Privatisierungspläne in Griechenland umstritten "Tafelsilber" zum Schnäppchenpreis
In Brüssel wird heute wieder einmal über Kredite für Griechenland beraten, in Athen wird derweil versucht, "Tafelsilber" wie die Staatsbahn zu verkaufen. Die sieht zwar eher nicht aus wie "Tafelsilber", soll aber 200 Millionen Euro bringen. Der Verkauf ist umstritten und würde auch kaum helfen.
Von Thomas Bormann, ARD-Hörfunkstudio Istanbul
Der Vorstadt-Zug nach Piräus fährt am Athener Hauptbahnhof ein: Die Seitenwände der Waggons sind mit bunten Graffiti übersät, aber die Bahnkunden stört das nicht. Hauptsache der Zug fährt. "Es ist okay so, aber die Bahn sollte öfter fahren. Wir wünschen uns, dass mehr Züge nach Piräus gehen", sagt eine Frau.
Privatisierung - nur ein anderes Wort für Massenentlassungen
Die Regierung möchte die griechische Eisenbahn an einen privaten Investor verkaufen. So könnten 200 Millionen Euro in die leere Staatskasse fließen, rechnen Optimisten. Die Bahnkunden aber fürchten, dass die Fahrkarten dadurch noch teurer werden.
Nontas Theodoropoulos ist ein stämmiger Mann Mitte 50. Seit 30 Jahren arbeitet er als Lokführer. Und genau wie seine Passagiere, die Bahnkunden, hält auch Lokführer Theodoropoulos gar nichts von der Idee, die Bahn zu privatisieren. Privatisierung, das ist für ihn nur ein anderes Wort für Massenentlassungen.
Gewerkschaften drohen mit Streiks
"Persönlich würde das für mich bedeuten: Ich weiß nicht, ob ich dann überhaupt noch Arbeit haben werde - und wenn ja, werden sie mir den Lohn noch weiter kürzen", sagt Theodoropoulos. Die Eisenbahner-Gewerkschaft steht voll hinter ihm und den anderen Lokführern. Sie alle wollen gegen die geplante Privatisierung kämpfen - mit Streiks und Protesten.
Ähnlich haben auch schon die Beschäftigten der Elektrizitätswerke gedroht. Sollte die Regierung all die Werke an private Investoren verkaufen, wollen die Beschäftigten das Stromnetz in ganz Griechenland lahm legen.
Elf Milliarden Euro Einnahmen - 300 Milliarden Euro Schulden
Ministerpräsident Antonis Samaras aber will jetzt ernst machen mit der Privatisierung. Nicht nur die Eisenbahn und die Elektrizitätswerke sollen verkauft werden, sondern auch Regionalflughäfen und Gaswerke, kleinere Häfen auf Touristen-Inseln wie Mykonos oder Zakynthos oder gleich ganze Inseln. Samaras will mit all den Privatisierungen elf Milliarden Euro einnehmen.
Angesichts von Staatsschulden in Höhe von gut 300 Milliarden Euro ist das nur sehr wenig Geld. Aber Samaras betont: "Wir legen einen Schwerpunkt auf Privatisierungen. Und wenn dafür neue Gesetze nötig sind, werden wir die beschließen. Wir müssen Privatisierungen beschleunigen, denn die bringen Investitionen, mit anderen Worten: Arbeitsplätze und Wachstum."
Oppositionschef Alexis Tsipras vom Bündnis der Radikalen Linken glaubt nicht, dass diese Rechnung aufgeht. Er ruft zum Widerstand gegen Privatisierungen auf. "Privatisierungen werden unsere Wirtschaft nicht retten, sondern sie ausplündern." Seine Partei werde bald an die Macht kommen, sagt Tsipras und verweist auf aktuelle Wählerumfragen, die sein Bündnis tatsächlich als stärkste Partei sehen.
Tsipras-Drohung schreckt Investoren ab
So droht Tsipras: Wer sich jetzt für billiges Geld Staatseigentum wegschnappe, könne bald all sein Geld verlieren und strafrechtlich belangt werden. Klar, dass solche Töne Investoren abschrecken.
Wer sich trotzdem jetzt bei der Regierung in Athen meldet und Interesse am Kauf der Eisenbahn zeigt, wird versuchen, den Preis noch weiter zu drücken. Und selbst wenn die griechische Regierung mit dem möglichen Verkauf der Eisenbahn tatsächlich 200 Millionen Euro einnehmen würde, den Schuldenberg könnte sie damit nicht abtragen. Sie könnte mit diesen 200 Millionen Euro gerade mal die Zinsen bezahlen, die in nur einer Woche für diese Schulden anfallen.