
Handel im Zeichen der Zölle US-Anleger bleiben vorsichtig
Die Wall Street stand auch heute ganz im Zeichen der erratischen Zollpolitik der Trump-Regierung. Die US-Anleger bleiben verunsichert, Anfangsgewinne schmolzen ab.
An der Wall Street ist die Verunsicherung der Anleger in Anbetracht der unkalkulierbaren Zollpolitik der Regierung derzeit fast mit Händen greifbar. Die großen Aktienindizes konnten heute anfänglich größere Gewinne nicht ins Ziel retten und handelten zuletzt meist um ihre Niveaus vom Vortag. Sie konnten damit auch nicht an die jüngste Zwischenerholung anknüpfen, nachdem Präsident Trump zumindest vorübergehende, punktuelle Zollerleichterungen in Aussicht gestellt hatte.
Der Leitindex Dow Jones ging am Ende bei 40.368 Punkten um 0,38 Prozent moderat tiefer aus dem Handel. Auch der S&P 500 bewegte sich kaum und endete bei 5.396 Punkten 0,17 Prozent im Minus. Auch die Nasdaq veränderte sich kaum, der Index fiel um 0,1 Prozent. Der Auswahlindex Nasdaq 100 legte hingegen leicht zu.
Hinter dem letztlich richtungslosen Handel an der Wall steckt die anhaltende Unsicherheit über die Zollpolitik der Trump-Regierung und deren Folgen, vor allem, ob das Land durch die von Trump angezettelten globalen Handelskonflikte womöglich selbst in eine Rezession rutscht.
Fragen, die sich die Anleger derzeit täglich stellen. Die meisten Analysten erwarten, dass es an den Börsen volatil bleibt, bis mehr Klarheit über Trumps Zölle herrscht. Zuletzt hatte sich die Stimmung an den Börsen zu Wochenbeginn allerdings verbessert, nachdem Trump wichtige Elektronikprodukte von den gegenseitigen Zöllen ausgenommen hatte.
"Die Märkte haben sich nach jedem positiven Zeichen gesehnt", sagte Dan Boardman-Weston, Chef von BRI Wealth Management. "Die Ankündigung zu Elektronik und Telefonen am Wochenende war hilfreich für die Stimmung, und die Märkte haben sich in den letzten Tagen ein wenig erholt."
Dennoch sei die endgültige Zollregelung noch ungewiss und werde darüber entscheiden, ob es zu einer Rezession komme oder nicht, sagte Darrell Cronk, Präsident des Wells Fargo Investment Institute.
Die enormen Kursschwankungen und die hohen Handelsumsätze an den Börsen spülten derweil der Bank of America und der Citigroup reichlich Geld in die Kassen. Der Überschuss sei im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahresabschnitt um rund ein Fünftel auf etwas mehr als vier Milliarden Dollar (3,6 Milliarden Euro) geklettert, teilte die Citigroup heute in New York mit. Neben den um drei Prozent höheren Erträgen profitierte die Bank auch von sinkenden Kosten. Das Ergebnis fiel etwas besser als erwartet aus.
Auch die Bank of America legte ein starkes Quartalsergebnis vor. Sie erzielte im ersten Vierteljahr unter dem Strich 7,4 Milliarden Dollar Überschuss, verglichen mit 6,7 Milliarden Dollar vor Jahresfrist. Pro Aktie erwirtschaftete die US-Großbank einen Gewinn von 90 Cent, verglichen mit 76 Cent ein Jahr zuvor. Die Erträge im Handelsgeschäft legten um neun Prozent zu - im Aktienhandel lag das Plus bei 17 Prozent.
Die Wettbewerber JP Morgan und Goldman Sachs hatten in ihren Quartalsberichten zuletzt ebenfalls kräftige Zuwächse im Handelsgeschäft vermeldet. Dabei profitierten die Institute von schwankenden Börsen, wozu unter anderem die Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump beitrug.
