Händler an der New Yorker Börse
marktbericht

Zögerliche Anleger Wall Street mit angezogener Handbremse

Stand: 07.07.2023 22:17 Uhr

Mit den gemischt ausgefallenen Daten vom Arbeitsmarkt hat sich die Wall Street schwer getan und letztlich noch im Minus geschlossen. Der DAX stabilisierte sich derweil.

An der New Yorker Börse wollte nach etwas schwächer als erwartet ausgefallenen Daten vom Arbeitsmarkt heute keine rechte Begeisterung aufkommen. Die Indizes fanden lange keine klare Richtung und rutschten im späten Geschäft noch ins Minus, wonach es lange nicht ausgesehen hatte.

Der Dow-Jones-Index, der Leitindex der Standardwerte, hatte es am schwersten und schloss letztlich bei 33.734 Punkten um 0,55 Prozent im Minus. Auf Wochenbasis steht ein Verlust von knapp 2,0 Prozent.

Alle anderen großen Indizes schlossen ebenfalls leichter, auch die Tech-Börse Nasdaq. Die Bewegungen waren allerdings überschaubar . Am Schluss gab die Nasdaq leicht um 0,13 Prozent, der Auswahlindex Nasdaq 100 um 0,35 Prozent nach. Der marktbreite S&P-500 ging bei 4398 Punkten um rund 0,3 Prozent niedriger aus dem Handel.

Mit Spannung war nach den überraschend starken Daten des privaten Arbeitsvermittlers ADP vom Vortag die offizielle Arbeitsmarktstatistik der US-Regierung erwartet worden, wegen der Bedeutung der Zahlen für die Zinspolitik der Notenbank Federal Reserve (Fed) traditionell ein Höhepunkt an der Börse. Doch die aktuellen Arbeitsmarktzahlen fielen in ihrer Aussagekraft für die Anleger nicht eindeutig aus.

Konkret haben US-Unternehmen im Juni weniger Stellen geschaffen als erwartet. 209.000 neue Jobs kamen außerhalb der Landwirtschaft hinzu, wie die Regierung in Washington am Nachmittag mitteilte. Befragte Ökonomen hatten jedoch 225.000 neue Arbeitsplätze erwartet. Die getrennt ermittelte Arbeitslosenquote sank im Juni wie erwartet leicht auf 3,6 von 3,7 Prozent im Mai.

Die durchschnittlichen Stundenlöhne erhöhten sich allerdings im Monatsvergleich um 0,4 Prozent. Ökonomen hatten im Schnitt einen Anstieg um lediglich 0,3 Prozent erwartet. Gegenüber dem Vorjahresmonat legten die Stundenlöhne um 4,4 Prozent zu. Auch dieser Anstieg ist stärker als erwartet.

"Die heutigen Zahlen bestätigen, dass der Arbeitsmarkt immer noch stark ist(...), und dieser Bericht gibt der Fed grünes Licht für eine Zinserhöhung", sagte Peter Cardillo, Chefmarktökonom bei Spartan Capital Securities.

Im Kampf der Notenbank gegen die Inflation birgt ein auf Hochtouren laufender Jobmarkt Risiken. Unternehmen müssen neues Personal oft mit höheren Löhnen locken und versuchen, die gestiegenen Kosten an die Kunden weiterzureichen, was wiederum die Inflation antreibt. Händler rechnen mehrheitlich immer noch damit, dass die Zinsen in diesem Monat auf eine Spanne von 5,25 bis 5,5 Prozent angehoben werden.

"Es ist eine ungewöhnliche Zeit - wir erhalten die Nachricht, dass es der Wirtschaft ganz gut geht, mit einer Beschäftigung, die als Rückenwind für das Wachstum angesehen wird", sagte Investmentstratege Steve Wyett von BOK Financial. "Aber zur gleichen Zeit bringt dass die Fed in die Lage, noch mehr Arbeit erledigen zu müssen."

