Integration von Menschen mit Behinderung Nur 40 Prozent der Arbeitgeber erfüllen die Quote
Arbeitgeber in Deutschland tun sich schwer, Menschen mit Behinderung in ihre Betriebe zu integrieren. Dass es auch anders geht, zeigen die Cap-Märkte mit deutschlandweit mehr als 100 Standorten.
Tobias Fritsch zieht Waschmittel, Sekt und Pralinen über eine Kasse des Cap-Marktes in Bergisch Gladbach bei Köln. Dass er seine Ausbildung hier in einem geschützten Umfeld machen kann, ist für ihn eine Erleichterung: "Ich kann nicht Stunden lang konzentriert sitzen, das funktioniert nicht."
Hier im Cap-Markt könne er immer wieder Pausen machen und an die frische Luft gehen. "Wenn uns etwas nicht passt, das mit unserer Behinderung zu tun hat, dann können wir offen auf unsere Chefs zugehen", sagt Fritsch.
Bezahlung angelehnt an den Tarifvertrag
Im Gladbacher Supermarkt arbeiten Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Emine Altukilic ist seit mehr als 15 Jahren in der Filiale tätig. Vorher hat sie bei einem integrativen Bildungswerk eine Ausbildung gemacht. Ihr gefällt, dass sie bei ihrem Vollzeitjob im Supermarkt unter Leuten ist: "Dann hast Du halt mehr Kontakt", sagt Altukilic.
Deutschlandweit gibt es mehr als hundert Cap-Märkte. Ihr Ziel: die Inklusion von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt. In Bergisch Gladbach betreibt die Caritas den Cap-Markt, das Sortiment kommt von Edeka. Ein ganz normaler Supermarkt.
Die Bezahlung der Angestellten im Cap-Markt wird angelehnt an den Tarifvertrag im Einzelhandel bezahlt, betont Marktleiter Willi Mehl: "Hier können die Mitarbeiter von dem Gehalt am Ende des Monats ein Leben finanzieren." Damit unterscheiden sich die Cap-Märkte von Werkstätten für Menschen mit Behinderung, in denen die Mitarbeiter nur wenige Euro pro Stunde bekommen.
Staatliche Unterstützung für Inklusionsbetriebe
Der Markt arbeitet nicht gewinnorientiert und bekommt staatliche Unterstützung. Beispielsweise wird er bei der Mehrwertsteuer begünstigt: Auf Getränke fallen hier nur sieben Prozent Steuer an, nicht wie sonst üblich 19 Prozent. Außerdem werden die Gehälter einiger Angestellter mit Behinderung staatlich bezuschusst.
Der nahkauf-Lebensmittelmarkt in Köln verfolgt ein ähnliches Konzept in Kooperation mit Rewe. Bastian Revers, Vorstand des sozialen Trägervereins des Marktes, verweist auf die Wettbewerbssituation, in der sich solche Inklusionsbetriebe befinden, vor allem bei der Preisgestaltung: "Wir stehen ganz normal in Konkurrenz zu dem Lidl und Aldi um die Ecke."
VdK sieht großen Nachholbedarf
Insgesamt sieht der Sozialverband VdK großen Nachholbedarf, wenn es um die Integration von Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt geht. Es seien oft Vorurteile, die Menschen mit Behinderung von einer Beschäftigung fern hielten, sagt VDK-Präsidentin Verena Bentele. Sie sieht dafür eine Verantwortung bei den Arbeitgebern: "Vielen fehlt es an der Vorstellungskraft, wie sich Menschen mit Behinderung einbringen und die Unternehmen bereichern können."
Zwar müssen Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen verpflichtend fünf Prozent Menschen mit Behinderung beschäftigen. Allerdings erfüllen rund 60 Prozent von ihnen diese Quote nicht und zahlen stattdessen eine Ausgleichsabgabe. Verena Bentele hat dazu eine klare Haltung: "Uns wäre es lieber, die Menschen würden eine Beschäftigung finden, anstatt dass die Unternehmen Strafen zahlen."
Erfolgreiche Inklusion im Supermarkt
Auch Marktleiter Willi Mehl wünscht sich ein Umdenken bei den Arbeitgebern: "Es muss irgendwie ‘klick’ machen, dass wir mit diesen Menschen viel erreichen können."
Für Mehls Team ist die Arbeitserfahrung sehr wertvoll. Sein Mitarbeiter Johannes Wehr erzählt, wie ihn die Sichtbarkeit im Alltag bestärkt: "Wir sind hier im Vordergrund, wir sind da und nicht nur im Hintergrund zu sehen, wie zum Beispiel in einer Behindertenwerkstatt."
Der Cap-Markt will dazu beitragen, dass insgesamt mehr Menschen mit Behinderung in reguläre Beschäftigung kommen. Mit Erfolg: Einige Mitarbeiter des Marktes sind bereits zu anderen Supermärkten gewechselt.