Vor Fed-Sitzung Gespanntes Warten an der Wall Street
Zum Auftakt der "Fed-Woche" haben sich die US-Anleger moderat vorgetastet. Die Spannung ist groß vor der nächsten Sitzung der Notenbank am Mittwoch. Klärende Worte werden sehnlichst erwartet.
Die US-Börsen sind zum Wochenauftakt mit moderaten Gewinnen aus dem Handel gegangen. Anders als in Europa zuvor wurden heute jedoch keine neuen Allzeit- oder Mehrjahreshochs erreicht.
Der Leitindex Dow Jones ging am Ende bei 36.404 Punkten aus dem Handel, ein Tagesgewinn von 0,43 Prozent. Ähnlich bewegten sich auch die anderen Indizes. Der marktbreite S&P-500-Index schloss 0,39 Prozent höher bei 4.622 Punkten und damit nahe seines im Verlauf bei 4623 Punkten erreichten Jahreshöchststandes. An der Technologiebörse Nasdaq ging es um 0,2 Prozent bergauf, stärker zog der der Auswahlindex Nasdaq 100 an, der um 0,85 Prozent vorrückte.
Investoren warten auf die US-Inflationsdaten am Dienstag und den Zinsentscheid der US-Notenbank Fed am Mittwoch. Zuletzt hielten die Währungshüter nach zahlreichen Zinserhöhungen seit Anfang 2022 die Füße still, um der Wirtschaft nicht allzu stark zuzusetzen. An den Finanzmärkten wird auch am Mittwoch mit einer Zinspause gerechnet.
"Wichtiger für den Markt sind die Hinweise darauf, wo die Fed-Entscheidungsträger die Zinsen im kommenden Jahr sehen", sagte Neil Wilson, Chefanalyst des Brokers Finalto. "Die Anleger gehen 2024 von starken Zinssenkungen aus, aber bisher haben die Fed-Leute diesen Vorstellungen nicht zugestimmt. Die Dezember-Sitzung wäre der richtige Zeitpunkt, um den Ton zu ändern und sich den Marktprognosen anzunähern."
Laut dem Marktbeobachter Craig Erlam vom Broker Oanda werden in den kommenden Tagen die Weichen dafür gestellt, wie das Jahr 2023 zu Ende geht und das kommende Jahr beginnt. Dem Experten zufolge richten sich die Blicke auf Zinsentscheide, darunter vor allem jener der US-Notenbank Fed am Mittwoch mit erhofften Aussagen zum geldpolitischen Kurs. Dafür von Bedeutung sind am Dienstag bereits die jüngsten US-Verbraucherpreisdaten.
Die Nachrichtenlage aus dem Unternehmenssektor war überschaubar. Allerdings fiel die Aktie des weltberühmten Kaufhauses Macy's mit einem Kurssprung von 19,44 Prozent auf 20,77 Dollar deutlich aus dem Rahmen. Die Aktie profitierte von massiver Übernahmefantasie. Wie das "Wall Street Journal" und die Nachrichtenagentur "Bloomberg" unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen berichtet, wollen die Investoren Arkhouse Management und Brigade Capital Management 21 Dollar je Anteilsschein bieten. In Summe macht das rund 5,8 Milliarden Dollar (5,4 Mrd. Euro).
Auch zum Wochenstart hat sich die DAX-Weihnachtsrally weiter fortgesetzt. Der deutsche Leitindex überwand erstmals in seiner Geschichte die Marke von 16.800 Punkten bis auf sein Tageshoch bei 16.817 Zählern. Der Schlussstand lag letztlich bei 16.794 Punkten, ein moderates Plus von 0,21 Prozent. Damit setzte der DAX auf sein Rekordhoch vom Freitag noch ein paar Punkte obendrauf. Der Leitindex der Eurozone schloss 0,37 Prozent höher auf 4540 Punkten und erreichte ein neues Hoch seit Sommer 2007.
Somit setzt zumindest der deutsche Leitindex ungeachtet eher durchwachsener Konjunkturdaten und -aussichten seine Klettertour auf bisher nie gesehene Höhen fort. Als Grund wird immer wieder massive Zinsfantasie ins Feld geführt, nicht nur hierzulande, sondern auch an den anderen großen Märkten. Hinzu kommt ein zuletzt fallender Ölpreis und, aus deutscher Sicht sehr willkommen, ein schwächelnder Euro.
Diesen nahezu perfekten Rahmenbedingungen haben die Skeptiker derzeit nichts entgegenzusetzen. Sie müssen vielmehr aufpassen, den fahrenden Börsenzug nicht zu verpassen. "Die Hausse nährt die Hausse" ist wohl nicht umsonst eine der bekanntesten Börsenweisheiten.
Allerdings konnte der industrie- und exportlastige MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, zuletzt nicht mithalten. So auch heute wieder, der Index verlor 0,26 Prozent auf 26.622 Punkte.