Aktien der Facebook-Mutter Meta gingen nach volatilem Handel um 0,5 Prozent leichter aus dem Markt. Das Papier hatte zur Sitzungsmitte noch deutlich im Plus gelegen, konnte das Niveau aber nicht halten. Die Blicke blieben wie schon am Vortag auf das Unternehmen gerichtet, nachdem unter dem Namen Threads eine Konkurrenz-App zum Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht wurde, die schon nach kurzer Zeit auf mehr als zehn Millionen Nutzer kam.

Twitter droht dem Facebook-Konzern laut einem Medienbericht nun mit einer Klage. Deren Anwälte beschuldigen Meta, es habe "rechtswidrig Betriebsgeheimnisse und anderes geistiges Eigentum" von Twitter veruntreut. Der Facebook-Mutterkonzern wies die Vorwürfe zurück.

Bei den an der New Yorker Börse notierten Titeln des chinesischen Internetkonzerns Alibaba ging es deutlich um 8,0 Prozent nach oben. Am Freitag war bekannt geworden, dass China gegen die auf Finanztechnologie spezialisierte Beteiligungsgesellschaft Ant Group von Alibaba eine umgerechnet 900 Millionen Euro schwere Strafe verhängt hat. Damit könnte nun ein langwieriger Streit zu einem Ende kommen. Wie es hieß, dürfte die Ant Group nun wieder flexibler in ihren Entscheidungen werden.

Nach dem Schock des Vortages, als überraschend starke Daten vom US-Arbeitsmarkt Zinsängste massiv befeuerten, hat sich der DAX heute stabilisiert. Er gewann am Ende 0,48 Prozent auf 15.603 Punkte und stoppte damit nach vier verlustreichen Handelstagen den Abwärtstrend. Bereits am Vormittag hatte der DAX sein Vorzeichen gewechselt, nachdem er zuvor im Tagestief bis auf 15.456 Punkte gefallen war. Das Tageshoch lag bei 15.661 Punkten.

Allerdings ist der Index nach einem kräftigen Wochenminus von fast 3,4 Prozent angeschlagen. Immerhin konnte er sich heute an der Untergrenze seiner technischen Unterstützung bei 15.600 Punkten stabilisieren. Auch der MDAX, der Index der mittelgroßen Werte, machte Boden gut und stieg wieder über die 27.000er-Marke auf 27.015 Punkte - ein Tagesgewinn von 1,15 Prozent.

Thema des Tages waren heute, wie auch an der Börse in New York, die neuen Daten vom US-Arbeitsmarkt. Die Begeisterung der Anleger über die Juni-Daten hielt sich in Grenzen, das Schicksal weiterer deutlicher Kursverluste wie am Vortag blieb dem Markt aber erspart. Allerdings bieten auch die neuen Zahlen keinen wirklichen Aufschluss darüber, ob der Zinsgipfel in den USA schon erreicht ist.

"Der US-Arbeitsmarkt kann hochgesteckte Erwartungen nicht erfüllen. Trotz der enttäuschenden Zahl der neu geschaffenen Stellen ist eine echte Abkühlung des Arbeitsmarktes noch nicht zu konstatieren", kommentiert Ralf Umlauf von der Helaba.

"Der Beschäftigungsaufbau ist weiterhin solide und die Arbeitslosenquote niedrig, während die Lohnsteigerungen ansehnlich sind und die Jahresrate dabei sogar zugelegt hat. Die Fed wird daher an der avisierten Zinserhöhung Ende des Monats festhalten und sich darüber hinaus alle Optionen in Abhängigkeit der Datenentwicklung offenhalte", so der Experte.

Fundamental könnte zudem der wieder aufflammende Handelskonflikt zwischen USA und China den Aktienmarkt belasten, meint Salah-Eddine Bouhmidi vom Finanzdienstleister IG.

Update Wirtschaft vom 07.07.2023

Antje Erhard, HR, tagesschau24

Inmitten von Zins- und Konjunktursorgen gab es aber auch einen großen Lichtblick am Frankfurter Aktienmarkt. Denn die Aktien von Thyssenkrupp Nucera legten beim Börsendebüt des Wasserstoff-Anlagenbauers deutlich zu. Der erste Kurs an der Frankfurter Börse wurde am Morgen mit 20,20 Euro festgestellt, am Ende wurden 23,52 Euro bezahlt, ein Plus von über 16 Prozent.