Die Goldman-Aktie war heute einer der größten Gewinner im Leitindex Dow Jones und legte 0,78 Prozent zu. Von Krise also erstmal keine Spur bei den großen US-Geldhäusern.
Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) sieht das differenzierter. Sie macht sich, wie auch die Anleger, längst Gedanken über die Folgen von Trumps aggressiver Zollpolitik, die nach Einschätzung des Notenbankdirektors Christopher Waller gravierende Folgen für die amerikanische Wirtschaft haben könnte.
Die neue Zollpolitik sei "einer der größten Schocks für die US-Wirtschaft seit vielen Jahrzehnten", sagte Waller. Die Auswirkungen der Zollpolitik bezeichnete der Notenbanker als "höchst ungewiss". Daher sei auch der Ausblick auf die weitere konjunkturelle Entwicklung "höchst unsicher". Vor diesem Hintergrund müsse die Geldpolitik flexibel bleiben.
Nach dem robusten Wochenauftakt ging es mit dem DAX auch heute weiter bergauf, wenn auch nicht ganz stürmisch wie am Vortag. Der Leitindex gewann am Ende 1,43 Prozent und schloss bei 21.253 Punkten. Das Tageshoch lag bei 21.288 Punkten. Auch der MDAX der mittelgroßen Unternehmen stieg deutlich um 2,4 Prozent auf 27.266 Zähler.
Gestern hatte der DAX um fast drei Prozent zugelegt und damit die Verluste infolge des von US-Präsidenten Donald Trump Anfang April ausgelösten Zollschocks weiter reduziert.
Trump war wie schon in den letzten Wochen auch heute wieder Alleinunterhalter auf dem Parkett mit seinen erratischen Aussagen zur Zollpolitik. Positiv aufgenommen wurde von den Anlegern, dass Trump Ausnahmen von den geplanten 25-prozentigen Autozöllen ins Spiel brachte. Zugleich will der Präsident aber Zölle auf pharmazeutische Produkte erheben, die bislang davon ausgenommen sind.
Details bleibt das Weiße Haus schuldig, deshalb herrscht bei Experten durchaus Skepsis. "Nach den Kehrtwenden bei den 'reziproken' Zöllen und Andeutungen von Trump selbst, bei den Autozöllen Lockerungen einzuführen, dürften Marktteilnehmer die neuen Zolldrohungen jedoch nicht für bare Münze nehmen", schreiben die Experten der Dekabank.
Am Wochenende hatte US-Handelsminister Howard Lutnick klargestellt, dass elektronische Geräte wie Smartphones und Computer vorerst von den verschärften Zollbestimmungen der USA verschont bleiben, dies aber nur vorübergehend so sein werde.
Trotzdem reagierten die meisten Aktien aus dem deutschen Automotive-Sektor positiv. So verbuchten BMW, Mercedes und Volkswagen Kursgewinne von gut zwei Prozent. Die Anteilsscheine des Autozulieferers und Reifenherstellers Continental kletterten sogar um 2,8 Prozent. Anteile des Sportwagenbauers Porsche AG verloren hingegen gut ein Prozent.
Bayer-Chef Bill Anderson sieht die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump zurzeit gelassen. "Wir haben eine sehr globale Lieferkette und umfangreiche Produktionsanlagen in den USA, vor allem für Produkte im Agrargeschäft, bei verschreibungsfreien Medikamenten und auch einige im Bereich Pharma. Insofern sind wir aktuell nicht besonders betroffen", sagte Anderson dem Handelsblatt.
Doch dauerhaft hohe Aufschläge würden die Branche und auch deren Forschungskraft bedrohen, erklärte er mit Blick auf weitere Pharma-Zölle, etwa auf verschreibungspflichtige Arzneien.
