Warum die Milchpreise sinken Melken für den Weltmarkt
Auf dem Weltmarkt herrscht ein Überangebot an Milch. Deswegen kann der Handel Druck auf die Molkereien ausüben und die Preise drücken. Der Bauernverband warnte vor einem weiteren Preiskampf. Doch die Milchbauern selbst sind für den Preisverfall mitverantwortlich.
Eine Tüte Vollmilch kostet bei Aldi 59 Cent. Im November 2014 senkten die Disounter Aldi Nord und Aldi Süd die Preise für Frischmilch und H-Milch um jeweils zehn Cent je Liter. Auch die Preise für weitere Molkereiprodukte wie Quark, Sahne und Kondensmilch wurden gesenkt.
Aldi läutete im November eine neue Preissenkungswelle für Milch und Milchprodukte ein.
Aldi gilt auf dem Lebensmittelmarkt als Schrittmacher: Die Konkurrenten Lidl und Norma folgten binnen kurzer Zeit mit einer Verbilligung der Produkte. Auch die Edeka-Gruppe mit ihrer Tochterfirma Netto teilte mit, Einkaufsvorteile an die Kunden weitergeben zu wollen. Diese Vorteile haben sie, weil es auf dem Weltmarkt zu viel Milch gibt. Aber warum ist das so?
Günstiges Futter
Dass es derzeit viel billige Milch gibt, liegt auch am Wetter. Das Futter der Milchkühe sei in den vergangenen Jahren in Neuseeland und Südamerika zum Teil schlecht gewachsen, sagt Milchmarktexperte Hannes Weindlmaier von der Technischen Universität München. "Jetzt herrschen weltweit günstige Bedingungen vor."
Das günstig produzierte Futter erleichtert die Haltung der Milchkühe und verbilligt die Erzeugung von Milch. Diese Ausgangsbasis habe dazu geführt, dass in der zweiten Jahreshälfte 2013 die Produktion in allen wichtigen Exportländern stark ausgeweitet worden sei. Dieser Trend setzte sich auch im laufenden Jahr fort.
Globaler Produktionsanstieg
In Neuseeland - dem wichtigsten Milchexporteur weltweit - lag die Produktion im Dezember um 14,2 Prozent über dem Vorjahresniveau. In der EU produzierten die Milchbauern nach Angaben der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) fünf Prozent mehr als vor einem Jahr und in Deutschland 4,3 Prozent mehr.
Die Milcherzeugung in Deutschland steigt bereits seit acht Jahren kontinuierlich an. Nach Angaben des Milchindustrie-Verbands wurden 2006 knapp 26,9 Millionen Tonnen Milch in Deutschland erzeugt. 2014 waren es mehr als 31 Millionen Tonnen. "Die Nachfrage in Deutschland ist relativ konstant", sagt der Sprecher des Milchindustrie-Verbandes, Björn Börgermann. Der Exportmarkt sei deswegen immer wichtiger geworden in den vergangenen Jahren. 48 Prozent, also fast die Hälfte der deutschen Milch, wird als Milchäquivalente exportiert.
Aufgrund des russischen Einfuhrverbots für Lebensmittel aus dem Westen hat sich der Milchüberschuss in den vergangenen Wochen verschärft: Für große Mengen an Milchprodukten, die sonst an Russland gehen, müssen neue Abnehmer gefunden werden.
Grenzenloses Melken
Wenn die europaweite Milchquote im März 2015 ausläuft, sei ein weiterer Anstieg der Milchproduktion in Deutschland zu erwarten, sagt Weindlmaier. Unwahrscheinlich ist aber, dass der Anstieg sprunghaft ausfallen wird. "Die deutschen Landwirte haben sich bereits jetzt auf den Wegfall der Milchquote im Frühjahr 2015 vorbereitet und vielfach in größere Ställe investiert", sagt Börgermann vom Milchindustrie-Verband. Das dadurch gewachsene Angebot trägt nun zum Preisverfall bei.
Zum 1. April 2015 schafft die EU die Milchquote ab. Seit 1984 ist die Milchproduktion in Europa durch Quoten geregelt: Überschreitet ein Landwirt die Produktion der zugeteilten Milchmenge, muss er Überschussabgaben zahlen. Das europaweite Quotensystem sollte der Entstehung von Milchüberschüssen vorbeugen und so die Einnahmen der Bauern stabilisieren. Eine Überproduktion von Milch verhinderte das System jedoch nicht. Künftig soll der angebots- und nachfrageabhängige Weltmarkt die Milchproduktion regulieren.
"Marktdelle" oder "neue Krise"?
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sieht die Preisentwicklung "mit höchster Aufmerksamkeit, aber nicht im Alarmmodus. Wir haben gegenwärtig keine Krise, sondern bisher eine Marktdelle, die es gilt, genau zu beobachten", sagte Schmidt zu tagesschau.de. Die Milchviehhalter hingegen sind alarmiert: "Wir sind drauf und dran, in eine neue Krise zu steuern", sagte der Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), Hans Foldenauer, zu tagesschau.de.
In Bayern, Deutschlands größtem Erzeugerbundesland, erhielten die Bauern im ersten Halbjahr 2014 durchschnittlich 40,3 Cent pro Kilo Milch. Im September waren es noch 37,5 Cent. Für einen durchschnittlichen Milcherzeuger mit einer Produktion von 200.000 Kilo Milch bedeute der Preisverfall um drei Cent rund 6000 Euro weniger Einnahmen, erklärte der Verband der Milcherzeuger Bayern.
"2013 war ein absolutes Spitzenjahr, was die Milchpreise betrifft", sagt Weindlmaier. Weil das Angebot die Nachfrage nun aber übersteige, fallen die Preise sowohl am Weltmarkt als auch am deutschen Markt.
Weiterer Rückgang der Erzeugerpreise wahrscheinlich
"Es ist davon auszugehen, dass die Milcherzeugerpreise in den nächsten Monaten weiter zurückgehen werden", sagt Weindlmaier. Der Milchmarktexperte hält es für möglich, dass die Milcherzeugerpreise bis auf 30 Cent abstürzen werden und es erst im dritten Quartal 2015 wieder zu Preissteigerung kommen wird. Diese Prognose ist aber von vielen Unsicherheitsfaktoren bestimmt: Wie es mit dem Russland-Embargo weitergeht, ist nicht abzusehen.