Nucera ist ein Hoffungsträger des Essener Industriekonzerns. Die bewährte Technik der Chloralkali-Elektrolyse lässt sich auf Wasserstoff übertragen, der eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielt. Die Aktien waren zu 20 Euro ausgegeben worden, etwa in der Mitte der Zeichnungsspanne.

39 Prozent des Emissionsvolumens von 605 Millionen Euro gingen dabei an die beiden Ankerinvestoren, einen Fonds der französischen Bank BNP Paribas und den saudi-arabischen Staatsfonds PIF. Diese Papiere stehen damit vorerst nicht für den Handel zur Verfügung. Im Streubesitz sind tatsächlich nur knapp 15 Prozent der Nucera-Aktien.

Die Gemeinschaftswährung legt nach den US-Arbeitsmarktdaten zu und handelte zuletzt im US-Handel bei 1,0967 Dollar am Tageshoch. Das ist fast genau einen Cent über dem Tagestief bei 1,0868 Dollar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,0888 (Donnerstag: 1,0899) Dollar fest. Eher enttäuschend ausgefallene Daten zur deutschen Produktion im Mai bewegten den Markt zuvor kaum.

Der Arbeitsmarktbericht wird an den Finanzmärkten besonders stark beachtet, weil die US-Notenbank ihre Geldpolitik auch an der Job-Situation ausrichtet. Die Fed sieht in der vergleichsweise geringen Arbeitslosigkeit vor allem Inflationsrisiken, weil der Mangel an Arbeitskräften deren Position in Lohnverhandlungen stärkt.

Jede "schwächere" Zahl vom Arbeitsmarkt senkt daher in den Augen der Marktteilnehmer das Zinserhöhungsszenario für den Dollar und umgekehrt. Allerdings steht auch die EZB vor einer weiteren Zinserhöhung im Juli, was den Euro stützt.

Die Ölpreise haben am Freitag zugelegt. Zuletzt kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zwei Prozent mehr. Die Ölpreise profitierten vom schwächeren US-Dollar. Die in den Vereinigten Staaten schwächer als erwartet ausgefallene Beschäftigungsentwicklung im Juni belastete den Dollar. Ein weniger starker Dollar macht Rohöl für Anleger in anderen Währungsräumen günstiger.

Seit Montag haben die Notierungen am Ölmarkt deutlich zugelegt. Brent-Öl gewann etwa drei Dollar je Barrel. Am Markt wird auf die Ankündigung Saudi-Arabiens verwiesen, seine Förderung auch im August einzuschränken. Russland hatte ebenfalls zu Wochenbeginn verkündet, seine Ausfuhren zu verringern.

Zu den Zinssorgen gesellen sich in Deutschland auch immer handfestere Konjunkturprobleme: Die deutschen Unternehmen haben ihre Produktion im Mai überraschend gedrosselt. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 0,2 Prozent weniger her als im Vormonat, teilte das Statistische Bundesamt mit. Befragte Ökonomen hatten mit einer Stagnation gerechnet. Vor allem die Bauwirtschaft schwächelt als Folge der hohen Materialpreise und Zinsen.

BASF (und auch Covestro) gewannen über fünf beziehungsweise 2,8 Prozent - trotz einer Gewinnwarnung des Konkurrenten Clariant. Laut Experten hatten Spekulanten versucht, nach bereits ähnlichen Warnungen in der Chemiebranche mit Leerverkäufen zu profitieren. Die Wette gehe aber inzwischen nicht mehr auf, auch bei BASF würden daher entsprechende Short-Wetten aufgelöst. Die Aktie des DAX-Konzerns hatte in den vergangenen Tagen deutlich nachgegeben.