Im weiteren Fokus der Anleger stehen die zahlreiche Notenbanktermine im weiteren Wochenverlauf. Sowohl die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) am Mittwoch, als auch die EZB, die Bank England und die Schweizer SNB kommen zu ihren letzten Sitzungen im laufenden Jahr zusammen.
"Sowohl bei der Federal Reserve als auch bei der EZB rechnet kein Marktteilnehmer auf der letzten Notenbanksitzung in diesem Jahr mit einem weiteren Zinsschritt", konstatierte Christian Henke vom Broker IG. "Vielmehr dürfte sich nun die Frage stellen, wann die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank im kommenden Jahr das Zinsrad wieder zurückdrehen werden."
Experten warnen zwar davor, dass in den aktuellen hohen Kursen bereits viel Fantasie enthalten ist und damit Rückschlagsgefahr besteht, die Rufe verhallen jedoch derzeit meist ungehört. Bei der EZB wetten Investoren inzwischen bereits auf eine erste Zinssenkung schon im März. "Ein Schritt nach unten im April ist sogar bereits zu 100 Prozent in den Kursen enthalten", so die Zins- und Währungsspezialisten Benjamin Schroeder und Francesco Pesole der niederländischen Großbank ING.
Überraschend stark ausgefallene Arbeitsmarktdaten in den USA hatten den Wetten auf eine schnelle Zinssenkung zuletzt einen Dämpfer versetzt, zugleich aber die Aussicht auf eine sanfte Landung der US-Wirtschaft verstärkt.
Der Eurokurs hat am Abend im US-Handelsverlauf wieder etwas zugelegt. Die Gemeinschaftswährung kostete zuletzt 1,0763 US-Dollar. Die Europäische Zentralbank hatte den Referenzkurs zuvor in Frankfurt auf 1,0757 (Freitag: 1,0777) Dollar festgelegt.
Der Handel zum Greenback verlief in ruhigen Bahnen. In der Eurozone wurden am Vormittag keine entscheidenden Konjunkturdaten veröffentlicht. Auch in den USA standen am Nachmittag keine wesentlichen Daten an. Zudem halten sich Notenbank-Vertreter vor den anstehenden Zinsentscheidungen mit öffentlichen Auftritten weitgehend zurück.
Unterdessen ist der Goldpreis zu Wochenbeginn erstmals seit Mitte November wieder unter die Marke von 2.000 Dollar gefallen. Die Feinunze Gold wird aktuell bei 1.981 Dollar gehandelt - ein Minus von 1,3 Prozent. Einige Experten hatten ein neues Rekordhoch bei 2.135 Dollar Anfang Dezember als "Fehlausbruch" bezeichnet.
Investoren am Ölmarkt ließen die Furcht vor einer schwächelnden Nachfrage zunächst hinter sich. Nach der Ankündigung des US-Energieministeriums, die strategischen Öl-Reserven wieder aufzufüllen, lagen die Preise für die Nordsee-Rohölsorte Brent und die leichte US-Sorte WTI leicht höher. Die Erdölpreise rangieren aber trotzdem nur wenig über ihren halbjährigen Tiefständen, die sie in der vergangenen Woche markiert hatten.
"Die Preise werden volatil und richtungslos bleiben, bis der Markt klare Informationen bekommt, inwieweit die Opec-Mitgliedsstaaten die zuletzt beschlossenen Empfehlungen für Produktionskürzungen umsetzen werden", schrieben die Experten der Royal Bank of Canada.
Still und leise arbeitet sich auch heute die T-Aktie im DAX weiter nach oben und legte weitere 0,75 Prozent zu auf 22,78 Euro zu. Größere Schwankungen sind eher die Ausnahme beim Bonner Indexschwergewicht, aber beim aktuellen Kursniveau fehlt nicht mehr viel bis zum 52-Wochen-Hoch bei 23,13 Euro. Die Bonner hatten zuletzt gute Geschäftszahlen präsentiert und auch die Dividende von 0,70 auf 0,77 Euro deutlich erhöht. Das kommt an der Börse gut an.
Auch die RWE-Aktie rückte in den Fokus: Deutschland darf dem Energiekonzern 2,6 Milliarden Euro staatliche Hilfe für den Kohleausstieg zahlen. "Mit der Beihilfe wird RWE für die vorzeitige Stilllegung seiner Braunkohlekraftwerke im rheinischen Revier entschädigt", teilte die EU-Kommission heute in Brüssel mit.
Größter Kursverlierer im DAX war die Zalando-Aktie mit einem Minus von knapp drei Prozent. Auf Jahressicht sind sie mit gut 34 Prozent Verlust zweitschwächster Wert im DAX, nur Papiere von Siemens Energy liefen noch schlechter - und gehörten auch heute zu den größten Verlierern im Leitindex. Aktuell trennen sich vor allem professionelle Investoren von den Jahresverlierern, um sie in der Jahresbilanz nicht in ihren Portfolios ausweisen zu müssen - "Window Dressing" heißt das im Börsensprech.
