Windkraftanlagen in Niederwerbig
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Erneuerbare Energien Windkraft für die Gemeindekasse   

Stand: 12.04.2025 16:40 Uhr

In Zeiten klammer Kassen entdecken immer mehr Gemeinden Windräder als Einnahmequelle. Gesetzliche Regelungen erleichtern es ihnen, an das Geld der Anlagenbetreiber zu kommen - so wie in der Gemeinde Mühlenfließ.

Geht es um Windkraft und den Ausbau der Erneuerbaren Energien in seiner Gemeinde, fährt Jens Hinze gern in den Wald knapp zwei Kilometer von Niederwerbig entfernt. Das Dorf mit 55 Einwohnern ist einer von fünf Orten, die zusammen die Gemeinde Mühlenfließ bilden, und liegt etwa eine Autostunde südwestlich von Berlin.

Hinze ist hier aufgewachsen, wohnt hier mit seiner Familie und ist seit 2016 der ehrenamtliche Bürgermeister. In dieser Zeit sind in der Gemeinde 16 neue Windräder gebaut worden zwischen den Kiefern im Wald und auf den umliegenden Feldern. Seit knapp dreieinhalb Jahren liefern sie Strom, und ein Teil des Ertrags fließt auch in die Mühlenfließer Gemeindekasse. Auch deshalb fährt Bürgermeister Hinze gern hier in den Wald und blickt vom Sockel eines Windrades hinauf zum Rotorblatt, das sich in gut 180 Metern Höhe langsam dreht.

Ein Zehntel des Haushalts

Ungefähr 200.000 Euro pro Jahr seien es derzeit, die von den Windenergieanlagenbetreibern kommen, erzählt Hinze, etwa ein Zehntel des gesamten Haushalts, enorm wichtig für die Gemeinde. "Wir sind hier in einer Gegend, die wenig besiedelt ist und in der es auch wenig Industrie gibt. Da ist das fast die einzige Einnahmequelle für Mühlenfließ", sagt der Bürgermeister weiter.

Die Hälfte des Geldes lande im regulären Haushalt, etwa um die gestiegenen Kita- und Schulgebühren auszugleichen, die andere im sogenannten Ortsteilbudget. Dort kann es zur Unterstützung ortsansässiger Vereine, für Veranstaltungen wie Dorffeste oder zur Verschönerung der fünf Mühlenfließer Orte eingesetzt werden.

So wie in Niederwerbig sind auf allen fünf Gemeindehäusern mittlerweile Photovoltaik-Anlagen installiert worden. "Die bringen auch wieder etwas Geld in die Kasse und versorgen die Gebäude mit Strom", sagt Hinze und zeigt auf den benachbarten Spielplatz. Auf dem seien junge Bäume gepflanzt und eine überdachte Picknick-Hütte gebaut worden. Im benachbarten Haseloff gab es neue Spielgeräte.

Mehr als Geräusche und Schattenschlag

Dem Bürgermeister ist es wichtig, dass sichtbar werde, dass die Windräder Vor- und Nachteile haben. Sie machten zwar Geräusche und zu bestimmten Jahreszeiten auch mal Schattenschlag, manche störe auch, dass sie in der Landschaft rumstehen. Aber sie dienten eben der Energiewende und brächten auch direkten finanziellen Nutzen. Dass würden viele hier noch nicht so wahrnehmen, sagt Hinze. Zwar spüre er, dass die Mehrheit der Mühlenfließer damit einverstanden sei, wie er hier den Ausbau der Erneuerbaren Energien voranbringe, aber gegen die Windräder gebe es eben auch Vorbehalte und Kritik.

Auch Katrin Friedrich aus Niederwerbig, die gerade von der Arbeit nach Hause kommt, reagiert skeptisch auf die Frage, wie sie denn zu den Windrädern rund um ihr Dorf stehe. Es seien schon eine ganze Menge, sagt sie, Fortschritt habe eben immer zwei Seiten. Natürlich wäre es günstiger, wenn es irgendwo ein zusammenhängendes Feld davon gebe - etwas weiter weg. Die seien ziemlich dicht dran und man fühle sich da schon ein bisschen beeinträchtigt.

