Hohe Summe und umstrittene Ziele Top-Ökonomen kritisieren Intel-Subvention scharf
Mit einem milliardenschweren Nachschlag bei den Subventionen hat der Bund die Hängepartie um die Chipfabrik von Intel in Magdeburg beendet. Ökonomen sehen die hohe Fördersumme und das Vorgehen kritisch.
Top-Ökonomen haben die milliardenschwere Förderung für den Bau einer Fabrik des US-Chipherstellers Intel in Magdeburg scharf kritisiert. Neben der zu hohen Summe von bis zu zehn Milliarden Euro und der Art der Subvention bemängeln die Volkswirte dabei auch die generelle Strategie der Bundesregierung. "Lieferrisiken gibt es bei vielen Produkten, das gehört zum normalen Geschäftsleben", sagte etwa der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, der Nachrichtenagentur Reuters. "Absicherung dagegen ist primär Aufgabe der Unternehmen, nicht des Staates."
Fuest kritisierte weiter, dass es durchaus Alternativen zu heimischer Produktion wie etwa Diversifizierung der Lieferanten, Lagerhaltung und Recycling gebe. "Darüber hinaus ist nicht klar, was eigentlich genau in Magdeburg produziert wird, ob es die Chips sind, die Deutschland oder Europa brauchen, und an wen diese Chips im Krisenfall geliefert werden."
Produktionsbeginn in vier bis fünf Jahren geplant
Angesichts der Halbleiteroffensive der EU, die damit die Abhängigkeit von Lieferungen aus Asien und den USA verringern will, wird die Bundesregierung die Ansiedlung von Intel nach übereinstimmenden Medienberichten mit 9,9 Milliarden Euro unterstützen. Nach monatelangem Poker ist der Vertrag für den Bau der neuen Chipfabrik in Magdeburg in trockenen Tüchern. Eine entsprechende Vereinbarung wurde im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz und Intel-Chef Pat Gelsinger in Berlin unterzeichnet.
Bis zuletzt war um die Höhe der Subventionen für dieses Projekt gerungen worden. Ursprünglich waren 6,8 Milliarden Euro in Aussicht gestellt worden. Nun übernimmt der Bund wohl rund ein Drittel der gesamten Investitionen. So stecke der Konzern mehr als 30 Milliarden Euro in zwei sogenannte "Megafabs" und schaffe langfristig etwa 3000 hoch qualifizierte Arbeitsplätze, erklärte Intel. Das wäre eine Rekordsumme in Deutschland. Zum Vergleich: Schon die 17 Milliarden Euro wären in etwa dreimal so viel gewesen wie der Autobauer Tesla in Brandenburg investiert hat. Die Aufstockung der staatlichen Hilfen muss von der EU-Kommission noch genehmigt werden.
Geld fehlt für Bekämpfung von Standortnachteilen
Für Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Stefan Kooths, wird mit der hohen Förderung ein Signal der Schwäche in die Welt gesendet. "Wir zeigen, dass Intel nur kommt, wenn Standortnachteile durch Subventionen ausgeglichen werden", so Kooths. "Die Intel-Milliarden fehlen, um Standortnachteile wie etwa die hohe Abgabenquote anzugehen."
"Das Geld wäre definitiv besser angelegt in Bildung als für solche Prestigeprojekte", ist sich der Ökonom sicher. "Bildungsrenditen sind ungleich höher als die jeder Sachkapitalinvestition." Deutschland habe hier große Probleme, wie etwa die hohen Abbrecherquoten im Schulsystem zeigten. Auch der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts IWH, Reint Gropp, plädierte zuletzt dafür, stattdessen Forschung und Entwicklung an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie in Unternehmen zu fördern.
Doppel-Subvention für Intel?
Zudem bezweifelt Kooths, dass unterm Strich tatsächlich Tausende neue Jobs entstehen würden. "Ich halte das Arbeitsplatzargument für Augenwischerei." Intel ziehe zwar gut qualifizierte Beschäftigte an. Die aber wären wohl auch woanders untergekommen. "Intel wird kleineren Unternehmen Arbeitskräfte abjagen", sagte Kooths und rät der Politik: "Den Subventionsgeist, der jetzt aus der Flasche gelassen wurde, muss man wieder in die Flasche zurückbekommen."
Auch das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sieht die Förderung skeptisch. "Mit dem europäischen Chip-Gesetz hat sich Europa in den internationalen Subventionswettlauf begeben", betonte ZEW-Präsident Achim Wambach. Da die USA ihre Chipindustrie massiv förderten, um unabhängiger von Taiwan zu werden, verliere folglich für Europa die sicherheitspolitische Begründung für einen Ausbau der heimischen Chipindustrie an Gewicht. "Für den proklamierten Ausbau der technologischen Führungsrolle Europas wäre eine Förderung von Forschung und Entwicklung zielführender", sagte Wambach.
ifo-Chef Fuest kritisiert außerdem, dass die als extrem energieintensiv geltenden Chipfabriken durch den geplanten Industriestrompreis zusätzlich subventioniert werden sollen. "Im Übrigen passt die Neuansiedlung derartig energieintensiver Firmen nicht zu anderen Maßnahmen wie etwa der Deckelung des Energieverbrauchs durch das Energieeffizienzgesetz", so der Ökonom. "Zumindest sollte man darauf bestehen, dass in erheblichem Umfang Forschung und Entwicklung in Magdeburg angesiedelt werden."