Die Gewerkschaft ver.di geht mit der Forderung nach deutlich höheren Gehältern in die Tarifverhandlungen für rund 25.000 Bodenbeschäftigte der Lufthansa. Die Vergütungen unter anderem der Techniker und der Check-In-Beschäftigten sollen um 12,5 Prozent, mindestens aber um 500 Euro im Monat steigen, erklärte Verhandlungsführer Marvin Reschinsky heute in Frankfurt. Zusätzlich soll es untere anderem eine Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro geben.
Die Morphosys-Aktie haussierte im SDAX um über 34 Prozent. Das Biotech-Unternehmen hat neue Ergebnisse aus einer Phase-3-Studie mit seinem wichtigsten Hoffnungsträger Pelabresib vorgelegt. Eine Kombination aus Pelabresib und Ruxolitinib, der derzeitigen Standardtherapie bei Myelofibrose, hat demnach im Vergleich zu einem Placebo in Kombination mit Ruxolitinib eine Verbesserung aller Krankheitsmerkmale gezeigt. Myelofibrose ist eine seltene bösartige Erkrankung des Knochenmarks.
Der US-Krankenversicherer Cigna nimmt von großen Übernahmen Abstand und stockt seine Aktienrückkäufe um 10 Milliarden Dollar (9,3 Mrd. Euro) auf. Statt 1,3 Milliarden Dollar will der Konzern nun 11,3 Milliarden Dollar für den Erwerb eigener Papiere ausgeben, wie er heute in New York mitteilte.
Cigna-Chef David Cordani erklärte den Schritt damit, dass die Cigna-Aktie "deutlich unterbewertet" sei. Dass Cigna mit dem Konkurrenten Humana über eine mögliche Fusion gesprochen haben soll, kommentierte er nicht. Diese Gespräche sind laut einem Bericht des "Wall Street Journal" vom Sonntag geplatzt. Die Anleger sind begeistert, das Cigna-Papier schnellt um gut 17 Prozent in die Höhe, Humana-Aktien fallen hingegen rund zwei Prozent zurück.
Das Übernahmefieber in der US-Ölbranche hält an. Occidental Petroleum will den US-Schieferölproduzenten CrownRock in einer zwölf Milliarden Dollar schweren Bar- und Aktientransaktion übernehmen. Zuvor hatte der Branchenriese Exxon Mobil den Kauf von Pioneer Natural Resources für 60 Milliarden Dollar angekündigt, Chevron will für 53 Milliarden Dollar den kleineren Konkurrent Hess übernehmen.
Der US-Softwareriese Oracle hat im abgelaufenen zweiten Geschäftsquartal weniger Geschäft gemacht als erwartet. Der Umsatz insgesamt kletterte im Jahresvergleich um fünf Prozent auf 12,9 Milliarden US-Dollar (12 Mrd. Euro), wie der SAP-Erzrivale am Abend in Austin (Texas) mitteilte. In den drei Monaten bis Ende November hatten sich Analysten im Schnitt 13,1 Milliarden Dollar Erlös ausgerechnet. Im wichtigen Cloudgeschäft mit Software und Rechendiensten über das Netz verlangsamte sich das Wachstumstempo zum zweiten Mal in Folge. Die Aktie fiel nachbörslich um mehr als acht Prozent.
Unter dem Strich steigerte Oracle den Nettogewinn um fast 44 Prozent auf 2,5 Milliarden Dollar, weil die Kosten weniger zulegten als der Erlös und der Steueraufwand zurückging. Vorstandschefin Safra Catz sprach von "astronomisch" wachsender Nachfrage nach Cloud-Rechenleistung und KI-Diensten. Der Oracle-Gründer sowie Verwaltungsrats- und Technikchef Larry Ellison verwies auf den schnellen Aus- und Neubau von Cloud-Rechenzentren.
Aktuelle Daten zum Abnehmmittel Zepbound (Tirzepatide) haben den in diesem Jahr bislang stark gelaufenen Aktien von Eli Lilly heute zugesetzt. Die Aktien gaben im freundlichen Gesamtmarkt 2,3 Prozent nach auf 584,04 Dollar.
Börsianern zufolge belasteten neue Studiendaten des Pharmaunternehmens in der Fachzeitschrift Jama (Journal of the American Medical Association). Sie zeigten, dass übergewichtige, aber nicht an Diabetes Typ 2 erkrankte Patienten, die das Mittel abgesetzt hatten, nach einer gewissen Zeit wieder zunahmen.
Die Aktie von Eli Lilly ist allerdings seit Jahresbeginn sehr stark gelaufen und hatte erst Mitte Oktober bei knapp unter 630 US-Dollar ein Rekordhoch erreicht. Im bisherigen Jahr beträgt das Kursplus aktuell fast 60 Prozent. Mit einem Börsenwert von knapp 570 Milliarden Dollar (530 Mrd. Euro) ist Eli Lilly der inzwischen wertvollste Pharmakonzern im breiten US-Index S&P 500 und nimmt unter all den dort notierten Unternehmen Platz neun ein.