Die Anleger sollten sich Experten zufolge weiterhin für stärkere Kursschwankungen bereithalten. "Das Zollchaos hält die Börsen weiter in Atem", schreiben die Marktbeobachter von Index Radar. "Immerhin lässt die Kehrtwende bei den reziproken Zöllen sowie Andeutungen von Donald Trump, auch bei den Autozöllen über Lockerungen nachzudenken, auf einen etwas gemäßigteren Weg hoffen. Es bleibt jedoch dabei: Das ständige Hin und Her bietet keine Planungssicherheit."
Die Verunsicherung würde nur dann nachlassen, wenn es schnell zu Verhandlungslösungen käme. Ansonsten wären niedrigere Unternehmensinvestitionen, schlechtere Finanzbedingungen und einen Konsumrückgang die Folge, unterstreicht Gilles Moëc, Chefökonom der AXA Group und Leiter der AXA IM Research-Abteilung.
Auch aktuelle Konjunkturdaten zeigten die Wirkung der erratischen US-Zollpolitik auf die deutsche Volkswirtschaft. Das Stimmungsbarometer des Forschungsinstituts ZEW fiel gegenüber dem Vormonat um 65,6 Punkte auf minus 14,0 Punkte, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) mitteilte. Es war der stärkste Rückgang der Erwartungen seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Jahr 2022.
"Im März hatte die Fiskalbazooka die Konjunkturerwartungen nach oben geschossen. Mit dem US-Zollhammer folgt nun der tiefe Rückfall", sagt Bastian Hepperle, Ökonom bei Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. "Von Aufbruchsstimmung und einer Wirtschaftswende ist weit und breit nichts zu sehen. Das außenwirtschaftliche Umfeld bleibt schwierig und die inländische Konjunkturdynamik schlapp."
"Die US-Zölle werden für die deutsche Wirtschaft zu einer schweren Bürde", kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Die Wirtschaft laufe Gefahr, in diesem Jahr zu schrumpfen. "Der deutliche Fall der ZEW-Konjunkturerwartungen im April macht deutlich, dass der erhoffte Aufschwung ausbleibt."
Die Gemeinschaftswährung tendierte zuletzt im US-Handel bei 1,1283 Dollar und fiel damit noch unter die Marke von 1,13 Dollar. Die Europäische Zentralbank setzte den Referenzkurs auf 1,1324 (Montag: 1,1377) Dollar fest.
Auch ein Rückgang der US-Importpreise auf 0,9 Prozent im März gegenüber dem Vorjahr half nicht. Es ist die niedrigste Jahresrate seit vergangenen Oktober. Bankvolkswirte hatten im Schnitt mit einem Anstieg um 1,4 Prozent gerechnet. Im Februar hatte die Jahresrate bei revidierten 1,6 Prozent gelegen.
Die freundliche Stimmung an den Aktienmärkten belastete die Festverzinslichen moderat. Im Blick der Märkte bleiben das Thema Zölle sowie die erratische und wenig berechenbare Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen zog leicht auf 2,53 Prozent an.
Deutsche Bundesanleihen hatten zuletzt von der extremen Verunsicherung profitiert. In Gegensatz zu den US-Anleihen konnten sie so ihren Status als sicherer Hafen verteidigen, während mit Blick auf US-Anleihen die Zweifel gewachsen sind.
Deutschlands größter Rüstungskonzern Rheinmetall übernimmt das Kampfmittelbergungsunternehmen Stascheit. Ein Kaufvertrag sei bereits geschlossen worden, teilt Rheinmetall mit. An der Börse waren die Rheinmetall-Papiere einmal mehr gefragt. Der Kurs kletterte im frühen Handel um bis zu vier Prozent auf 1.497,50 Euro und damit abermals auf einen Rekordstand. Der Schlusstand im XETRA-Handel lag nur leicht darunter.
Der Hamburger Konsumgüterhersteller Beiersdorf hat nach den Rekordmarken der Vergangenheit zum Jahresstart an Wachstumstempo verloren. Der organische Umsatz des DAX-Konzerns sei im ersten Quartal um 3,6 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro gewachsen. Vor Jahresfrist stand hier noch ein Plus von 7,3 Prozent in den Büchern. Das Geschäft mit Hautpflegemitteln und Kosmetika legte von Januar bis März um 2,3 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro zu, die kleinere Sparte Tesa wuchs rasant um 10,7 Prozent auf 441 Millionen Euro.