Ein Bericht der "Platow Börse" über eine etwaige Abspaltung der Sparte Crop Science durch den Bayer-Konzern hat nach Börsenschluss im nachbörslichen Handel den Aktienkurs angetrieben. In der Spitze legten die Papiere auf Tradegate um 4,8 Prozent im Vergleich zum Xetra-Hauptgeschäft auf 51,10 Euro zu. Zuletzt betrug das Plus noch gut 4,0 Prozent.

Den Angaben zufolge soll Bayer-Chef Bill Anderson an Plänen für eine Abspaltung der Agrochemie-Sparte arbeiten, um sie nach dem Vorbild von Siemens Energy an die Börse zu bringen. Unter Marktteilnehmern wurde über diese Option in der Vergangenheit immer wieder spekuliert. Skeptiker halten dem allerdings entgegen, dass mit dem Unkrautvernichter Glyphosat noch immer Risiken verbunden seien, die einem sogenannten Spinoff entgegenstünden.

Mit Mercedes-Benz will ein weiterer Autobauer künftig das nordamerikanische Ladenetz von Tesla für seine Elektroauto-Kunden verfügbar machen. Ab 2024 sollen Mercedes-Kunden Teslas Schnellladesäulen in Nordamerika nutzen können, teilten die Stuttgarter heute mit. Zuvor hatten Volkswagen sowie die US-Autobauer General Motors und Ford entsprechende Pläne angekündigt.

Mercedes will ab 2025 Teslas North American Charging Standard (NACS) in seine neuen Elektroautos einbauen. Im Jahr 2024 soll das Laden der bislang mit dem konkurrierenden CCS-Standard ausgestatteten Mercedes-Autos aber bereits mit einem Adapter möglich sein. Insgesamt gehe es um über 12 000 Tesla-Schnellladestationen in Nordamerika.

Mercedes bekräftigte außerdem seine Pläne, bis Ende des Jahrzehnts 2500 eigene Schnellladepunkte in Nordamerika aufzubauen, die ersten sollen Ende dieses Jahres in Betrieb genommen werden. Sie sollen sowohl mit NACS- als auch mit CCS-Steckern ausgestattet sein. Weltweit sind über 10 000 eigene Mercedes-Ladepunkte geplant.

Eine Taskforce des Managements und ein Sonderausschuss des Aufsichtsrates sollen Siemens Energy helfen, die anhaltenden Probleme mit seinem Windkraftgeschäft in den Griff zu bekommen. Der Sonderausschuss kam gestern Abend zu seiner ersten Sitzung zusammen, zitiert die Nachrichtenagentur dpa aus Aufsichtsratskreisen. Seine Aufgabe sei dem Vernehmen nach, die Aufarbeitung der Qualitätsprobleme bei Windrädern zu überwachen, derentwegen Siemens Energy Ende Juni seine Prognose zurückziehen musste.

Die Auslieferungszahlen beim weltgrößten Flugzeugbauer Airbus entwickeln sich weiter positiv. Im Juni wurden 72 Maschinen ausgeliefert, teilte der DAX-Konzern mit. Das ist so viel wie in keinem anderen Monat bislang in diesem Jahr. In den ersten sechs Monaten hat Airbus damit 316 Maschinen ausgeliefert. Um das Ziel von 720 Flugzeugen in 2023 zu erreichen, müssen die Auslieferungen in der zweiten Jahreshälfte also in etwa das Juni-Niveau halten.

Wegen Verlusten in der wichtigen Chip-Sparte brach der Konzerngewinn bei Samsung im Zeitraum April bis Juni um 96 Prozent auf 600 Milliarden Won (etwa 420 Millionen Euro) ein. Dies ist laut Samsung der niedrigste Gewinn in einem Quartal seit 14 Jahren. Im vergangenen Jahr vermeldete das Unternehmen im gleichen Zeitraum noch einen Gewinn von 14,1 Billionen Won (9,8 Milliarden Euro). Der Umsatz dürfte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 22 Prozent auf 60 Billionen Won (42 Milliarden Euro) gesunken sein, so Samsung.