Ersatz für russische Lieferungen Wie LNG die Gaslücke füllen soll
Heute startet der Bau eines neuen Terminals für Flüssigerdgas in Lubmin. Auch an anderen Standorten entstehen LNG-Anlagen, die Russlands Lieferstopp ausgleichen sollen. Wie weit sind die Projekte schon?
Hohe Rechnungen und die Sorge vor fehlendem Gas im Winter: Die Energiekrise hält die Verbraucher und Unternehmen in Deutschland weiter fest im Griff - und damit auch die Politik. Um die Energieversorgung sicherzustellen und künftig unabhängiger von Gaslieferungen aus Russland zu sein, setzt die Bundesregierung auf Einsparungen sowie die Ausweitung des Angebots.
Eine große Rolle spielt dabei neben neuen Lieferrouten und dem Ausbau der erneuerbaren Energien auch der Import von Flüssigerdgas (LNG). Für die Umwandlung in herkömmliches Erdgas sind jedoch spezielle Anlagen erforderlich. Bislang hatte Deutschland keine eigenen Terminals, sondern bezog LNG über Tankwagen aus anderen europäischen Häfen. Weil die Kapazitäten dort überlastet sind, soll sich das ändern. Wie viele sind vorgesehen und an welchen Standorten? Welche befinden sich bereits im Bau?
LNG soll ein Drittel des bisherigen Gasbedarfs decken
Geplant sind fünf staatliche LNG-Terminals mit jeweils einer Kapazität von mindestens 4,5 Milliarden Kubikmetern an mehreren deutschen Küstenstandorten - in Form von Spezialschiffen, sogenannten Floating Storage and Regasification Units (FSRU). An Bord kann das LNG zu Gas verdampft werden und schließlich in das Gasnetz eingespeist werden. Auf diese Weise ermöglichen die schwimmenden Anlagen im Gegensatz zu stationären Anlagen sehr kurzfristig den Import und die Weiterverarbeitung von Flüssigerdgas - und damit eine flexiblere Versorgung.
Spätestens im Winter 2023/2024 sollen alle staatlich gemieteten FSRU in Betrieb sein. Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beträgt die Kapazität dann mindestens 25 Milliarden Kubikmeter LNG pro Jahr. Dazu kommt ein weiteres privates Projekt mit jährlich 4,5 Milliarden Kubikmetern. Zum Vergleich: Alle bestehenden europäischen LNG-Terminals, die realistisch für die Versorgung Deutschlands geeignet sind, kommen dem BMWK zufolge lediglich auf eine Regasifizierungskapazität von 40 Milliarden Kubikmeter. Insgesamt könnte ein Drittel des bisherigen Gasbedarfs in Deutschland aus den neuen LNG-Terminals bezogen werden.
Die Belieferung soll eine Absichtserklärung mit den deutschen Gasimporteuren sicherstellen, die Wirtschaftsminister Robert Habeck Mitte August unterzeichnete. Der Vereinbarung nach sollen die Partnerfirmen Uniper, RWE, EnBW und die EnBW-Tochter VNG dafür sorgen, dass die angemieteten LNG-Schiffe bis März 2024 "vollausgelastet" Gas zur Verfügung gestellt bekommen. Laut Habeck haben die Unternehmen Verträge mit rund 20 Ländern. Zudem erwartet der Grünen-Politiker neue Verträge für Flüssiggas-Lieferungen beim Besuch von Kanzler Olaf Scholz auf der arabischen Halbinsel. Scholz reist am Wochenende nach Saudi-Arabien, Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate.
Zwei Terminals in Wilhelmshaven
Das erste schwimmende Flüssiggas-Terminal soll die "Höegh Esperanza" in Wilhelmshaven werden. Nach den Plänen der Politik soll über das FSRU-Schiff, das seit dem 4. Juli gebaut wird, bereits ab Ende des laufenden Jahres LNG importiert werden. "Über dieses Terminal sollen schnellstmöglich bis zu 7,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr umgeschlagen werden", heißt es vom Betreiber Uniper. Das entspräche etwa 8,5 Prozent des aktuellen deutschen Gasbedarfs.
Zusätzlich zum Terminal startete Anfang August der Bau einer 26 Kilometer langen Pipeline, die das Schiff an das Gas-Fernleitungsnetz anbinden soll. Die neue unterirdische Leitung verbindet die Anlegestelle im Hafen mit dem nächsten Anschluss im ostfriesischen Etzel. Anfangs soll eine jährliche Kapazität von bis zu zehn Milliarden Kubikmetern möglich sein, mittelfristig mit einem weiteren Ausbau des Gasnetzes im Hinterland nach Angaben des Gasnetzbetreibers Open Grid Europe (OGE) sogar bis zu 28 Milliarden. Die Pipeline könnte also auch Gas von anderen FSRU transportieren.
