Fusion in Autoindustrie Fiat Chrysler und PSA - zusammen stark?
Der italo-amerikanische Fiat Chrysler Konzern und der französische PSA Konzern wollen fusionieren. Es entstünde die Nummer 4 weltweit. Was wären die Folgen dieser Auto-Ehe? Und welche Rolle spielen "der Löwe" und "Ragazzo"?
Was würde eine Fusion den Unternehmen bringen?
Die Autoindustrie verkauft weltweit immer weniger Fahrzeuge. In gesättigten Märkten wie Europa und den USA herrscht Stagnation, und selbst der größte Markt China schwächelt. In Europa verliert das Auto als Status- und Wohlstandssymbol Schritt für Schritt an Bedeutung. Kurzum: Die Nachfrage nach Autos ist schlicht nicht mehr so hoch.
Zudem setzt der Dieselskandal der Branche noch immer zu. Unter dem Druck von Klimaschutzvorschriften müssen sie auf Elektroautos umschwenken und die Verbrennungsantriebe CO2-emissionsärmer machen. In der EU drohen milliardenschwere Strafen, wenn die Hersteller die Reduktionsziele dazu bis 2021 nicht erreichen.
Amerikanisches Urgestein: Jeep-Produktion in Ohio.
Und hier wird es für Fiat Chrysler interessant: Denn die Italo-Amerikaner verfügen über keine aussreichende Umwelttechnologie. Experten rechnen deshalb damit, dass der Konzern bald 700 Millionen Euro Bußgeld in der EU zahlen muss.
Zudem ist Fiat Chrysler im dritten Quartal dieses Jahres in die roten Zahlen gerutscht, man schrieb 179 Millionen Euro Verlust. Grund: vor allem das kriselnde Europageschäft.
Zahlreiche Gründe sprechen also dafür, sich in Europa einen potenten Partner zu suchen.
Der neue Peugeot e-208.
Da kommt PSA wie gerufen: Mit dem e-208 von Peugeot und dem Opel Corsa-e haben die Franzosen eine einheitliche E-Antriebsplattform auf dem Markt, die sich weiter ausbauen ließe. Außerdem verfügt PSA in Europa über ein engmaschiges Produktions-, Zulieferer- und Händlernetz. In einem Gesamtkonzern würde sich das für Fiat Chrysler auszahlen.
PSA dagegen würde von Fiat Chryslers profitablem Nordamerika-Geschäft profitieren. Fiat Chrysler erzielt in der Region zwei Drittel seines Umsatzes, einen Peugeot oder Citroen muss man auf amerikanischen Straßen dagegen mit der Lupe suchen: Nur knapp sechs Prozent seines Umsatzes erzielt PSA in Nordamerika.
Fiat Chrysler
110 Mrd. Euro Nettoumsatz, 4,8 Mio. ausgelieferte Fahrzeuge, 199.000 Mitarbeiter (alles Stand 2018)
Marken: Fiat, Chrysler, Jeep, RAM, Maserati, Alfa Romeo, Lancia
PSA
74 Mrd. Euro Umsatz, 3,9 Mio. verkaufte Fahrzeuge, 211.000 Mitarbeiter (alles Stand 2018)
Marken: Peugeot, Citroen, Opel, Vauxhall
Die größten Automobilhersteller (nach Umsatz):
1. Volkswagen
2. Toyota
3. Daimler
4. Fiat Chrysler PSA
5. ...
Was bedeutet das für die Arbeitsplätze?
Italiens Regierung und Gewerkschaften wollen Jobverluste bei Fiat Chrysler vermeiden. In Italien arbeiten 58.000 Menschen für den Konzern. Die meisten Werke sind schlecht ausgelastet. Jedoch: Die größere politische Lobby hätten in dem neuen Konzern sicher die französischen Standorte. Traditionell gibt es eine große Nähe zwischen PSA und dem französischen Staat, der sogar Miteigentümer ist.
Aufhorchen wird man auch in Deutschland: Bei Opel/Vauxhall war die Zahl der Beschäftigten im ersten Jahr nach der Übernahme durch PSA schon um knapp 5000 auf rund 30.000 (Ende 2018) gesunken. Seither nahmen noch mehr Opelaner Angebote zum freiwilligen Ausscheiden wahr. Die IG Metall fordert daher mehr Investitionen von PSA in Opel und pocht auf den bis Mitte 2023 geltenden Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen. Die Fusion könnte Beschäftigte und Kunden über Opels Zukunft weiter verunsichern.
Ein Mitarbeiter im Opel-Werk Eisenach.
Die Landesregierungen in Hessen und Rheinland-Pfalz haben bereits vor einem Jobabbau bei Opel gewarnt. "Eine Fusion von PSA und Fiat Chrysler darf die bereits gemeinsam getroffenen Vereinbarungen keinesfalls gefährden oder aufweichen, das gilt auch für die Arbeitsplatzgarantie bis 2023", erklärte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier.