Jens Hinze

Für Bürgermeister Jens Hinze ist rechtzeitige Kommunikation der Schlüssel zur Akzeptanz der Windkraft.

"Windkraft-Euro" und freiwillige finanzielle Beteiligung

In Brandenburg speisen sich die zusätzlichen Einnahmen für die Gemeinden im Wesentlichen aus dem sogenannten Windkraft-Euro. Das ist eine Sonderabgabe von 10.000 Euro pro Anlage jährlich, die das Land 2019 beschlossen hat. Jeder Betreiber, der Windräder im Umkreis von drei Kilometern eines Dorfes aufstellt, muss sie zahlen. Dazu kommen Pachteinnahmen, wenn kommunale Flächen genutzt werden. Ähnliche Regelungen, die Windenergieanlagenbetreiber zugunsten der Anwohner vor Ort zur Kasse bitten, gibt es noch in sechs anderen Bundesländern, darunter Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. In zwei weiteren Ländern, Sachsen-Anhalt und Bayern, sind sie in Planung.

Bundesweit gilt, so steht es in Paragraf 6 des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG), dass Betreiber Gemeinden, die von der Errichtung ihrer Anlage betroffen sind, finanziell beteiligen sollen. Sie können freiwillig 0,2 Cent pro Kilowattstunde der eingespeisten Strommenge anbieten. Das gilt seit 2023 nicht nur für neue, sondern auch für ältere Bestandsanlagen. Möglichkeiten, die zunehmend von in Frage kommenden Kommunen als zusätzliche Einnahmequellen entdeckt werden.

"Offen für akzeptanzfördernde Maßnahmen"

Das bestätigt auch Timm Fuchs, Energieexperte des Städte- und Gemeindebundes. Die finanzielle Beteiligung sei schon ein Beitrag dafür, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht nur als Belastung wahrgenommen werde, sondern dass die Gemeinden davon auch profitieren. Dann müsse es aber auch ein substanzieller Beitrag sein. Von Seiten der Interessenvertretung der Anlagenbetreiber, dem Bundesverband Windenergie, heißt es, die Mehrzahl der Mitglieder sei offen für akzeptanzfördernde Maßnahmen.

Um für Akzeptanz zu werben, seien auch in der Vergangenheit bereits von den Unternehmen vor Ort verschiedenste Vorhaben unterstützt worden, sagt Sebastian Haase vom Brandenburger Landesverband, das habe man jetzt institutionalisiert über das EEG, über die Länder-Regelungen. Allerdings hätten sich die Anlagenbetreiber eher ein einheitlicheres Vorgehen gewünscht, so Haase weiter.

Die Kommunikation vor Ort wichtig

In der jüngsten Umfrage zur Akzeptanz der Windenergie der Fachagentur Wind und Solar vom November 2024 ist zu lesen, dass sich jeweils weit über 80 Prozent der Befragten wünschen, frühzeitig über die geplante Errichtung von Windrädern informiert zu werden, dass die Kommunen spürbar finanziell beteiligt werden und die Umsetzung eines Windparks mitgestalten können.

Punkte, die auch eine große Rolle spielen in den Gesprächen, die der Mühlfließer Bürgermeister Jens Hinze führt. Alle Anlagenbetreiber hier vor Ort würden mittlerweile neben dem "Windkraft-Euro" auch die 0,2 Cent bezahlen, sagt er und das nicht nur für die 16 neueren, sondern auch für die 37 älteren Windräder, die ebenfalls in der Gemeinde Mühlenfließ stehen.

Hinze führt das vor allem darauf zurück, dass er die ganze Problematik zu den Windenergieanlagen immer wieder zusammen mit den Betreibern durchgesprochen habe. Für ihn sei diese Art der Kommunikation und der Zusammenarbeit vor Ort enorm wichtig. Hinze nennt das den "Mühlenfließer Weg".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete das ARD-Morgenmagazin am 09. April 2025 um 05:30 Uhr.