Und tatsächlich teilte das BMWK zu Beginn des Monats mit, noch ein zweites Terminal in Wilhelmshaven anzumieten. Das Schiff soll eine Kapazität von bis zu fünf Milliarden Kubikmeter Gas haben und Ende 2023 in Betrieb gehen. Zudem soll es auch auch grünen Wasserstoff verarbeiten können. Betreiben soll es der Eigentümer, das Unternehmen Excelerate, gemeinsam mit einem Konsortium aus Tree Energy Solutions, Eon Green Gas und Engie.
Ein Terminal in Brunsbüttel
Der Start des von RWE betriebenen Terminals in Brunsbüttel ist dagegen wie die "Höegh Esperanza" schon für den Jahreswechsel 2022/2023 geplant. "Alle Beteiligten arbeiten hart daran, dass dies gelingt", sagte zuletzt der Energieminister von Schleswig-Holstein, Tobias Goldschmidt (Grüne). Das Schiff, auch von der Reederei Höegh gebaut, soll fünf Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr aufnehmen und 2026 durch ein Terminal an Land ersetzt werden. Dann soll die Kapazität auf zehn Milliarden Kubikmeter steigen.
Auch in Brunsbüttel wird für die LNG-Versorgung eine neue drei Kilometer lange Gasleitung gebaut. Mittlerweile sei die Genehmigung der Planfeststellungsbehörde erteilt worden, teilte das Energiewendeministerium gestern mit. Die Leitung soll das schwimmende Terminal im Elbehafen mit dem schleswig-holsteinischen Gasverteilnetz verbinden.
Zwei Terminals in Lubmin
Doch es gibt nicht nur staatlich initiierte Projekte: Das Unternehmen Deutsche ReGas gab etwa heute den Startschuss für die Arbeiten zum Bau des privaten LNG-Terminals "Deutsche Ostsee" im vorpommerschen Lubmin. Die Bauaktivitäten dienten der Ertüchtigung des bislang nur von kleineren Schiffen genutzten Industriehafens und der Schaffung eines gesicherten Liegeplatzes, hieß es von der mittelständischen Firma.
Im Hafen von Lubmin sollen zwei LNG-Terminals entstehen.
Den ehrgeizigen Plänen der Deutschen ReGas zufolge soll über das privat finanzierte Terminal bereits im Dezember die erste Gaslieferung eintreffen - mit kleineren Shuttleschiffen von den vor Lubmin ankernden Großtankern in den Hafen und von dort dann in das vorhandene Gasnetz. Denn in Lubmin münden die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2, über die derzeit aber kein russisches Gas geliefert wird.
Ebenfalls in Lubmin wollen zudem der deutsche Energiekonzern RWE und das norwegische Unternehmen Stena-Power ein schwimmendes Gasterminal errichten. Nach BMWK-Angaben steht die vom Bund gecharterte Anlage 30 bis 40 Kilometer vor der Küste frühestens Ende 2023 zur Verfügung. Eine Pipeline, die noch gebaut werden muss, soll das Gas bis Lubmin leiten, um es von dort über weitere Pipelines zu verteilen.
Ein Terminal in Stade
Das sechste Terminal soll im niedersächsischen Stade bei Hamburg entstehen und Ende des kommenden Jahres einsatzbereit sein. Gebaut wird das FSRU von der landeseigenen Gesellschaft NPorts. Betreiber ist Hanseatic Energy Hub GmbH.
Vor einer Woche beschloss das Landeskabinett, dass das Land Niedersachsen 100 Millionen für die Finanzierung des Terminals bereitstellt. "Mit dem Geld des Bundes und dem nun fest vereinbarten Landesanteil kann ein ganz wesentlicher Teil der anstehenden Projektkosten finanziert werden", sagte der niedersächsische Umwelt- und Energieminister Olaf Lies (SPD) im Zuge der Entscheidung.
Fehlende Finanzierung, kein Betreiber sowie rechtliche Probleme und Ärger mit der Hafenwirtschaft: Im benachbarten Hamburg steht ein LNG-Terminal dagegen womöglich vor dem Aus. Der Umwelt- und Energiesenator Jens Kerstan (Grüne) hat sich nach eigenen Angaben mit Bundeswirtschaftsminister Habeck immerhin darauf geeinigt, ein weiteres Gutachten darüber abzuwarten, wie sich das Flüssiggasterminal mit dem übrigen Hafen verträgt. Für die Hamburger Opposition gilt das Projekt in Moorburg bereits jetzt als gescheitert.