Seine rheinland-pfälzische Amtskollegin Malu Dreyer sagte dem SWR, es dürfe wegen der Fusion der Opel-Mutter mit Fiat Chrysler an den Standorten Kaiserslautern und Rüsselsheim nicht zu einem Stellenabbau kommen. "Es darf nicht noch einmal passieren, dass die Opel-Beschäftigten die Betroffenen sind." Bereits bei der Integration von Opel in den PSA-Konzern hätten die Opelaner einen großen Beitrag geleistet.
Beide Politiker halten jedoch eine Fusion der beiden Autobauer für "strategisch sinnvoll".
Was könnte einer Fusion im Wege stehen?
Die Eigentümerstruktur bei PSA: Die französische Regierung, die Familie Peugeot und - über die Dongfeng Gruppe - der chinesische Staat halten jeweils gut zwölf Prozent. Die chinesische Beteiligung könnte in den USA Bedenken auslösen.
Wer sind die wichtigsten involvierten Personen?
Carlos Tavares, genannt "der Löwe", und John Elkann, Ur-Ur-Enkel von Gianni Agnelli Senior, dem Gründer von Fiat.
Carlos Tavares
Tavares hat die PSA-Gruppe um Peugeot und Citroën wieder flott gemacht und dem Löwen - so das Logo von Peugeot - die deutsche Traditionsmarke Opel einverleibt: Der 61 Jahre alte Portugiese Carlos Tavares machte sich als Chef des französischen Autoherstellers seit 2014 einen Ruf als erfolgreicher Sanierer, und das nur wenige Jahre nach der Beinahe-Pleite von PSA 2013 und dem Einstieg des französischen Staates und chinesischer Investoren. Mit Tavares rückte PSA innerhalb kürzester Zeit wieder in die Gewinnzone. Im vergangenen Jahr verzeichnete der Konzern ein "historisches" Nettoergebnis von 2,8 Milliarden Euro, ein Plus von 47 Prozent. Und auch Opel schrieb erstmals wieder schwarze Zahlen, nachdem Tavares der Marke ab 2017 ein strenges Sparprogramm verordnet hatte. Im neuen Konzern soll er Chef werden.
Auch sein Gegenüber bei Fiat Chrysler hat einen Spitznamen: "Ragazzo" ("Junge") wird der 43-jährige Elkann wegen seiner jugendlichen Züge, krausen Locken und schlaksigen Figur oft genannt. Doch nach neun Jahren an der Spitze von Fiat Chrysler hat der Enkel des legendären Fiat-Chefs Gianni Agnelli bewiesen, dass er zu den Großen in der Branche gehört. Seit 2010 leitet er den Verwaltungsrat von Fiat - ein Jahr zuvor hatte sich der Turiner Konzern beim insolventen US-Hersteller Chrysler eingekauft. Bei Fiat Chrysler schärft Elkann auch sein internationales Profil. Aufgewachsen in London, Rio de Janeiro, New York und Paris spricht er unter anderem fließend Französisch. Sicher kein Nachteil für den neuen Konzern, in dem Elkann Verwaltungsratschef werden soll.
Wie erfolgreich sind Auto-Hochzeiten?
Den Trend zur Konzentration auf dem Automarkt gibt es seit Jahrzehnten. Größe hilft vor allem, Kosten zu senken, zum Beispiel durch gemeinsame Entwicklung und Einkauf.
Doch nicht immer klappt es mit dem Traumpartner. So fusionierte 1998 der Daimler-Konzern seine Automobilmarke Mercedes mit Chrysler. Doch statt der "Hochzeit im Himmel" (Daimler-Chef Jürgen Schrempp) erlebten die Stuttgarter ein Desaster. Die kulturellen Unterschiede waren einfach zu groß. Als Nachfolger Dieter Zetsche 2007 die Notbremse zog, waren 40 Milliarden Euro futsch.
Entsprechend laut waren die Unkenrufe, als sich 2009 Fiat Chrysler schnappte. Die Amerikaner waren nach der Finanzkrise pleite - und Fiat absehbar alleine zu klein für den internationalen Automarkt. Und tatsächlich steht der Konzern mittlerweile gut da. Die Fusion gilt als gelungen, auch wenn man im Asiengeschäft und bei den alternative Antrieben noch Defizite hat.
Auch Renault ist glücklich geworden - mit Nissan. 1999 übernahm Renault rund ein Drittel der Anteile von Nissan, als die Japaner kurz vor dem Bankrott standen. Der damalige Renault-Chef Carlos Ghosn sanierte Nissan nach Vorbild des eigenen Hauses und holte 2016 auch Mitsubishi ins Boot. Ende 2018 stürzte Ghosn über Betrugsermittlungen in Japan.
Ebenfalls in die Reihe glücklicher Ehen gehört der chinesische Autobauer Geely, der in den vergangenen Jahren einen bemerkenswerten Aufstieg hingelegt hat. 2009 übernahm Geely den kriselnden schwedischen Fahrzeughersteller Volvo vom US-Konzern Ford. Dank moderner E-Antriebe gilt Volvo mittlerweile als einer der innovativsten Hersteller in Europa.