Die Europäische Kommission hat erstmals eine Alzheimer-Therapie zugelassen, die auf zugrundeliegende Krankheitsprozesse abzielt. Der Antikörper Lecanemab sei für eine Behandlung im frühen Stadium und das erste Medikament dieser Art, das in der EU zugelassen werde, teilte die Kommission mit.
Fachleuten zufolge kommt nur ein sehr kleiner Teil der Alzheimer-Patienten für diese Therapie infrage. Der Wirkstoff wurde von der US-Firma Biogen und der japanischen Eisai entwickelt. Das Medikament, das in einigen Monaten verfügbar sein könnte, soll die Krankheit ein wenig verlangsamen. Die Zulassung unterliegt laut EU-Kommission strengen Auflagen. Bisherige Alzheimer-Therapien behandeln nur Symptome der Krankheit, nicht ursächliche Prozesse im Gehirn.
Das ist bei Lecanemab anders: Der Antikörper richtet sich gegen Amyloid-Ablagerungen im Gehirn und soll dadurch den Verlauf der Krankheit in einem frühen Stadium verlangsamen. Um Heilung oder Verbesserung geht es allerdings auch bei diesem Wirkstoff nicht - ein solches Mittel ist weiterhin nicht in Sicht.
Als Reaktion auf den Zollstreit mit den USA hat China einem Medienbericht zufolge die heimischen Fluggesellschaften angewiesen, keine Boeing-Maschinen mehr abzunehmen. Die Regierung in Peking habe die chinesischen Airlines auch aufgefordert, keine Flugzeugteile und -ausrüstung mehr von US-Unternehmen zu kaufen, meldet die Finanznachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Insider. Sie erwäge zudem Hilfen für Fluggesellschaften, die Boeing-Maschinen geleast hätten und wegen des Handelskonflikts mit höheren Kosten konfrontiert seien.
Der Chipkonzern Nvidia will in den kommenden vier Jahren nach eigenen Angaben KI-Technik im Wert von bis zu 500 Milliarden Dollar in den USA produzieren. In Texas würden dafür zwei Supercomputer-Fabriken gemeinsam mit asiatischen Auftragsfertigern gebaut: mit Foxconn in Houston und mit Wistron in Dallas. Die Massenfertigung dort solle in zwölf bis 15 Monaten beginnen, teilte Nvidia mit.
Der US-Konzern Johnson & Johnson (J&J) hat im ersten Quartal besser abgeschnitten als erwartet. Dank guter Geschäfte mit neuartigen Arzneien, Krebsmedikamenten und Medizintechnik kletterte der Umsatz konzernweit um 2,4 Prozent auf 21,9 Milliarden US-Dollar (19,3 Mrd Euro), wie das Dow-Jones-Unternehmen heute mitteilte. Währungsbereinigt betrug das Umsatzplus 4,2 Prozent. Unter dem Strich blieb ein bereinigter Gewinn von 6,7 Milliarden Dollar hängen, ein Plus von knapp zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Der Konzern senkte allerdings wegen den von der Regierung verhängten Zollbelastungen sein Gewinnziel, was bei den Anlegern nicht gut ankam. Der Vorstand erwarte 2025 nun je Aktie einen bereinigten Gewinn von 10,50 bis 10,70 Dollar statt 10,75 bis 10,95 Dollar, teilte der Konzern heute mit. Finanzvorstand Joe Wolk erklärte, die Gewinnanpassung berücksichtige rund 400 Millionen Dollar, die voraussichtlich im Medizintechnik-Geschäft (J&J MedTech) aufgrund der geltenden Zölle auf Importe aus China und Mexiko anfallen werden.