Konjunktur Einzelhandel im Aufwind, neuer Dämpfer für Industrie
Gemischte Nachrichten für die Konjunktur: Während der deutsche Einzelhandel seinen Umsatz im vergangenen Jahr wohl gesteigert hat, muss die Industrie den nächsten Rückschlag verkraften.
Die deutschen Einzelhändler haben ihren Umsatz im vergangenen Jahr voraussichtlich gesteigert. Er sei um 2,7 Prozent im Vergleich zu 2023 gewachsen, teilte das Statistische Bundesamt seine ersten Schätzung mit. Preisbereinigt fiel das Umsatzplus mit 1,3 Prozent zwar nicht ganz so deutlich aus. Allerdings ist dies das erste Plus nach zuvor zwei Minus-Jahren in Folge. In den beiden vorangegangenen Jahren 2022 und 2023 hatten hohe Preissteigerungen die Kunden von zusätzlichen Einkäufen abgehalten.
Im Vergleich zu 2021, als der deutsche Einzelhandel die bisher höchsten Einnahmen seit Beginn dieser Statistik im Jahr 1994 erzielte, lag der reale Jahresumsatz 2024 voraussichtlich um 2,7 Prozent niedriger. Während der Corona-Pandemie im Jahr 2020 hatte der Einzelhandel, unter anderem getragen durch den Internet- und Versandhandel, einen Umsatzzuwachs erzielt, der 2021 nochmals gesteigert werden konnte.
Umsatzplus im Weihnachtsgeschäft
Besonders das Weihnachtsgeschäft trug im Vergleich zum Vorjahr zur Erholung bei: Im November, der mit Sonderaktionen wie dem "Black Friday" gespickt ist, wuchs der reale Umsatz um 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Verglichen mit dem Vormonat fällt die Bilanz aber unerwartet schlecht aus: Hier gab es einen Rückgang von 0,6 Prozent. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen mit einem Plus von 0,5 Prozent gerechnet.
Eine positive Nachricht für die Einzelhändler: Die Kauflaune der deutschen Verbraucher ist zuletzt etwas gestiegen - trotz schlechter Nachrichten aus der Wirtschaft. Das für Januar berechnete Konsumbarometer kletterte um 1,8 Punkte auf minus 21,3 Zähler, wie die GfK und das Nürnberg Institut für Marktentscheidungen (NIM) bei ihrer Umfrage ermittelten.
Trotzdem betonen die Experten: "Eine nachhaltige Erholung des Konsumklimas ist nach wie vor nicht in Sicht, dazu ist die Verunsicherung der Konsumenten derzeit noch zu groß", sagte NIM-Experte Rolf Bürkl. "Hauptursache sind die hohen Lebensmittel- und Energiepreise."
Starker Rückgang der Aufträge in der Industrie
Während sich der Einzelhandel über einen leichten Aufwärtstrend freuen kann, erlebt die krisengeschüttelte deutsche Industrie einen weiteren Rückschlag. Ihre Aufträge fielen im November um 5,4 Prozent geringer aus als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Experten hatten mit einer Stagnation gerechnet, nachdem es bereits im Oktober einen Rückgang von 1,5 Prozent gegeben hatte.
Ausschlaggebend für die negative Entwicklung im November waren umfangreiche Großaufträge im Oktober für den sogenannten Sonstigen Fahrzeugbau, wozu etwa Flugzeuge, Schiffe, Züge und Militärfahrzeuge gehören. "Dieses hohe Volumen an Großaufträgen blieb im November 2024 aus", erklärten die Statistiker. Dadurch brach der Auftragseingang in diesem Bereich um 58,4 Prozent ein.
Werden die Großaufträge ausgeklammert, sind die Bestellungen im November um 0,2 Prozent gewachsen. "Entscheidend sind die Orders ohne die stark schwankenden Großaufträge", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer dazu. "Und diese Kerngröße bewegt sich weiter auf niedrigem Niveau seitwärts." Im Winterhalbjahr dürfte die deutsche Wirtschaft allenfalls stagnieren, erwartet Commerzbank-Experte Krämer.
"Konjunkturell äußerst schwieriges Jahr"
Während die Großaufträge einbrachen, meldeten der Maschinenbau und die Chemieindustrie jeweils ein wachsendes Neugeschäft. Die Bestellungen aus dem Inland zogen im November um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vormonat an. Das Auslandsgeschäft schrumpfte dagegen um 10,8 Prozent, vor allem wegen der schwächeren Nachfrage von außerhalb der Eurozone.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) macht dafür auch eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich. "Hohe Kosten, Steuern und Bürokratie belasten", sagte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen. "Das sind keine guten Startvoraussetzungen für das neue Jahr."
"Zu den mittlerweile altbekannten Belastungsfaktoren des Standortes Deutschland treten nun die Unwägbarkeiten der zweiten Trump-Präsidentschaft hinzu", urteilt auch der Volkswirt der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Jens-Oliver Niklasch. Donald Trump beginnt am 20. Januar seine zweite Amtszeit als US-Präsident und hat bereits mit Strafzöllen auf Waren aus Europa gedroht. Die USA sind der größte Abnehmer von Waren "Made in Germany". "Wir richten uns auf ein konjunkturell äußerst schwieriges Jahr ein", sagte Niklasch deshalb.