Schuldenkrise in Italien Wie steht es um Italiens Wirtschaft?
Fast zwei Billionen Euro - Italiens Schuldenberg ist riesig. So riesig, dass Ratingagenturen drohen, die Bonität Italiens herabzusetzen. Doch wie steht es um Italiens Wirtschaft? Was bemängeln die Agenturen und wie reagiert die italienische Regierung? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie sieht die Wirtschaftsleistung Italiens aus?
Mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von etwa 1,5 Billionen Euro war Italien 2010 die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt. Wie in den anderen Industrienationen Europas wird die Wirtschaft maßgeblich durch einen starken Dienstleistungssektor geprägt, der etwa 70 Prozent des BIP ausmacht. Besonders wichtig für die italienische Wirtschaft ist dabei der Fremdenverkehr.
Zweitgrößter Wirtschaftssektor ist die Industrie. Zu den größten Industriezweigen zählen der Maschinen- und Automobilbau, die Chemieindustrie und die Textilindustrie.
Traditionell konzentriert sich die italienische Wirtschaft stark auf den Außenhandel und rangiert im internationalen Vergleich hinter Südkorea auf Platz acht der größten Exportnationen. Doch trotz der starken Exportwirtschaft hat Italien eine negative Handelsbilanz. Die Importkosten übersteigen um mehr als 40 Milliarden Euro die Exporteinnahmen.
Wo liegen die Probleme in der italienischen Wirtschaft?
Italien ist nach Griechenland das am zweitstärksten verschuldete Land der Eurozone. Auf mehr als 1,8 Billionen Euro wurde der Schuldenberg in den vergangenen Jahrzehnten angehäuft, das entspricht einer Staatverschuldung von 120 Prozent gemessen an der gesamten Wirtschaftleistung des Landes. Der Maastrichter Vertrag erlaubt eine Staatsverschuldung von 60 Prozent. Problematisch sind besonders die geringen Wirtschaftswachstumsraten. Nach einem deutlichen Einbruch während der internationalen Finanzkrise 2009 haben sie sich mittlerweile wieder auf dem Vorkrisenniveau von etwa einem Prozent eingependelt.
Schuld daran ist vor allem die verminderte Wettbewerbsfähigkeit italienischer Unternehmen auf den Weltmärkten. Eine geringere Produktivität in Folge von steigenden Lohnstückkosten und hohen staatlichen Steuerabgaben machen die Made-in-Italy-Produkte zunehmend unattraktiver. Hinzu kommt ein Justizwesen, das nach Untersuchungen der Weltbank noch langsamer arbeitet als das in Ländern wie Gabun oder Guinea-Bissau.
Wie sieht der italienische Arbeitsmarkt aus?
Ein weiteres Problem ist die Arbeitslosigkeit in Italien. Zwar liegt die Arbeitslosenquote mit aktuell etwa 8,7 Prozent unter dem EU-Durchschnitt von zehn Prozent. Die Beschäftigungsquote ist dagegen mit nur 59 Prozent deutlich niedriger als in den anderen EU-Staaten. Besonders dramatisch gestaltet sich die Jugendarbeitslosigkeit in Italien. Etwa jeder dritte unter 25-Jährige steht ohne Arbeit da.
Hinzu kommt in Italien ein ökonomisches Nord-Süd-Gefälle: Während der oberitalienische Raum um die Wirtschaftszentren Mailand, Turin und Genua zu den wirtschaftlich stärksten Gebieten Europas zählt, gilt der Süden als eine der strukturschwächsten Regionen.
Was bemängeln die Ratingagenturen?
Die beiden großen Ratingagenturen Moody's und Standard and Poor's (S&P) kritisieren vor allem das niedrige Wachstum und die geringe Produktivität der italienischen Wirtschaft. Während sich EU-Länder wie Deutschland mittlerweile von der Rezession erholt hätten, lahme die italienische Konjunktur weiter. Ein Grund für Moody's, Italien in seiner Kreditwürdigkeit herabzustufen: "Das Land hat erst einen kleinen Teil des Einbruchs von fast sieben Prozent während der globalen Wirtschaftskrise wieder ausgeglichen - trotz niedriger Zinsen."
Politische Faktoren beschäftigen dagegen die Analysten bei S&P: "Italiens Wachstumsaussichten sind schwach und der politische Wille, produktivitätssteigernde Reformen einzuführen, scheint ins Stocken geraten zu sein", heißt es in einer Erklärung, die bereits am 21. Mai veröffentlicht wurde. Dadurch sei eine Reduzierung des enormen Schuldenbergs in den kommenden Jahren sehr unwahrscheinlich.
Welche Maßnahmen ergreift die italienische Politik?
Um die horrende Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen und das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen, hat die Regierung in Rom ein Sparpaket mit einem Gesamtvolumen von 47 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Eingespart werden soll vor allem im öffentlichen Dienst, im Gesundheitssystem und bei den Ministergehältern. Ziel ist es, bis 2014 einen ausgeglichen Haushalt vorzulegen. Nachdem das Regierungskabinett das Sparpaket bereits verabschiedet hat, muss es nun noch durch das Parlament.
Doch schon jetzt mehrt sich der Widerstand gegen das Vorhaben. Denn vor allem die linke Opposition befürchtet einen "sozialen Kahlschlag". Die Ratingagentur S&P hält die Sparmaßnahmen dagegen für unzureichend. Zwar könne die Wettbewerbsfähigkeit Italiens erhöht werden, doch das Land brauche zusätzlich Reformen, um ein größeres Wirtschaftswachstum zu erreichen.