Auf der Windschutzscheibe eines Neuwagens steht ein Angebot zur Finanzierung.

Gestiegene Zinsen für Kredite Was der Kauf auf Pump schon wieder kostet

Stand: 02.10.2023 14:09 Uhr

Zehn Mal in Folge hat die EZB den Leitzins erhöht - und die "alte Normalität" der Finanzwelt ist zurück. Einen Kredit aufzunehmen, kostet Geld. Sparer dagegen können sich freuen.

Mini-Zins, Niedrigzins-Phase, Negativ-Zins: Andrej Keller aus Gießen hat die außergewöhnlichen Zeiten genutzt und in den vergangenen Jahren Auto, Fernseher und Sofa auf Pump gekauft und wie viele Deutsche die Null-Prozent-Angebote des Handels genutzt. Vor wenigen Wochen machte der Familienvater eine Erfahrung, die ihn an alte Zeiten erinnerte. "Für den neuen Fernseher sollte ich neun Prozent Zinsen zahlen", sagt Keller. Das Angebot habe er dankend abgelehnt und das Gerät dann bar bezahlt - wie früher eben.

Für ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski ist das ein typisches Beispiel dafür, dass die alte Realität zurück ist. "Im alten Normal kostet ein Kredit eben Geld", erklärt er. Null-Prozent-Finanzierungen werde man daher immer weniger sehen.

Die Zinsen steigen wieder - Was das für Verbrauer und Unternehmen bedeutet

Steffen Clement, HR, plusminus, 20.09.2023 21:45 Uhr

Möbelhäuser warben häufig mit "Null-Zinsen"

Möbelhäuser haben während der Niedrigzins-Phase besonders laut für diese Marketing-Instrument getrommelt. Im Einrichtungshaus Segmüller im südhessischen Weiterstadt gab es die Null-Prozent-Finanzierung noch bis Anfang September für 72 Monate, aktuell mit 36 Monaten gerade noch halb so lang.

Weitere Verkürzungen hält sich Geschäftsführer Sascha Kaminski ausdrücklich offen, wenn die Zinsen noch weiter steigen. "Am Ende könnten wir sogar wieder bei zwölf Monaten zinsfrei landen, wie wir es bei der Einführung Anfang der Nuller-Jahre hatten", so der Möbelhaus-Chef.  

Höchster Leitzins seit Euro-Einführung

Wer eine Anschaffung mit einem Konsumentenkredit bezahlen will, muss sich auf höhere Kosten einstellen. Der durchschnittliche Zinssatz für ein 5.000 Euro-Darlehen für 36 Monate hat sich innerhalb von zwei Jahren von 3,6 Prozent auf aktuell 7,2 Prozent glatt verdoppelt, so der FMH-Zinsvergleichs.

Auslöser für diese Entwicklung ist die Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt. Nach zehn Erhöhungen in Folge liegt der Leitzins aktuell bei 4,5 Prozent und damit so hoch wie noch nie seit der Euro-Einführung vor mehr als 20 Jahren.

Mit dem historisch starken Zinsanstieg will die EZB die hohe Inflation wieder in den Griff bekommen. Denn höhere Zinsen senken die Nachfrage. "Die Kreditaufnahme wird teurer", erklärt Finanzexperte Brzeski den Zusammenhang. "Damit können sich die Leute und auch Unternehmen weniger leisten." Also geht über diesen Mechanismus die Nachfrage zurück. Bei gleichem Angebot sinkt dann der Preis, in diesem Fall eben die Inflation.

Ohne Investitionen droht die Rezession

Wie das in der Praxis aussieht, zeigt sich am Hallendach der Firma Stöckel Werkzeugmaschinen im hessischen Herborn. 100.000 Euro würde eine Sanierung kosten, die das Familienunternehmen mit einem Kredit finanzieren müsste. "Bei dem aktuellen Zinsniveau stellen wir aber diese Investition zurück", so Geschäftsführer Felix Kämpfer.

Dasselbe machen auch seine Kunden, die nun weniger Schleifmaschinen bei ihm bestellen. So wird über den Zinsanstieg die Wirtschaft ausgebremst. Aus Sicht des ING-Chefvolkswirts ist die EZB bereit, für eine Inflationsbekämpfung eine Rezession im Euroraum als Preis zu bezahlen.

Aussichten für Sparer gut wie lange nicht

Ob Privatperson oder Unternehmen: Wer einen Kredit braucht, muss dafür mehr zahlen. Wer dagegen Geld anlegen möchte wie Rentner Jürgen Retzel, der kann sich über den Zinsanstieg freuen. "Ich hatte lange Zeit mehr gehofft als geglaubt, dass es mal wieder richtig Zinsen gibt", sagt Retzel. Inzwischen könne er wieder aus verschiedenen Angeboten von vier Prozent und mehr auswählen. "Das ist schon wieder richtig gut nach all den Jahren."

Bei der aktuellen Inflation verliert das Geld zwar immer noch an Wert, aber nicht mehr so stark wie bisher. Die Aussichten für Sparer sind nach Einschätzung von ING-Chef-Volkswirt Brzeski so gut wie lange nicht: Die jüngste Zinserhöhung der EZB werde an die Sparer weitergeleitet; die Inflationsrate werde in den kommenden Monaten noch weiter zurückgehen. "Am Ende des Jahres werden die deutschen Sparer wieder einen positiven Realzins erhalten", so seine Prognose.

Das bedeutet: Die Zinsen sind höher als die Preissteigerungen, so dass der Wert des gesparten Geldes steigt. Die alte Normalität ist wieder zurück: Sparen lohnt sich, und Geldleihen kostet richtig Geld.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Plusminus am 20. September 2023 um 21:45 Uhr.