Leuchtendes Gamestop-Logo vor dunklem Hintergrund
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"Meme-Aktien" schnellen hoch Die Rückkehr der Zockerpapiere

Stand: 14.05.2024 16:50 Uhr

Abermals erleben angeschlagene US-Aktien wie GameStop plötzlich sagenhafte Kursgewinne. Was hinter diesem Internet-Phänomen steckt - und warum sich Privatanleger dabei besser raushalten sollten.

Von Detlev Landmesser, ARD-Finanzredaktion

Wer die Spekulationsblase bei Internet-Aktien um die Jahrtausendwende erlebt hat, dem wird beim Phänomen der so genannten "Meme Stocks" vieles bekannt vorkommen. Auch hier diskutieren mehr oder weniger anonyme User in Börsenforen über einzelne Aktien, oft kaum bekannte Titel mit geringem Marktwert.

Folgt man einem solchen Gesprächsfaden ("Thread"), kristallisieren sich bald zwei gegensätzliche Parteien heraus: Die sogenannten "Pusher", diejenigen, die sich positiv über die Aktie äußern, und die zahlenmäßig meist unterlegenen "Basher", die kein gutes Haar an dem Papier lassen. Auffälligerweise hat letztere Spezies oft die besseren Argumente - die aber in der Regel übergangen werden.

Recht schnell erkennt man zudem, welche der "Pusher" Substanz zu bieten haben wie etwa tiefere Kenntnisse zu Absatzmärkten, Bilanzierung oder Aktienrecht - und welche ohne echte Argumente für eine Aktie trommeln. Letztere Unterspezies ist auch unter der Bezeichnung "Dummpusher" bekannt.

Was sind "Meme Stocks"?

Heute heißen die gepushten Aktien also "Meme Stocks". "Meme" deswegen, weil die Zockerpapiere ebenso wie lustige Internet-Bildchen oder Videos mit aktuellem Bezug ("Memes") viral gehen und so Bekanntheit erlangen.

Der Trend beschert angeschlagenen US-Aktien wie GameStop und AMC Entertainment gerade sagenhafte Kursgewinne. Ausgelöst wurde dies durch die Rückkehr eines der klügeren "Pusher", heute "Finfluencer" genannt. Am Sonntag veröffentlichte der Amerikaner Keith Gill, der auf YouTube als "Roaring Kitty" und auf Reddit als "DeepF***ingValue" unterwegs ist, beim Kurznachrichten-Dienst X die Skizze eines Mannes, der sich in einem Stuhl nach vorne lehnt - ein beliebtes "Meme" unter Gamern, das darauf hindeutet, dass es ernst wird.

Es war Gills erstes Posting auf X seit Mitte 2021. Zahlreiche weitere Nutzer sprangen auf und stellten den Bezug zu GameStop und anderen Titeln her, die zuvor stark unter Verkaufsdruck gestanden hatten.

Kritische Masse hat zugenommen

Während die grundlegende Börsen-Zoologie der 2000er-Jahre auch heute noch existiert, sind in den vergangenen Jahren zwei wesentliche Faktoren hinzugekommen. Der eine: Die kritische Masse Gleichgesinnter hat zugenommen. Das hat der Aufstieg der Sozialen Medien ermöglicht, die zu den klassischen Börsenforen hinzugetreten und in der Regel geeigneter sind, wesentliche Informationen rasch zu verbreiten.

Der zweite besteht in einer zunehmenden Professionalisierung bestimmter "Pusher", die das Kapitalmarktgeschehen verfolgen und gezielt auf Aktien angeschlagener Unternehmen setzen, die zuvor von vielen Profis "leerverkauft" wurden. Das heißt, insbesondere Hedgefonds haben diese Papiere in der Erwartung fallender Kurse geliehen und sofort verkauft. Können sie diese Papiere vor dem Rückgabetermin tatsächlich günstiger zurückkaufen, streichen sie die Kursdifferenz als Gewinn ein.

Die Geburtsstunde der "Meme Stocks"

Kommen diese beiden Faktoren, also kritische Masse der Käufer und hohe Leerverkaufspositionen zusammen, kann das zu explosiven Kursbewegungen führen. Gelingt es den "Pushern" nämlich, eine Aktie mit vergleichsweise kleinen Stückzahlen im Handel durch koordinierte Käufe zum Laufen zu bringen, werden mehr und mehr Leerverkäufer gezwungen, ihre Positionen zu schließen, also die Aktie schleunigst zurückzukaufen, bevor ihre Verluste zu hoch werden.

Denn jeder Kurs über dem ursprünglichen Verkaufspreis der geliehenen Aktien bedeutet für sie einen Verlust. Durch solche hektischen Rückkäufe, auch "Short Squeeze", also das "Ausquetschen der Leerverkäufer" genannt, wird aber die Aufwärtsbewegung der Aktie enorm verstärkt.

Eine solche Konstellation war zuletzt idealtypisch im Januar 2021 zu beobachten, der Geburtsstunde der "Meme Stocks". Auch hier stand die Aktie des Videospielhändlers GameStop im Fokus, die zuvor massiv leerverkauft worden war. Keith Gill hatte schon seit einiger Zeit auf verschiedenen Sozialen Medien und in der Diskussionsgruppe "wallstreetbets" auf Reddit auf das angebliche Kurspotenzial des Papiers verwiesen.

Kursplus von 400 Prozent

Ende des Monats schließlich stieg das Interesse an dem Papier sprunghaft an, und der folgende "Short Squeeze" sorgte für ein Kursplus von 400 Prozent. Mehrere Hedgefonds erlitten dadurch Milliardenverluste, der New Yorker Fonds Melvin Capital brach unter der Last seiner Short-Position sogar zusammen.

Neben GameStop wurden damals auch die angeschlagene US-Kinokette AMC, der kanadische Tech-Konzern Blackberry und der Heimtextilhändler Bed Bath & Beyond gepusht, was sie zu den ursprünglichen "Meme Stocks" machte.

Keine Erfolgsgeschichte

Die Aufregung in der Finanzwelt war groß und rief die Politik auf den Plan. Auch Gill wurde zu einer Anhörung in den US-Kongress zitiert. Letztlich gingen die "Pusher" aber mit einem gewissen Robin-Hood-Image aus dem Fall hervor, weil sie mit vereinten Kräften und quasi mittels Schwarmintelligenz die "bösen" Leerverkäufer das Fürchten gelehrt hatten.

Abgesehen davon, dass es seither zahllose Nachahmer und kraftlose Versuche gab, ungeeignetere Aktien zu pushen, waren auch die "Meme Stocks" keine Erfolgsgeschichte.

Denn nur wenige Wochen oder Monate nach der Kursexplosion waren GameStop & Co. wieder auf ihre Niveaus vor dem Hype zurückgefallen. An ihrer schwierigen geschäftlichen Lage hatte dieser nämlich nichts geändert.

Bed Bath & Beyond ging schließlich sogar pleite - eine Mahnung, wie riskant die Teilnahme an einer solchen Spekulation für Privatanleger ist. Erfahrungsgemäß verlieren die meisten von ihnen bei einer solchen spekulativen Welle ohne fundamentale Basis Geld, weil sie zum falschen Zeitpunkt ein- und aussteigen. Das wird dieses Mal nicht anders sein.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 14. Mai 2024 um 09:00 Uhr.