Unter anderem wegen Betrugs Ex-Raiffeisen-Chef muss ins Gefängnis
Hohe Spesen in Stripclubs, teure Flugreisen nach Dubai und New York: Der Ex-Chef der Schweizer Raiffeisenbank, Pierin Vincenz, ist unter anderem wegen Betrugs zu einer Haftstrafe verurteilt worden.
Es war der wohl spektakulärste Wirtschaftsprozess in der Schweiz seit dem Verfahren rund um die Swissair-Pleite 2007: Seit Mitte Januar stand der ehemalige Chef der drittgrößten Schweizer Bankengruppe Raiffeisen, Pierin Vincenz, wegen des Verdachts auf gewerbsmäßigen Betrug, Urkundenfälschung und Veruntreuung vor Gericht. Das öffentliche Interesse war so groß, dass die Verhandlung in einen Konzertsaal, das Züricher Volkshaus, verlegt werden musste.
Fast vier Jahre Gefängnis
Die Richter sprachen den Manager, der von 1999 bis 2015 die Raiffeisen-Gruppe gelenkt hatte, nun in mehreren Punkten schuldig. Das Bezirksgericht Zürich verurteile den ehemaligen Star-Banker wegen Betrugs, Urkundenfälschung und passiver Bestechung zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Zudem soll Vincenz eine Geldstrafe von 840.000 Schweizer Franken zahlen. Ursprünglich hatte der Staatsanwalt eine Haftstrafe von sechs Jahren gefordert.
Die Staatsanwaltschaft warf Vincenz vor, verdeckt an einer Reihe von Firmenübernahmen durch Raiffeisen und die Kreditkarten-Firma Aduno beteiligt gewesen zu sein. Dabei habe er einen unrechtmäßigen persönlichen Gewinn von fast neun Millionen Franken eingefahren, hieß es.
"Schattenbeteiligungen" an Firmen
Der Top-Banker soll sich in vier Fällen an Unternehmen beteiligt haben, die später von Raiffeisen oder von Aduno gekauft wurden. Vincenz war jahrelang Verwaltungsratspräsident von Aduno.
Zusammen mit seinem Berater Beat Stocker soll Vincenz die Transaktionen eingefädelt haben. Stocker überwies 2015 mehrere Millionen an Vincenz. Insgesamt hätten sich beide um Millionenbeträge bereichert, wirft die Staatsanwaltschaft vor. Stocker wurde wegen Betrugs zu vier Jahren Haft verurteilt.
Die Verteidiger von Vincenz und Stocker hatten die Vorwürfe zurückgewiesen. Was die Anklage als Aufteilung von unrechtmäßig erzielten Gewinnen ausgab, seien in Wirklichkeit Darlehen gewesen.
Teure Geschäftsspesen in Rotlichtbars
Außerdem gingen den Richtern die Spesenpolitik des früheren Raiffeisen-Chefs zu weit. Vincenz soll über 200.000 Franken in Stripclubs und Kontaktbars in Zürich und Genf ausgeben haben. Die Ausgaben wurden als geschäftlich verbucht. Das konnten die Richter nicht nachvollziehen. Vincenz habe die Bank mit Ausgaben belastet, für die es keinen geschäftlichen Grund gegeben habe.
Der Ex-Raiffeisen-Chef wies dies im Gerichtsprozess zurück und verteidigte seine Geschäftspraktiken, die vor dem Rotlichtmillieu nicht halt machten. Man habe dort nach dem Essen Geschäftsgespräche in kleineren Gruppen fortgeführt. Er habe immer wieder Geschäftsleute eingeladen, um sie als Kunden zu gewinnen. "Ich war Tag und Nacht für Raiffeisen unterwegs", beteuerte Vincenz.
Umstrittene Auslandsreisen
Darüber hinaus soll Vincenz mehrere Reisen mit privatem Charakter als Spesen abgerechnet haben. Der frühere Raiffeisen-Chef begründete die Reisen nach New York, Dubai oder Australien mit der Kontaktpflege zu internationalen Banken wegen der Refinanzierung des Hypothekengeschäfts. Insgesamt kostete die Spesenaffäre die Bank knapp 700.000 Franken.
In der über 360 Seiten langen Anklageschrift tauchten auch Spesen von fast 4000 Franken für die Reparatur eines Hotelzimmers auf. In einer wilden Nacht im Juni 2014 soll der Bankboss mit einer Tänzerin in einen heftig2en Streit geraten sein. Dabei wurden Wände, Teppiche, Betten und weiteres Inventar beschädigt.
Vom Star-Banker zum Buhmann
Der heute 65-jährige Vincenz war einst der gefeierte Star in der Schweizer Bankenszene. 2014 wurde er von einem Magazin zum "Banker des Jahres" gekürt. Mit seiner hemdsärmeligen, jovialen und lustigen Art war der bullige Bündner eine Art Gegentyp zum aalglatten Investmentbanker vom Züricher Paradeplatz. Tatsächlich schaffte es der promovierte Betriebswirt, die verschlafene Bauernbank Raiffeisen erfolgreich umzukrempeln und sie zur Nummer drei der eidgenössischen Banken zu machen. Besonders das Hypothekengeschäft wurde ausgebaut. In weniger als zehn Jahren verdoppelte die Bank ihre Bilanzsumme auf rund 200 Milliarden Franken.
Nach seinem freiwilligen Abschied 2015 von der Raiffeisen-Bank enthüllte 2016 der Finanzblog "Inside Paradeplatz" eine Überweisung von Berater Stocker an Vincenz, getarnt als Darlehen für den Kauf eines Ferienhauses. Inside Paradeplatz" recherchierte und brachte so die Ermittlungen der Justiz in Gang, die 2018 zur Festnahme von Vincenz führten. Drei Monate verbrachte der Star-Banker in Untersuchungshaft.
Vincenz hatte am letzten Prozesstag Fehler eingeräumt, aber um Freispruch gebeten. Sein Anliegen sei stets gewesen, dafür zu sorgen, dass die Raiffeisen und ihre Beteiligungen sich gut entwickelten. Der Anwalt von Vincenz verwies auf die Raiffeisen-Erfolge bei Wachstum und Gewinn unter der Führung seines Mandanten.