent bis 2030", erläutert Energie-Experte Andreas Goldthau von der Uni Erfurt das Urteil. Der Richterspruch habe sich auch auf das Verhalten von Investoren ausgewirkt. "Das war eines der wichtigen Signale für Investoren zu sagen: 'Jetzt gehen wir den nächsten Schritt'. Und das ist der Treiber für einige Investoren, dieses Unternehmen aufzuspalten."
Aufspaltung statt Greenwashing
Genau das fordert jetzt der New Yorker Hedgefonds Third Point: Der Ölriese Shell soll zerlegt werden - in eine "braune Shell" mit Öl und Co. und eine "grüne Shell" mit Fokus auf alternative Energien. "Aus ökologischer Sicht macht es Sinn, für diese Klarheit zu sorgen", findet Greenpeace-Finanzexperte Mauricio Vargas. "Denn es gibt immer noch viel zu viele Unternehmen, die die grüne Energie ins Schaufenster stellen, aber immer noch maßgeblich mit den alten Energien ihr Geld machen." Für Greenpeace sei es wichtig, dass sich Unternehmen "ehrlich machen" und dem sogenannten Greenwashing vorbeugen.
Denn wenn die Klimagesetze immer strenger werden, könnten auch die Aktienkurse der Ölunternehmen unter Druck kommen. Einfach die dicken Öl-Dividenden abstauben: Das gehört bei vielen Investoren der Vergangenheit an. Auch beim Ölriesen Exxon Mobil hat erst vor Kurzem der Hedgefonds Engine No. 1 für mächtig Aufregung gesorgt. Im Konzert mit anderen Investoren hat er gleich drei Aufsichtsratsposten mit in Klimafragen progressiv positionierten Kandidaten besetzt. Das sei nicht zu unterschätzen, findet Greenpeace-Experte Vargas, denn immerhin habe der Aufsichtsrat eine kontrollierende Funktion gegenüber dem Vorstand: "Die Kapitaleigner haben deutlich gemacht, dass ihnen der Klimaschutz wichtig ist. Und wenn der Vorstand nicht auch eine Agenda auflegt, dann wird er es sehr schwierig haben, weil der Aufsichtsrat hier ein klares Signal an die Geschäftsleitung gesendet hat."
Staatsfonds ziehen sich aus brauner Energie zurück
Mit Aktien also Einfluss nehmen ist das eine. Die andere Methode: Braune Aktien einfach verkaufen, raus aus Kohle- und Öltiteln. Das hat ausgerechnet der Norwegische Staatsfonds angekündigt, der in den 1990er-Jahren vor allem mit Gewinnen aus Ölgeschäften gespeist wurde. Ein extrem wichtiges Signal nennt das Experte Goldthau. "Damit haben wir einen der weltweit führenden Pensionsfonds, der ein Signal aussetzt. Und das Signal ist: Fossile Energieträger sind kein sicheres Investment."
Das sieht auch der niederländische Pensionsfonds ABP so - immerhin der größte in der Europäischen Union. Auch er will raus aus Kohle, Öl und Gas. Noch nie standen die westlichen Ölmultis also so unter Druck wie aktuell, mit großen Risiken für ihr Geschäftsmodell. Viele staatliche Ölkonzerne in den Golfstaaten hingegen kennen keine kritischen Aktionäre. Sie wollen das Öl fördern - solange es ihnen noch jemand abkauft.